Diakon Manfred Zoll verabschiedet sich in den Ruhestand
Viele Jahre lang hat Manfred Zoll die Kirche Unterwegs geleitet und weiterentwickelt. Mit einem Gottesdienst und einem anschließenden Festakt wird der Oberweissacher Diakon nun in den Ruhestand verabschiedet. Zoll blickt zurück auf viele eindrucksvolle Erfahrungen und Gottesdienste an ungewöhnlichen Orten
Von Uta Rohrmann
Weissach im Tal. Dass Kirche so ganz anders sein kann – nicht verstaubt, sondern frisch, kreativ und einfach schön –, und das an Orten, an denen man sie nicht unbedingt erwartet, dafür steht der Verein Kirche Unterwegs der Bahnauer Bruderschaft. Das freie Werk innerhalb der Evangelischen Landeskirche, das 1955 in Unterweissach ins Leben gerufen wurde, gestaltet im ökumenischen Auftrag die Campingkirche in Württemberg, unterstützt Kirchengemeinden bei der Vorbereitung und Durchführung von Kinderbibelwochen, Glaubenskursen und innovativen Gemeindeprojekten. Dabei hat es Strahlkraft weit übers Ländle hinaus. Rund 2000 Gemeinden arbeiten jährlich im deutschsprachigen Raum und darüber hinaus mit den Praxishilfen von Kirche Unterwegs.
Manfred Zoll ist der wohl bekannteste Name, der sich mit dem Werk verbindet. 38 Jahre lang prägte der Oberweissacher Diakon die Kirche Unterwegs, die er seit 1999 leitete. Seine Leidenschaft für Musik und seine innovativen Ideen zeigten sich auch in seinen Bühnenprogrammen und im Konzept der christlichen Zirkusschule.
Jetzt geht Manfred Zoll in den Ruhestand, nachdem er die Leitung und Geschäftsführung der Kirche Unterwegs an seinen Kollegen Friedemann Heinritz übergeben hat. Er blickt zurück auf viele eindrucksvolle Erfahrungen und bereichernde Begegnungen. In den 1990er-Jahren, sagt Zoll, hätten Eltern ihre Kinder in das Programm mit Liedern, biblischen Geschichten, Spielen und Bastelangeboten geschickt. Entwickelt habe sich inzwischen eine Art Sommerkirche für die ganze Familie. Für junge Mütter und Väter sei das ursprünglich für Kinder gedachte Angebot durchaus attraktiv. „Biblische Inhalte, auf elementare Weise vermittelt, kommen auch bei Erwachsenen gut an“, weiß der Diakon.
Vielen Besucherinnen und Besuchern käme auch die lockere Atmosphäre bei einer Veranstaltung im Freien oder mit offenem Zelteingang entgegen: Dort kann man einfach mal kommen und gucken, bei Bedarf auch wieder gehen.
Einmal, so erzählt Zoll, seien sie als Team in Bad Liebenzell in eine besondere Situation gekommen. Die Camper seien zu 95 Prozent Niederländer, wie sie sehr kurzfristig erfuhren. „Wir haben dann ein Open Tipi angeboten – von 15.30 bis 22 Uhr. Ein Begegnungsraum mit Livemusik, Grillmöglichkeit, Geschichten mit Bildern, Bastelangeboten. Und wir haben das Vaterunser mithilfe von Zirkusgegenständen verdeutlicht“, erzählt der scheidende Leiter von Kirche Unterwegs. Eine Pfauenfeder auf dem Zeigefinger zu balancieren, gelinge beispielsweise nur, wenn man dabei nach oben, auf das Auge der Feder, schaue – ein Bild für die Ausrichtung auf Gott.
Das Veranstaltungsformat „Abendstimmung am See“ wurde in der Coronazeit entwickelt und komme bei allen Generationen sehr gut an. „Im Team der Kirche Unterwegs bringt sich jeder mit seinen Begabungen ein. Jonglage mit Leuchtbällen, Musik, Gesang und Poetry vor der besonderen Kulisse von See, Lichtern am anderen Ufer und unterm Sternenhimmel faszinieren die Gäste und regen zum Weiterdenken an“, berichtet Zoll.
Mit rund 150 Ehrenamtlichen und vier hauptamtlichen Stellen ist die Kirche Unterwegs jeden Sommer auf sechs Campingplätzen präsent – vier Wochen lang, in Gohren, dem größten Campingpark Süddeutschlands, sogar acht Wochen. Mit ihren Angeboten erreicht sie nach Zolls Angaben jährlich rund 10000 Menschen.
Diesen Sommer war Manfred Zoll noch einmal auf dem Campingplatz Gohren am Bodensee, um im Rahmen eines großen und bunten Fests die Leitung dort an seine Kollegin Marlene Gruhler zu übergeben. Vor mehr als 200 Gästen gaben die beiden ein gemeinsames Konzert, „MaMa’s Sommerkonzert“, aus Popsongs, christlichen Liedern und Balladen.
Und dann sah Manfred Zoll plötzlich Lea (Name geändert). „Sie humpelte mit ihrem Rollator den steinigen Weg auf mich zu. Lea ist 20 Jahre alt. Vor acht Jahren erlebte ich sie hier, wie sie bei unserem Zirkusangebot auf der Laufkugel balancierte, einem 80 Zentimeter hohen harten Ball. Im Winter darauf erlitt sie einen schweren Unfall und ist seither behindert. Lange lag sie im Koma. Dann Rollstuhl und intensivste Pflege. Nun kann sie ein paar Schritte gehen, am Rollator. Und ist extra zu meinem Abschied angereist. Sie reichte mir die Hand: ‚Gott segne dich, Manfred. Er sei dein Schutz und achte auf dich. Die Zeit bei der Campingkirche war immer sehr wichtig für mich.‘ Ein besonderer Segen einer besonderen jungen Frau, für die Kirche auf dem Campingplatz mit besonderen Erinnerungen verbunden ist. Die hier Glaubenshoffnung erlebt hat, die offenbar durchtrug, sie und ihre Familie, durch die Krise bis zum heutigen Tag.“
Gottesdienst Zur Verabschiedung von Manfred Zoll aus dem Dienst der Kirche Unterwegs sind alle Interessierten eingeladen. Der Gottesdienst findet am Samstag, 7. Oktober, von 17 Uhr an in der evangelischen Kirche in Unterweissach statt. Er wird gestaltet von Manfred Zoll selbst und von Menschen, die seinen Dienst bei Kirche Unterwegs geprägt haben. Julian Böhringer wird als neuer Mitarbeiter bei Kirche Unterwegs eingeführt werden. Im Anschluss wird in der Evangelischen Missionsschule Unterweissach weitergefeiert.