Nach den verlorenen Landtagswahlen

Die Ampel und die Quadratur des Kreises

Die Wahlergebnisse sind niederschmetternd für SPD, Grüne und FDP. Alle wollen ihr Profil schärfen – und es soll weniger Streit geben. Mal wieder. Momentan lautet die Parole: Durchhalten.

Die drei Ampel-Spitzen: Robert Habeck (Grüne), Olaf Scholz (SPD) und Christian Lindner (FDP).

© dpa/Michael Kappeler

Die drei Ampel-Spitzen: Robert Habeck (Grüne), Olaf Scholz (SPD) und Christian Lindner (FDP).

Von Tobias Peter

Der SPD erging es in den vergangenen Wochen so wie einen Schüler, der fürchtet, auf dem Pausenhof verprügelt zu werden. Fällt die Abreibung dann ein Minimum weniger schlimm aus als erwartet, folgt möglicherweise sogar Erleichterung. Selbst wenn das für jeden, der danebensteht, überhaupt nicht nachvollziehbar ist.

Die Sozialdemokraten haben bei der Landtagswahl in Thüringen ihr schlechtestes Ergebnis bei einer Landtagswahl überhaupt erzielt: 6,1 Prozent. Das Ergebnis von 7,3 Prozent in Sachsen ist kaum besser, auch wenn es sich auf der Höhe des Resultats von vor fünf Jahren befindet. Für eine Kanzlerpartei sind diese Ergebnisse niederschmetternd. Olaf Scholz nennt das Ergebnis „bitter“ für seine Partei, sagte aber auch, dass sich noch schlechtere Prognosen nicht bewahrheitet hätten.

Das Problem mit den „geopolitischen Themen“

SPD-Chef Saskia Esken hält sich am Pult im Willy-Brandt-Haus fest, als sie sagt, das Ergebnis entspreche überhaupt nicht den Ansprüchen ihrer Partei. Sie betont aber auch: Es habe sich gelohnt zu kämpfen. Das Aufatmen in der SPD-Zentrale, dass die Parteien in den beiden Ländern nicht unter die Fünf-Prozent-Hürde gerutscht sind, war schon am Sonntagabend spürbar. Jetzt steht Esken neben Petra Köpping und Georg Maier, den Spitzenkandidaten aus Sachsen und Thüringen, und räumt ein: „Für so versierte Landespolitiker war es auch nicht einfach, mit ihren Themen durchzudringen.“ Köpping nickt demonstrativ.

Gesundheit, Pflege, gute Schulen – das seien die Themen gewesen, die aus ihrer Sicht die Wahl hätten dominieren sollen, sagen Köpping und Maier fast gleichlautend. Es sei ein Wahlkampf gewesen, der „völlig überlagert gewesen ist von geopolitischen und bundespolitischen Themen“, sagt Maier. Er hatte im Wahlkampf beklagt, dass die Entscheidung für die Stationierung von US-Raketen in Deutschland kommunikativ nicht gut vorbereitet gewesen war. Auch die Themen Migration und Asyl spielten, insbesondere nach dem Messerattentat von Solingen, eine große Rolle. Das schlechte Ansehen der Ampel im Bund war ein riesiges Problem für die Landesparteien.

Welche Schlussfolgerungen zieht also die Parteichefin? Esken sagt, es müsse stärker erkennbar sein, dass die Ampel sozialdemokratisch geführt werde – und sie wünscht sich zugleich, dass die Koalition nach außen hin nicht so viel streiten dürfe. Es klingt nach der Quadratur des Kreises. „Olaf Scholz ist unser Bundeskanzler und er wird unser starker Kanzlerkandidat sein“, sagt sie noch. Dass es mit weniger Reibereien in der Ampel schwierig wird, zeigt sich bereits am selben Tag in der Pressekonferenz von Christian Lindner. Der FDP-Chef und Finanzminister bekennt sich zwar zur Ampel im Bund – und das nach Landtagswahlergebnissen, in denen die FDP von der Bildfläche verschwunden ist. Direkt neben ihm steht aber Thüringens FDP-Spitzenkandidat Thomas Kemmerich, der für einen Ausstieg aus dem Bündnis plädiert. „Die Ampel schadet in meinen Augen Deutschland und hat auch der FDP vor Ort und wahrscheinlich auch bundesweit geschadet“, sagte Kemmerich.

Lindners harte Worte zum Asylthema

Lindner hat in der Partei Prokura – zu groß ist die Angst, ohne ihn bei Wahlen komplett abzustürzen. Aber die Kritiker in der FDP-Bundestagsfraktion können sowohl die Verabschiedung des Haushalts als auch des mit dem Bundeskanzler vereinbarten Rentenpakets erheblich erschweren. Nach ruhigen Zeiten in der Ampel klingt es auch nicht, als Lindner über die Asylpolitik spricht: „Und insbesondere haben die Leute die Schnauze voll davon, dass dieser Staat möglicherweise die Kontrolle verloren hat bei Einwanderung und Asyl in Deutschland“, sagte er. Die Menschen wollten hier eine Lösung sehen.

Grünen-Chefin Ricarda Lang sagt jedenfalls, sie glaube nicht, dass dieses Thema die Menschen am meisten umgetrieben habe. „Wir stehen zu unserer Verantwortung, die wir haben“, fügt sie hinzu. „Wir haben Verantwortung für vier Jahre übernommen und sind auch weiterhin bereit, der gerecht zu werden.“ Ihr Co-Parteichef Omid Nouripour hat kürzlich von einer „Übergangskoalition“ gesprochen. Ricarda Lang klingt nach Durchhalten.

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Erstellt:
2. September 2024, 18:46 Uhr
Aktualisiert:
3. September 2024, 12:43 Uhr

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