Netflix & Co.: Streamingtipps
Das sind die 12 besten Serien des Jahres 2024
Von „Star Wars: Skeleton Crew“ über „Nobody Wants This“ bis „Die Zweiflers“: Die Redaktion kürt ihre Lieblingsserien von 2024 und verrät, wo es diese zu sehen gibt.
Von von unserer Redaktion
Welche Serie sollte man in diesem Jahr keinesfalls verpasst haben? Das Magazin „The New Yorker“ schwört auf die Investmentbanker-Serie „Industry“, die Zeitschrift „Variety“ auf die Kleinstadt-Comedyserie „Somebody Somewhere“ und das Filmmagazin „Empire“ auf die Bestseller-Verfilmung „Shōgun“, die bereits bei der diesjährigen Emmy-Verleihung abgeräumt hat.
Glaubt man dagegen dem Bewertungs-Aggregator „Rotten Tomatoes“ sind die besten Serien des Jahres der britische Agententhriller„Slow Horses“, die Animeserie „Arcane“ und das Remake der Gerichtsserie „Matlock“ mit Kathy Bates. Und während die „New York Times“ als beste internationale Serien tatsächlich zwei deutsche Produktionen auserkoren hat (die vierte Staffel von „Babylon Berlin“ und die zweite Staffel von „Kleo“), kann sich die „FAZ“ nicht zwischen dem Mystery-Krimi „True Detective: Night Country“, dem Modedrama „The New Look“ und der Komödie „Perfekt verpasst“ mit Anke Engelke und Bastian Pastewka entscheiden.
Zwar rechnen viele damit, dass die Fortsetzung des südkoreanischen Thrillers „Squid Game“ das Serien-Ereignis des Jahres werden könnte, da die zweite Staffel aber erst am 26. Dezember startet, fehlt diese bisher noch auf allen Listen.
Doch auch ohne „Squid Game“ hatte dieses TV-Serien-Jahr viel zu bieten. Und auch die Dauerglotzer in unserer Redaktion haben wieder viel Zeit vor Bildschirmen verbracht. Zwölf Redakteurinnen und Redakteure stellen hier eine Lieblingsserien des Jahres 2024 vor.
Rentierbaby
Achtung, dies ist keine Weihnachtsserie! In der Miniserie „Rentierbaby“ geht es um Donny. Er wird belästigt von Martha, die eines Tages in dem Pub auftaucht, in dem Donny arbeitet. Er gibt ihr eine Tasse Tee aus. Ein Fehler, denn von da an weicht sie nicht mehr von seiner Seite. Sie überhäuft ihn mit Nachrichten, die Rechtschreibung katastrophal, die Inhalte übergriffig. Sie lauert ihm auf und bedroht seine Familie. Es dauert Monate bis Donny der Polizei davon berichtet. Das Besondere: Autor und Hauptdarsteller Richard Gadd spielt seine eigene Lebensgeschichte. (Netflix)
Ebenfalls sehenswert: die SWR-Serie „30 Tage Lust“ (ARD-Mediathek)“, die in Stuttgart spielt und sich mit dem Thema Polyamorie auseinandersetzt, sowie „Die Zweiflers“ (ARD-Mediathek) über eine jüdische Frankfurter Familie.
