Miese Zeiten für fette Beute: Diebe weniger unterwegs

dpa/lsw Stuttgart. Die Corona-Krise hat nicht nur Menschen in ehrlichen Berufen einen Strich durch die Rechnung gemacht, den Händlern, Künstlern oder Köchen. Auch Diebe und Einbrecher mussten sich umstellen. Denn ihre auserkorenen Opfer sind wegen der Pandemie zu Hause - und vorsichtig.

Ein Schild mit dem Schriftzug “ Polizei“ hängt an einer Polizeiwache. Foto: Stefan Sauer/dpa-Zentralbild/dpa/Symbolbild

Ein Schild mit dem Schriftzug “ Polizei“ hängt an einer Polizeiwache. Foto: Stefan Sauer/dpa-Zentralbild/dpa/Symbolbild

Das Gedränge im Bierzelt, die Warteschlange im Kino, eine vergessene Handtasche in der Bahn oder das dunkle Häuschen am Stadtrand: das sind alles willkommene Einladungen für Taschendiebe oder Einbrecher. Normalerweise. Aber was ist schon normal in diesen Zeiten? Denn die Corona-Krise macht auch Einbrechern und Dieben im Südwesten das Leben schwerer. Es ist kaum etwas los in den Fußgängerzonen, die Kaufhäuser sind dicht und wegen des Lockdowns bleiben die Menschen zu Hause. Kommt hinzu, dass die Polizei vor allem bei den Dieben und Einbrechern sehr viel genauer hinschaut als früher. Deshalb ist die Zahl ihrer registrierten Beutezüge im vergangenen Jahr weiter drastisch gesunken.

Die Polizei registrierte nach Angaben des Innenministeriums 135 586 Fälle, das sind 15 Prozent oder 24 000 weniger Diebstähle im Vergleich zum Vorjahr. In den vergangenen fünf Jahren ist die Zahl in Baden-Württemberg somit um mehr als 77 000 Fälle gesunken. Die deutliche Entwicklung liege auch an der Präsenz und den erfolgreichen Ermittlungen der Polizei, erklärte Innenminister Thomas Strobl (CDU).

Zumindest in Zeiten der Pandemie ist der Trend zur sicheren Handtasche wegen des Lockdowns weniger überraschend. Denn die Geschäfte sind zum Beispiel seit Monaten geschlossen, Volksfeste und Weihnachtsmärkte sind landesweit fast komplett ausgefallen. „Vor allem beim Taschendiebstahl haben sich die Tatgelegenheitsstrukturen verändert, denn der Mindestabstand macht es den Dieben deutlich schwerer“, sagte Strobl am Freitag.

Allerdings geht die Zahl der Diebstähle auch bereits seit fünf Jahren zurück, wenngleich weniger stark. Jede fünfte Straftat in Baden-Württemberg hat mittlerweile mit Langfingern zu tun. Die Schadenshöhe verringerte sich im vergangenen Jahr um rund 16,6 Millionen Euro auf 140,7 Millionen Euro. Unter anderem wechselten laut Statistik mehr als 17 800 Fahrräder auf kriminellem Weg den „Besitzer“, fast 34 000 Ladendiebe wurden erwischt und rund 1100 Mal ließen sich Unwissende von Trickdieben reinlegen.

Im Jahr 2020 sank zudem die Zahl der Diebstähle aus Autos, es wurden auch weniger Fahrzeuge gestohlen. Die Folge: Der Schaden durch Autodiebe nahm um etwa 31 Prozent auf insgesamt rund 11,8 Millionen Euro ab. Der neue Trend: Diebe lassen deutlich weniger fest verbaute Navigationssysteme, Airbags und Lenkräder mitgehen und greifen stärker als bislang zu Abgaskatalysatoren. „Diese sind wegen den enthaltenen Edelmetallen sehr begehrt“, teilte die Polizei mit.

In vielen Fällen kann sich der Dieb auch nach dem Beutezug sicher fühlen: Rund 49 500 Delikte wurden in Baden-Württemberg aufgeklärt, das entspricht einer Quote von etwa 37 Prozent bei den Diebstählen.

Auch Einbrecher hatten es im vergangenen Jahr deutlich schwerer. Nicht zuletzt auch wegen des Lockdowns und anderer Einschränkungen durch die Pandemie sank die Zahl der Wohnungseinbrüche im vergangenen Jahr und im Vergleich zu 2019 von 6418 auf 4696, das entspricht einem Rückgang um knapp 27 Prozent und dem geringsten Wert seit 50 Jahren. Und in fast jedem zweiten Fall mussten die Täter laut Bericht mit leeren Händen den Rückzug antreten, weil sie nicht in die Wohnungen gelangten oder nichts klauten.

Strobl sieht auch hier den Grund für den Rückgang keineswegs nur der Pandemie geschuldet: „Die kontinuierliche polizeiliche Schwerpunktsetzung bei der Bekämpfung des Wohnungseinbruchdiebstahls zahlt sich aus“, sagt er. Fast jeder vierte Einbruch (24,1 Prozent) werde aufgeklärt, das sei deutlich besser als im Vorjahr.

Allerdings würden Einbrecher auch durch coronabedingte Einschränkungen an Beutezügen gehindert, räumte er ein. Viele Menschen arbeiteten im Homeoffice und gingen seltener aus. Auch der sonst übliche Anstieg zur sogenannten dunklen Jahreszeit im Spätherbst und Winter blieb nach früheren Angaben des Landeskriminalamtes im vergangenen Jahr wegen des Lockdowns aus. Es gebe sehr wahrscheinlich auch einen Zusammenhang mit den Grenzschließungen während der Pandemie, heißt es im Bericht weiter.

„Wir sollten uns deshalb nicht blenden lassen“, sagte der innenpolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Thomas Blenke. „Ein Teil der Kriminalität hat sich ins Internet verlagert, und auch bei der Gewalt gegen die Polizei ist die Tendenz steigend. Diesen Trend müssen wir umkehren.“

Denn während die Zahlen in den meisten Bereichen der Kriminalitätsstatistik zurückgehen, legen sie bei der Internetkriminalität in Baden-Württemberg deutlich zu. „Der Waren- und Warenkreditbetrug ist hier auf dem Vormarsch“, stellt die Polizei im Bericht fest. So bestellen Kriminelle zum Beispiel Waren online und bezahlen diese mit ausgespähten Daten der Kreditkarten ihrer Opfer. Der Versandhandel verschickt die Ware zwar, doch sie wird nicht bezahlt, da die Kreditkarte zwischenzeitlich gesperrt wurde. Auch Beleidigungen nehmen zu, während die Zahl der Erpressungen über das Internet zurückgeht. Insgesamt wurden im vergangenen Jahr 29 575 Fälle von Internetkriminalität registriert, ein Jahr zuvor waren es rund 5000 weniger.

© dpa-infocom, dpa:210218-99-498504/5

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Erstellt:
18. Februar 2021, 17:03 Uhr

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