Englands etablierte Parteien zittern

Die Bedrohung namens Nigel Farage

Die Rechtspopulisten um das politische Enfant terrible Farage hoffen bei den Kommunalwahlen in England auf ihren Durchbruch. In den Umfragen liegen sie landesweit vorn.

Liegt mit Reform UK vorne: Nigel Farage auf Wahlkampf.

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Liegt mit Reform UK vorne: Nigel Farage auf Wahlkampf.

Von Peter Nonnenmacher

Sein „Krokodils-Lächeln“ und sein Taktieren sind gefürchtet – bei den Kommunalwahlen in vielen Teilen Englands an diesem Donnerstag will Nigel Farage zeigen, dass seine politischen Gegner bei der Labour Party und den Tories zurecht beunruhigt sind. Zumindest laut Umfragen könnte der Gründer der rechtspopulistischen Partei Reform UK (ehemals Brexit-Partei) ihnen schwere Verluste zufügen. Ein Viertel der britischen Wählerstimmen rechnete das Meinungsforschungs-Institut YouGov zuletzt Reform UK zu – die regierende Labour Partei kam dabei auf 23 Prozent, die Tories auf 20. Wegen des britischen Mehrheitswahlrechts würde dies den Rechtspopulisten 254 der 650 Unterhaussitze bescheren. Labour käme auf 183 Sitze, die Konservativen auf 75.

Die Kommunalwahlen am 1. Mai gelten als erster Test seit den Unterhauswahlen vergangenes Jahr. Schneidet Farage gut ab, sieht er sich in einer starken Position – spekuliert er doch langfristig auf den Premierminister-Posten. Dabei galt die Partei des früheren Ukip-Vorsitzenden lange als Protestbewegung am Rande der „Großen“, nicht aber als ernst zu nehmende Rivalin.

Farage aber beutet die Schwächen von Labour und Torie-Partei aus, präsentiert sich mit kernigen Parolen als Verfechter nationaler Stärke und Bollwerk gegen „Auswüchse“ der multikulturellen Gesellschaft. Steuern will er radikal reduzieren, den „viel zu teuren“ Kampf gegen Klimawandel bremsen, Gewerkschaften in ihre Schranken verweisen und Europa auf Distanz halten – während die Konservativen, die nicht über ihre historische Wahlniederlage im vergangenen Jahr hinwegzukommen scheinen, eher lavieren. 20 Prozent ihrer Wähler aus dem Vorjahr sollen seither zu „Reform“ abgewandert sein, rund 60 Kommunalwahl-Kandidaten von Farages Partei waren zuvor Tory-Gemeinderäte. Auch Sponsoren wechseln.

Kein Wunder, dass bei den Konservativen schon grimmig über ein künftiges Bündnis mit „Reform“ debattiert wird. Farage grinst darüber nur, hat an einem voreiligen Pakt kein Interesse – und inszeniert sich weiter als demonstrativer Außenseiter.

So will er sich auch die zuletzt wachsende Unzufriedenheit mit Labour zunutze machen. Seit sich Premierminister Keir Starmer im Juli mit 35 Prozent der Stimmen nahezu eine Zweidrittel-Mehrheit im Unterhaus sicherte, hat seine Politik vielerorts Unmut ausgelöst. Progressive Ex-Labour-Wähler beginnen, Liberaldemokraten oder Grüne zu unterstützen. Doch mehr als zehn Prozent der Labour-Wähler vom Vorjahr suchen ihr Heil inzwischen bei Reform. Ihnen versucht es Farage leichter zu machen, seiner Partei die Stimme zu geben. Im Wahlkampf schenkte er den alten Industriegebieten im Norden besondere Aufmerksamkeit. Ausgerechnet der Vertreter einer neoliberalen Thatcher-Ideologie und Privatisierungs-Befürworter spricht sich in der Stahlkrise plötzlich für eine Vergesellschaftung der Stahlindustrie aus, fordert im Bergarbeitergebiet in Durham eine „erneute Industrialisierung“ des Landes und zollt „vernünftigen“ Gewerkschaften Respekt. Das Gesundheitssystem habe er ohnehin „gar nie“ privatisieren wollen. Wie Farage die kriselnden öffentlichen Dienste am Laufen halten und zugleich Steuern massiv senken will, erklärt er nicht. Einen „politischen Schwindler“ nennt ihn Paul Nowak, der Generalsekretär des Gewerkschaftsbundes TUC.

Zuletzt erhielt Farage noch mehr Gegenwind: Tech-Milliardär Elon Musk überlegte es sich mit einer 100-Millionen-Dollar-Parteispende anders, nachdem Farage ihm zu widersprechen wagte. Und in der Partei mussten rechtsextreme Kandidaten ausgesiebt werden. Den wachsenden Zuspruch für die Reform-Partei hat das bislang nicht gemindert. Farage selbst zeigt sich überzeugt von seiner Doppelstrategie, sieht sich in der Lage, ein „kaputtes Britannien“ instand zu setzen – und richtet den Blick auf die nächsten Unterhauswahlen.

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Erstellt:
28. April 2025, 16:34 Uhr

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