Star Wars: Skeleton Crew
Stellen Sie sich vor „Star Wars“ trifft auf „Stranger Things“ – und dann spielt auch noch Jude Law mit! Gerade als man glaubte, die Serien-Ableger aus George Lucas’ Science-Fiction- Märchenwelt werden immer fader, belehrt einen diese schrille Coming-of-Age-Odyssee eines besseren. Gegen „Skeleton Crew“ sehen selbst gelungene „Star Wars“-Serien wie „The Mandalorian“ oder „Andor“ ziemlich alt aus: Vier Teenager, die bisher ein ziemlich langweiliges Leben in irgendeiner Vorstadt eines Wohlstandsplaneten geführt haben, finden sich plötzlich in einer weit entfernen Galaxie wieder, nachdem einer von ihnen leichtfertig den Hyperspace-Knopf eines alten Raumschiffs gedrückt hat, das sie beim Spielen im Wald gefunden haben. (Disney+)
Außerdem sehenswert: das Historiendrama „Shōgun“ (Disney+), die Action-Komödie „Mr. & Mrs. Smith“ (Prime Video), die Rom Com„Nobody Wants This“ (Netflix), der Thriller „Alex Cross“ (Prime Video), die Krimikomödie „Elsbeth“ (Sky) und die nostalgische Ruhrpottsaga „Disco 76“ (RTL+)
Nobody Wants This
In eher düsteren Zeiten wie diesen hilft manchmal nur noch eine schöne, harmlose Rom Com. Zum Glück hat Netflix geliefert und mit „Nobody Wants This“ im Herbst einen Serienhit gelandet. Der Plot ist schnell erzählt: Sexpodcasterin Joanne (Kristen Bell) trifft bei einem Abendessen auf Rabbi Noah (Adam Brody). Die beiden verlieben sich, was in deren Familie und Freundeskreis auf wenig Begeisterung stößt. Schnelle Dialoge, ein bisschen Kitsch und zwei tolle Hauptcharaktere. Grandios sind auch die neurotischen Geschwister der beiden: die stets augenrollende Morgan (Justine Lupe) und der stets bekiffte Sasha (Timothy Simons). (Netflix)
Außerdem sehenswert: Wer hingegen etwas Action braucht, um zu entspannen, dem sind die Serien „The Gentlemen“ (Netflix) und „Mr. and Mrs. Smith“ (Prime Video) ans Herz gelegt.
Ina Schäfer
Pørni
Pørni (Henriette Steenstrup), eigentlich Pernille, ist eine Frau in ihren 40ern. Die Sozialarbeiterin muss sich in der gleichnamigen norwegischen Dramedy-Serie mit ihrem Ex-Mann herumschlagen und ihre Töchter Hanna und Sigrid allein aufziehen. Vor Kurzem ist ihre Schwester gestorben, seitdem befindet sich auch deren Sohn in ihrer Obhut. Pørni kümmert sich liebevoll um alle – und vergisst dabei sich selbst. Wer Lust auf eine Serie hat, die authentisch und berührend die Herausforderungen einer Frau zeigt, die zwischen Verpflichtungen, Gefühlen von Verlust und der Suche nach persönlichem Glück steht, sollte reinschauen. Skandinavisches Flair und starke Charaktere gibt’s obendrauf. (Netflix)
Außerdem sehenswert: „Heartstoppers“, Staffel 3 (Netflix), „Deadlines“ (ZDF-Mediathek)
Arcane, Staffel 2
Einer der erfolgreichsten E-Sports-Titel der Welt, „League of Legends“, hat 2021 seine eigene animierte Netflix-Serie bekommen: „Arcane“. Vor Kurzem kam die zweite Staffel heraus, in der zig auf dem Kriegsfuß stehende Parteien aufeinandertreffen: die beiden Schwestern Powder und Vi, Ambessa und Mel Medarda als Mutter und Tochter, die beiden Freunde Jayce und Viktor und nicht zuletzt Piltover und Zhaun, Oberstadt und Unterstadt. Bei dem vielen Konfliktpotenzial möchte man meinen, dass die zweite Staffel bei neun Folgen à 40 Minuten Abstriche in den Details des Erzählstrangs machen muss, aber mitnichten. Äußerst sehenswert, nicht nur für E-Sport-Fans. (Nextflix)
