Der „coolste“ Arbeitsplatz der Welt
Die Antarktis hat einen neuen Postmeister
In der Antarktis arbeiten nicht nur Forschende. Auch das südlichste Postamt der Welt muss betrieben und die lokale Pinguinpopulation überwacht werden. Diese Stellen zu besetzen, ist jedes Mal eine Herausforderung. Nun ist ein neuer Postmeister auf Zeit gefunden.
Von Barbara Barkhausen
Eine britische Organisation hat – so nennt es der „Guardian“ – den „coolsten“ Job der Erde besetzt. Die Beschreibung ist bewusst doppeldeutig, denn derzeit beträgt die Temperatur in der britischen Station Port Lockroy, die auf der Goudier-Insel vor der antarktischen Halbinsel liegt, gerade mal ein Grad plus.
Der UK Antarctic Heritage Trust schreibt die auf fünf Monate ausgelegte Position des antarktischen Postmeisters jährlich aus. Neben dem südlichsten Postamt der Welt befinden sich auch ein Museum und ein Andenkenladen auf der Insel. Auch hierfür wird jährlich Personal gesucht. Eine weitere Position existiert zur Überwachung der lokalen Pinguinpopulation. Das Team, das der Trust auswählt, unterhält von November bis März – die Sommermonate in der Antarktis – die Station und kümmert sich auch um anfallende Hausmeistertätigkeiten.
Seit Sommer 2006 ist dort das einzige Postamt der Antarktis
Port Lockroy war die erste permanente britische Basis. Sie wurde ursprünglich von 1944 bis 1962 genutzt. Seit 2006 ist dort das einzige Postamt der Antarktis – für Besucher des eisigen Kontinents ist es eine der großen Attraktionen. Kreuzfahrtschiffe planen dort gerne einen Stopp ein. In der Saison 2022/23 kamen fast 20 000 Besucher an Land.
Bei so vielen Gästen sollte der neue Postmeister – der 34-jährige George Clarke aus Bristol in Großbritannien – in der anstehenden Saison genug zu tun haben. Clarke bewarb sich Anfang des Jahres für die Stelle, nachdem er einen Artikel im „Guardian“ gelesen hatte, der ihn nun auch interviewte. „Ich dachte, es wäre etwas Neues, etwas Aufregendes“, sagte er. Er habe „nichts zu verlieren“ gehabt, deswegen habe er sich beworben. Clarke ergatterte die Stelle und hofft nun auf eine aufregende Zeit auf dem Kontinent aus Eis. „Ich freue mich darauf, aufzuwachen und meinen Morgenkaffee mit Blick auf die Antarktis zu trinken und hoffentlich auch einen Wal zu sehen“, sagte er.
Während sich die kleine Crew ihre Aufgaben auf der Station teilt, liegt Clarkes spezielle Verantwortung als Postmeister darin, die vielen Briefe und Postkarten zu bearbeiten, die die Besucherinnen und Besucher der Kreuzfahrtschiffe hinterlassen. Er werde die Post sortieren, die Briefmarken entwerten und sie dann über vorbeifahrende Kreuzfahrtschiffe weiterschicken, sagte er der britischen Zeitung. Andere Teammitglieder werden die Überwachung der Tierwelt übernehmen und Nester, Eier und Küken der lokalen Pinguine zählen, das Museum leiten und den kleinen Andenkenladen betreiben. Später in der Saison werden noch zwei Tischler zur Crew hinzustoßen, um einige der Holzkonstruktionen vor Ort zu reparieren.
Luxus darf das kleine Team in der Station nicht erwarten. Geschlafen wird in einem gemeinsamen Schlafsaal in einer der Hütten und jeder darf nur eine Schachtel mitbringen – gefüllt je nach Geschmack mit seinen Lieblingsspielen, Büchern, Fotos und Leckereien. „In den nächsten fünf Monaten werden unvorhersehbares Wetter, nahezu konstantes Tageslicht, Minustemperaturen und Pinguin-Nachbarn zur neuen Norm werden“, hieß es vonseiten der Organisation UK Antarctic Heritage Trust. Außerdem müsste sich das neue Antarktisteam an ein Leben ohne fließendes Wasser und Spültoilette gewöhnen.
Wissenschaftler fürchten um das fragile Ökosystem des Kontinents
Und obwohl sich das bereits sehr bescheiden anhört, so hat die Anwesenheit von Menschen trotzdem enorme Nachteile für das fragile Ökosystem der Antarktis, wie eine Studie der britischen Keele Universität aus dem Jahr 2022 zeigt. Für diese in der Fachzeitschrift „Nature Communications“ veröffentlichte Forschungsarbeit sammelten Wissenschaftler Proben an 28 Orten auf einer 2000 Kilometer langen Strecke von der Antarktischen Halbinsel bis ins Innere der Westantarktis. Bei ihren Analysen stellten die Forschenden fest, dass sämtliche Proben aus nahegelegenen menschlichen Siedlungen einen Rußgehalt aufwiesen. Dieser lag dabei weit über den normalen antarktischen Werten und war damit ein klares Zeichen menschlicher Emissionen.
Dies hat schlechte Auswirkungen auf die Antarktis, da erhöhte Rußwerte beispielsweise beeinflussen, wie Schnee Licht absorbiert, eine Eigenschaft, die als „Albedo“ bekannt ist. Schnee mit einer niedrigeren „Albedo“ schmilzt schneller. Insofern konnten die Forscher schlussfolgern, dass die Schneeschmelzrate wohl aufgrund menschlicher Aktivitäten gestiegen ist. „Die Ergebnisse sind ernüchternd“, schrieb Matthew Harris, einer der Klimawissenschaftler der britischen Universität, im Nachgang in einem Artikel im akademischen Magazin „The Conversation“.
Laut Harris ist der Oberflächenschnee an den betroffenen Orten jeden Sommer um bis zu 23 Millimeter geschmolzen. Umgerechnet auf den einzelnen Besucher habe jeder Urlauber und jede Urlauberin damit zwischen 2016 und 2020 effektiv etwa 83 Tonnen Schnee geschmolzen.
Eisiges Reiseziel
TourismusDie Antarktis ist in den vergangenen Jahren ein zunehmend beliebtes Ziel geworden: Über den antarktischen Sommer (November bis März) in der Saison 2022/23 waren fast 105 000 Menschen zu Gast, wobei die überwiegende Mehrheit per Schiff anreiste.
ForschungNeben den Touristinnen und Touristen bevölkern mehrere tausend Wissenschaftler die Antarktis. Insgesamt befinden sich mehr als 80 Forschungsstationen verschiedener Nationen auf dem Kontinent aus Eis. Circa 40 davon sind ganzjährig besetzt. Das Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung mit Sitz in Bremerhaven koordiniert die deutschen Forschungsaktivitäten. Es stellt unterhält auch die 2009 eingeweihte, ganzjährig betriebene Neumayer-III-Station sowie das Forschungsschiff Polarstern.