„Die Banken gehen arg ins Risiko“
Der Wunsch nach dem Häuschen im Grünen ist in Zeiten von Kontakt- und Ausgehbeschränkungen nicht geringer geworden. Ob und inwieweit sich die Coronakrise im Immobilienbereich bemerkbar macht, haben wir regionale Branchenvertreter gefragt.
Von Bernhard Romanowski
BACKNANG/MURRHARDT. „Wir bekommen deutlich mehr Verkaufsaufträge als noch vor 2019, während die Nachfrage recht konstant bleibt – zumindest momentan noch“, berichten Karolin und Robert Kappler, die mit ihrem Unternehmen Kappler Immobilien in Backnang ansässig sind und auch im Umkreis von rund 30 Kilometern rund um die Murr-Metropole tätig sind. Die Hoffnung vieler Verkäufer sei derzeit, jetzt noch zu Höchstpreisen zu verkaufen. Dies sei aber kaum mehr möglich, so Robert Kappler, der aus seiner Sicht konstatiert: „Die Angst am Markt ist da.“
Ein Grund dafür sei, dass die Rahmenbedingungen sich für alle Beteiligten verschlechtern, da insbesondere Banken restriktiver bei der Kreditvergabe seien. Im Zuge der Coronakrise seien viele Angestellte in Kurzarbeit. Manche Firmen werden sich von etlichen ihrer Mitarbeiter trennen, fürchtet Kappler. „Einige werden es sich einfach nicht mehr leisten können, eine Immobilie anzuschaffen. Und das Geld fließt derzeit verstärkt in die Aktienmärkte.“
Mittelfristig werden laut Kappler mehr und mehr Objekte auf den Markt kommen, zugleich werde die Nachfrage nicht mithalten können, die Preise werden – vielleicht bis auf die Objekte in Toplagen – nachgeben. Kappler: „Es kommt also Bewegung in den Markt. Für die Käufer ist das gut, sie haben mehr Auswahl. So wird es einfacher für sie, die passende Immobilie zu finden.“
„Die Befürchtungen eines massiven Preisrutsches sind völlig überzogen.“
Auch bei der Bonum Immobilienvertrieb und Projektentwicklung GmbH in Backnang weiß man einiges zu der Frage zu sagen, inwieweit die Pandemie den Immobilienbereich beeinflusst hat. „Grundsätzlich ist festzuhalten, dass es ja den Immobilienmarkt als solchen nicht gibt, da sich dieser in viele verschiedene Anlageklassen wie zum Beispiel Gewerbe, Industrie, Hotels, Handel, Sozialimmobilien und so fort unterteilt“, gibt Jens Fischer zu bedenken, der Geschäftsführer von Bonum. Im Gespräch mit unserer Zeitung bezieht sich Fischer demnach nur auf den Wohnimmobilienmarkt, also Immobilien, die zur Eigennutzung oder als Kapitalanlage erworben werden. „Unsere Beobachtung seit Ausbreitung der Pandemie ist, dass sich die Nachfrage aufgrund der großen Verunsicherung stark abgeschwächt hat – stärker bei Neubauprojekten als bei Bestandsimmobilien – und erst langsam wieder Fahrt aufnimmt“, so Fischer weiter.
Die deutsche Wirtschaft leide unter Corona, und wer sich Sorgen um seinen Arbeitsplatz macht, verschiebe den Kauf einer Wohnung oder eines Hauses erst einmal. Grundsätzlich sei jedoch festzuhalten, dass der Wohnimmobilienmarkt nach wir vor intakt ist. „Völlig überzogen sind unseres Erachtens die Befürchtungen eines massiven Preisrutsches. Der Wunsch nach den eigenen vier Wänden ist ja nicht einfach verschwunden, die Bauzinsen sind nach wie vor traumhaft günstig und solides angespartes Eigenkapital hat sich ja in den letzten Wochen nicht plötzlich in Luft aufgelöst“, ist sich Fischer sicher. Darüber hinaus sehe er keine Entspannung bei den Mieten. Der eine oder andere Bauträger werde freilich seine Preisgestaltung überdenken müssen und mancher Verkäufer einer Bestandsimmobilie seine Preisforderung. Problematisch könnte es aber tatsächlich nur dann werden, wenn eine wirklich lang anhaltende Rezession kommt und die für Deutschland als Exportnation so essenziell wichtigen Auslandsmärkte massiv in Schieflage geraten.
Ob sich das Verhalten der Käufer oder der Verkäufer oder der Banken als Kreditgeber coronabedingt verändert habe, wollten wir auch von Jens Fischer wissen. „Bis auf die derzeit noch abgeschwächte Nachfrage auf der Käuferseite, die sich aber mittel- bis langfristig wieder einpendeln wird, sehen wir keine wesentlichen Veränderungen“, antwortet der Bonum-Geschäftsführer. Bei Baufinanzierungen werde von den Banken zukünftig noch genauer auf die Kapitaldienstfähigkeit der Darlehensnehmer geachtet, so seine Prognose. Ein besonderes Augenmerk werde hier sicher auf die Branche, in der die Darlehensnehmer tätig sind, und deren Zukunftsfähigkeit gelegt werden. Bauträger und Bauunternehmungen haben Fischer zufolge auch mit höheren Bonitätsanforderungen als bisher zu rechnen.
„Nach wie vor gibt es, wie bei den Bestandsimmobilien auch, ein viel zu geringes Angebot.“
Mit sinkenden Preisen für Neubauten sei indessen vorerst nicht zu rechnen, da die Auftragslage bei der großen Mehrzahl der Wohnungsbaufirmen oder Bauunternehmen weiterhin gut bis zufriedenstellend sei. Potenzielle Bauherren müssten also nach wie vor mit hohen Baukosten rechnen. „Eine gewisse Entspannung an der Preisfront sehen wir auf Sicht der nächsten Monate trotzdem, da sich durch die Pandemie ein gewisser Bearbeitungsstau von Bauanträgen ergeben hat und der Bauwirtschaft Fachkräfte aus dem Ausland fehlen. Ob jemand zum Beispiel ein frei stehendes Einfamilienhaus in Backnang oder im näheren Umland baut – die Baukosten sind fast immer identisch“, erläutert Fischer. Der wesentliche Preisunterschied liege indessen bei den Bauplatzkosten. Für Grundstücke würden inzwischen Preise bezahlt, die deutlich höher seien als die von den Gutachterausschüssen der Städte und Kommunen festgelegten. Hier komme man in ländlichen Gebieten in aller Regel noch günstiger weg. Fischer: „Nach wie vor gibt es aber, wie bei den Bestandsimmobilien auch, ein viel zu geringes Angebot. Es hat sich also bislang nicht wirklich Wesentliches verändert.“
Das sieht Hans-Ulrich Feil ähnlich. Er betreibt mit seiner Frau Rita Feil als Geschäftsführerin die Firma Immo-Feil in Murrhardt mit einem Einzugsgebiet ähnlich dem Umfang des Altkreises Backnang. Er spricht davon, dass immer noch zu wenig Objekte am Markt seien. Denn die Nachfrage sei nach wie vor hoch. Daran werde sich auch nicht viel ändern, so der Fachmann. Zudem ist seine Beobachtung, dass die Banken „derzeit arg ins Risiko gehen“ bei der Kreditvergabe.