Der Traum von der Aufholjagd

Scholz hofft nach Brandenburg auf Rückenwind – dabei treiben AfD und BSW alle anderen feixend vor sich her.

Von Wolfgang Molitor

Berlin - Wovon träumt Olaf Scholz eigentlich nachts? Wohl von einer Aufholjagd. Nach dem Brandenburger SPD-Erfolg in allerletzter Minute hofft der Ampel-Vormann nun auf eine ähnlich positive Entwicklung für den traurigen Rest seiner Kanzlerschaft. Dabei wissen alle, die sich für den Hanseaten vor den Kameras lustlos in die Bresche werfen, dass der knappe Sieg des Genossen Dietmar Woidke so gar nichts mit dem erhofften Rückenwind für Scholz zu tun hat.

Wenn es für viele Menschen der einzige Grund ist, SPD zu wählen, um der AfD den Weg an die Macht in Bund und Ländern zu verbauen, dann ist das für eine politische Stabilisierung der traditionsreichen Sozialdemokraten viel zu wenig. Wenn 75 Prozent der Wähler in Brandenburg angeben, die SPD – obwohl von der Partei wenig überzeugt – angekreuzt zu haben, um eine starke AfD zu verhindern, dann sollte Scholz das nicht für einen demoskopischen Muntermacher halten, sondern es wie einen programmatischen Offenbarungseid einordnen. Dietmar Woidke war für viele demokratisch verantwortungsvoll taktierende Wähler ein starker demokratischer Garant und geschätzter Ministerpräsident. Die Brandenburger mögen Woidke. Wer mag Olaf Scholz?

Und nun? Die SPD wird nicht umhin kommen, mit den regionalen Wagenknecht-Lakaien anzubandeln, um in Potsdam eine Regierung zu bilden. Die gedemütigte CDU fällt als Partner mangels Masse aus. Und eine Minderheitsregierung kann in einem Drei-Parteien-Parlament nicht funktionieren, weil sie mit einem völlig unberechenbaren Wagenknecht-Bündnis zwangsläufig auf AfD-Stimmen angewiesen wäre. Dass das BSW angekündigt hat, durchaus Anträge der AfD zu unterstützen, macht die Sache nicht einfacher.

Dennoch: Die einstmals stolzen Volksparteien halten das Bündnis Sahra Wagenknecht für den letzten Strohhalm, sich doch noch regierungstauglich präsentieren zu können. In Sachsen, Thüringen und Brandenburg arbeiten SPD wie CDU frech an der Legende, das BSW wäre auf Landesebene ein B ohne SW. Vor allem die CDU wird sich da noch etwas Plausibleres einfallen lassen müssen. Schließlich hat sie ihren fortbestehenden Unvereinbarkeitsbeschluss, mit der mittlerweile ruinösen Linkspartei zu paktieren, nicht zuletzt mit den softkommunistischen, putinhörigen und antiamerikanischen Parolen Wagenknechts begründet, als diese noch eifrig parteiintern an der Zerstörung der Linkspartei gearbeitet hatte.

Dass sich die 55-Jährige nicht für ländliche Infrastruktur interessiert, sondern die deutsche Politik als Ganzes in andere Bahnen lenken möchte, hat sie offen proklamiert. Wagenknecht will den Einzug in die Landesparlamente zum bundesweiten Sturmangriff auf das Kanzleramt nutzen. Wer ihr dabei aus nackter Angst vor der AfD die Steigbügel hält, will nicht begreifen, dass dabei radikal links und extrem rechts verhängnisvoll am selben Seil gezogen wird.

Unterdessen zerfällt ein wichtiger Teil des politischen Lagers. Die FDP ist dabei am weitesten enteilt: Weniger als die Hälfte der Brandenburger Tierschutzpartei-Prozente – das ist mehr als eine Schmach, sondern angesichts der prognostizierten vier Prozent im Bund ein weiterer Schritt in die politische Bedeutungslosigkeit. Wer will da noch darauf setzen, dass die Ampel-Liberalen die letalen Schmerzen bis zum regulären Bundestagswahltermin ertragen können? Dass es den Grünen, wenn gleich auf mager höherem Niveau und inzwischen ohne Parteiführung ähnlich geht, ist kein Trost.

Aufholjagd? Noch nie haben AfD und BSW die regierenden Parteien samt der Merz-Opposition derart feixend vor sich hergetrieben. Man macht es ihnen leicht.

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Erstellt:
27. September 2024, 22:06 Uhr
Aktualisiert:
28. September 2024, 21:57 Uhr

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