Außerdem lohn sich: Wer eher etwas Lockeres zum Lachen braucht, dem sei die neue Staffel „Extraordinary“ (Disney+) ans Herz gelegt
Monster: Die Geschichte von Lyle und Erik Menendez
Wer ein Faible für spektakuläre Verfilmungen echter Mordfälle hat, war 2024 hier genau richtig: „Monster: Die Geschichte von Lyle und Erik Menendez“ zeichnet in neun Episoden die Morde an José und Kitty Menendez 1989 durch deren Söhne nach. Die zweite Staffel der „Monster“-Anthologie-Reihe von Ryan Murphy und Ian Brennan folgt auf die schaurige Schilderung der Mordserie von Jeffrey Dahmer – und steht dieser in nichts nach. Absoluter Höhepunkt: Folge fünf, die aus nur einer Kameraperspektive gedreht wurde und ohne einen einzigen Schnitt auskommt. (Netflix)
Außerdem sehenswert: „Rentierbaby“ (Netflix) und „A Good Girl’s Guide to Murder“ (ZDF-Mediathek)
Undercover im Seniorenheim
Das Collier einer Bewohnerin im Seniorenheim Pacific View ist verschwunden, und eine Privatdetektivin soll es wieder finden. Dafür benötigt sie einen Assistenten im Alter zwischen 75 und 85. Ein Glückstreffer für den emeritierten Professor Charles (Ted Danson), den Einsamkeit und Langeweile plagen. Endlich hat er wieder eine Aufgabe, und die nimmt er überaus ernst. Im Verlauf der acht Folgen verlässt die Serie nach und nach das Krimigenre und wendet sich dem Thema Älterwerden zu. Fazit: Auch mit 75 gibt es noch viel zu erleben. Herzerwärmend, rührend und herrlich komisch. (Netflix)
Außerdem sehenswert: „Ein neuer Sommer“ (Netflix), „Only Murders in the Building“, Staffel 4 (Disney +)
Die Zweiflers
Großes Charismatikertreffen: Wie Martin Wuttke lakonisch in sein Nogger-Eis beißt. Wie Sunnyi Melles durchs Familienrestaurant eilt und ihre Löckchen hüpfen. Wie Aaron Altaras sich in Coolness übt, zugleich die Ansprüche seiner Familie erfüllt. Sehenswert. Die Geschichte sowieso, die von einer jüdischen Familie in Frankfurt erzählt, von Nachkriegssünden und Antisemitismus. Toller Wortwitz der Autoren David Hadda, Juri Sternburg, Sarah Hadda, das Gespür für Timing und schnelle Schnitte der Regisseurin Anja Marquardt. (ARD-Mediathek)
Auch gut: „Nobody wants this“ (Netflix), Rabbi trifft Influencerin. Immer wieder gut: „Mad Men“ (Netflix), ausstattungsverliebte Gesellschafts- und Kapitalismuskritik mit Rauchschwaden
Zwei an einem Tag
Braucht es das wirklich? Eine Serie auf Basis von David Nicholls Bestseller „Zwei an einem Tag“? Bei Netflix gibt es ja den Film zu gucken. Sogar der Titel ist derselbe. Die Antwort: Ja. Braucht es. Denn der Aufbau des Buches schreit ja eigentlich nach einer Serie. Emma und Dexter verbringen den letzten Tag ihrer Unizeit miteinander. Es ist der 15. Juli 1988 und statt Sex zu haben, quatschen sie die Nacht durch und landen in der „Friend Zone“. Wenn da bloß nicht diese anderen Gefühle wären. Von da an schaut die Serie jeden 15. Juli bei ihren Hauptfiguren vorbei. Die Serie lebt von 90er-Vibes und zwei unheimlich talentierten jungen Hauptdarstellern: Ambika Mod und Leo Woodall. (Netflix)
Außerdem sehenswert: „Ein neuer Sommer“ (Netflix) und die vierteilige Doku-Reihe „Simone Biles: Wie ein Phönix aus der Asche“ (Netflix), die das phänomenale Comeback des Turnwunders nachzeichnet.
