Brückeneinsturz
Deutschlands Brücken sicher - aber mit Sanierungsbedarf
Warum die Brücke in Dresden eingestürzt ist, bleibt unklar. Generell gelten Brückenbauten in Deutschland als sicher. Sanierungsbedarf gibt es trotzdem.
Von Von Matthias Arnold und Marc Fleischmann, dpa
Berlin - Trotz des Brückeneinsturzes in Dresden dürfen sich Verkehrsteilnehmer beim Überqueren von Brückenbauwerken bundesweit sicher fühlen - auch wenn viele Brücken sanierungsbedürftig sind. Jede Brücke muss alle sechs Jahre eine Hauptuntersuchung nach DIN 1076 durchlaufen. Diese erfolgt in der Regel bei laufendem Verkehr und umfasst die Überprüfung aller Bauteile. Drei Jahre danach erfolgt jeweils eine einfache Prüfung. Die Ergebnisse werden dokumentiert.
Der Bereichsleiter Technik und Gesellschaft beim Verein Deutscher Ingenieure, Dieter Westerkamp, hält diesen Zyklus für ausreichend. "Angesichts der niedrigen Zahl an Vorkommnissen bei rund 130.000 Brücken in Deutschland scheint sich dieser Rhythmus zu bewähren", sagte er.
Zustandsnoten für bundeseigene Brücken
Allein knapp 40.000 Brücken sind dem Bundesverkehrsministerium zufolge in der Verantwortung des Bundes. Für weitere rund 67.000 Überquerungen sind die Kommunen verantwortlich, heißt es in einer Untersuchung des Deutschen Instituts für Urbanistik aus dem Jahr 2013. Hinzu kommen landeseigene Brücken.
Auf Basis der Überprüfungen erheben die Länder sowie die Autobahngesellschaft regelmäßig Informationen über den Zustand der Brücken. Für die Brücken des Bundes veröffentlicht die Bundesanstalt für Straßenwesen dann die Ergebnisse. Für jede einzelne Bundesbrücke vergibt sie dabei eine Note für sehr gute Bauwerkszustände (1,0 bis 1,4) bis hin zu ungenügenden Bauwerkszuständen (Noten 3,5-4,0). Sie bezieht sich vor allem auf äußere, sichtbare Schäden an der Brücke. Risse oder der Zustand der Geländer fließen etwa mit ein.
Im jüngsten Zustandsbericht erhielten knapp 2.300 der rund 40.000 Brücken des Bundes die Bestnoten 1,0 bis 1,4. Lediglich etwa 200 Bauten wurden mit ungenügenden Noten zwischen 3,5 und 4,0 bewertet. Damit befindet sich der Großteil der Bundesbrücken in einem "guten" oder "befriedigenden" Zustand.
"Wenn bei der Bauwerksprüfung eine Beeinträchtigung der Standsicherheit oder Verkehrssicherheit festgestellt wird, so werden selbstverständlich sofort entsprechende Maßnahmen getroffen, um die erforderliche Sicherheit weiterhin zu gewährleisten", heißt es in dem Bericht.
Abwärtstrend bei der Traglast
Eine weitere wichtige Kennzahl für Brücken ist der sogenannte Traglastindex. Dieser beschreibt die strukturelle Leistungsfähigkeit einer Brücke, also inwiefern sie den verkehrlichen Belastungen standhalten kann. Auch hier gibt es ein Stufensystem zwischen I und V. Diese letzte Stufe deutet darauf hin, dass das Bauwerk langfristig ersetzt werden muss.
Auch hier kommt die Einstufung von der Bundesanstalt für Straßenwesen. Es fällt auf, dass insbesondere im Westen zahlreiche Bauwerke ihre Lebenszeit überschritten haben. Generell beobachten Fachleute beim Traglastindex einen Abwärtstrend in Deutschland.
Bund legte Maßnahmenpaket auf
Insbesondere die Sperrung prominenter Autobahnbrücken hat in den vergangenen Jahren den Bund zum Handeln gezwungen. Für Schlagzeilen sorgte etwa die Autobahnbrücke Rahmede an der Sauerlandlinie, die wegen schwerer Schäden vollständig gesperrt werden musste und inzwischen gesprengt wurde. Geplant ist nun ein Neubau.
Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) verkündete im Frühjahr 2022 deshalb ein Maßnahmenpaket für eine schnellere Brückenmodernisierung. Von rund 28.000 Autobahnbrücken müssten demnach langfristig 8.000 modernisiert werden. 4.000 Bauwerke sollen bis 2032 instand gesetzt werden, die zweite Hälfte bis 2042.
Hinzu kommen rund 3.000 modernisierungsbedürftige Brücken im Bundesstraßennetz, die in der Zuständigkeit der Länder liegen. Der Bundesrechnungshof hat im Januar Zweifel angemeldet, ob der Sanierungszeitplan des Bundes zu halten ist.
Auch in den Kommunen gibt es Sanierungsbedarf
Bei den rund 67.000 Brücken in kommunaler Verantwortung gibt es ebenfalls Sanierungsbedarf. Auf Basis einer Befragung der Kommunen geht das Deutsche Institut für Urbanistik in einem Bericht aus dem vergangenen Jahr davon aus, dass jede zweite Straßenbrücke in keinem guten Zustand ist. Damit wäre ihr Zustand sogar schlechter als bei den Bundesbauten. Eine zentrale Erfassung der Brückenzustände gibt es auf Landes- oder kommunaler Ebene allerdings nicht.
Auch bei der Deutschen Bahn läuft ein Sanierungsprogramm für Brücken. Insgesamt gehören zur Infrastruktur des bundeseigenen Konzerns rund 25.700 solcher Bauten. Fast die Hälfte davon ist mehr als 100 Jahre alt. Bis 2029 will die Bahn insgesamt 2.000 Brücken vollständig oder teilweise erneuert haben. Zwischen 2019 und 2029 steht dem Konzern nach derzeitigem Stand ein Budget von rund neun Milliarden Euro zur Verfügung. "Die Brücken der Deutschen Bahn sind sicher, sie werden regelmäßig und systematisch inspiziert und geprüft", teilte das Unternehmen mit.