Der Discounter, Staffel 4
Seit ihrem Start 2021 ist die Mockumentary „Die Discounter“ ein Stern am deutschen Comedy-Himmel. 2024 kehrt die Erfolgsserie mit Staffel 4 zurück auf Amazon Prime – unverblümt, skurril und voller Fremdschäm-Momente! Die Serie zeigt den chaotischen Alltag der Angestellten im fiktiven Hamburger Discounter „Kolinski Feinkost“ und verbindet dabei schräge Charaktere mit realitätsnahem Humor. Ob Sicherheitsbeauftragter Jonas, dem jeder Ladendieb entwischt, oder Filialleiter Thorsten, der kaum Kontrolle über sein Team hat – die Figuren sind so überzeichnet wie authentisch. Mit ihrer Gen-Z-tauglichen Stromberg-Aufmachung und Clips, die viral gehen, trifft die Serie den Zeitgeist. Kein Wunder also, dass sie 2024 den Deutschen Fernsehpreis für die beste Comedy-Serie abgeräumt hat. (Prime Video)
Außerdem sehenswert: der Spionage-Thriller „Black Doves“ (Netflix) und die Dramedy „Ich hasse Weihnachten“ (Netflix)
Isabelle Vees
Ripley
Wer sich an ein Remake von „Nur die Sonne war Zeuge“ (1960) mit dem abgründig schönen Alain Delon als Identitätsdieb Tom Ripley wagt, muss mindestens respektlos oder einfach nur dämlich sein, denkt man. Doch schon nach der ersten Episode „Ripley“ mit Andrew Scott in der Hauptrolle ist klar: es geht immer noch besser. Und am besten geht’s in Schwarz-Weiß. Nie war die Amalfi-Küste düsterer, selten der Schatten des Mörders schwärzer. Die Wahrheit hingegen bleibt eine helle Leerstelle - wie die weiße Leinwand eines Malers. Dieser Ripley ist unfassbar gut, ein Bewunderer Caravaggios, der sein Verbrechen als große Kunst zelebriert. (Netflix)
Außerdem sehenswert: Das deutsche Fernsehkrimiwesen leidet gemeinhin an der Verherrlichung des Ermittlers. Kommissare und Polizisten erscheinen oft wie uniformierte Halbgötter, welche die Welt vom Bösen erlösen. Von dieser quasireligiösen Dramaturgie hebt sich der Mehrteiler „Die Toten von Marnow“ (ARD-Mediathek) wohltuend ab. Die ziemlich unperfekten Kriminalhauptkommissare Lona Mendt und Frank Elling verfolgen einen Serienmörder, doch kaum etwas funktioniert oder bringt Licht in die Sache. Das Zeugenschutzprogramm gerät zum Massaker, die Vorgesetzten in Schwerin sind vielleicht korrupt oder noch schlimmer: Teil des Problems. Starke Spieler, kluges Skript. Die Miniserie „Expats“ (Prime Video) ist ein stilles Klassendrama. Im Jahr 2014 residieren reiche Ausländer in der chinesischen Sonderveraltungszone Hongkong, langweilen sich, schlürfen Cocktails, betrügen sich, verdienen auch viel Geld, sehnen sich nach Sinn. Umgeben wird diese Elite von Dienstmädchen, Hund Chauffeuren, die mal devot, selten aufmüpfig auf den Straßen der funkelnden Megametropole erst ums tägliche Überleben kämpfen, schließlich auch gegen den wachsenden Einfluss der chinesischen Behörden. In der Hauptrolle eine formidable Nicole Kidman, eine wohlhabende Amerikanerin, Mutter und Ehefrau, die eines Tages in den Großstadtfluchten ihr Kind verliert und damit auch jeglichen Halt.
Territory
Die australische Antwort auf den Serien-Hit „Yellowstone“ heißt „Territory“ – und ist von allem ein bisschen mehr. Ein bisschen abgründiger, ein bisschen härter, ein bisschen schmutziger. Das Erfolgsrezept ist jedoch das gleiche: Man nehme eine Familiendynastie Rinderzüchter, Besitzansprüche der Ureinwohner am bewirtschafteten Land und dysfunktionale Verwandschaftsverhältnisse. Die sechs Folgen gehen rum wie im Flug – und lassen darauf hoffen, dass Netflix eine zweite Staffel plant. (Netflix)
Außerdem sehenswert: „Nobody Wants This“ (Netflix), „Insel der Milliardäre (Netflix) und die französische Serie „En Place“ (Netflix), die im Deutschen „Der Wahlkämpfer“ heißt – was ein bisschen in die Irre führt. Statt eines ernsthaften Polit-Thrillers wird dem Zuschauer politisch unkorrekter französischer Humor geboten – der die aktuellen Probleme Frankreichs zu transportieren weiß und dem Zuschauer trotz allem Witz schmerzvoll vor Augen führt. In Staffel 1 ist Sozialarbeiter Stéphane Blé mehr oder weniger zufällig Präsident geworden, in der zweiten Staffel muss er sich als solcher beweisen. Und sein politischer Gegner schläft nicht.