Architekturpreis Einfamilienhäuser
Die besten einfachen Häuser Europas – auch von Stuttgarter Architekten
Dreißig der besten Einfamilienhäuser Europas überzeugen architektonisch und mit wenig technischem Aufwand – es sind Häuser aus der Region Stuttgart und drumherum dabei.

© Prestel-Verlag/Brigida González/Architekturbüro Klärle
Das Wohnhaus in einem Kleid aus Lärchenholz im Landkreis Schwäbisch-Hall wurde von einer Jury als eines der 30 besten Häuser 2025 in Europa gewählt.
Von Nicole Golombek
Das Einfachste ist oft das Schwierigste, heißt es. Insofern hatte die Jury für den Preis „Einfach gute Häuser“ eine denkbar anspruchsvolle Aufgabe. Sie hatte freilich weniger zu begutachten, wie die Architekturbüros und ihre Bauherrschaften es geschafft haben, trotz der nun gar nicht einfachen – 3900 Baunormen zumindest in Deutschland – überhaupt zum Bauen zu kommen, sondern wie einfach, smart und ohne überbordenden Technikeinsatz einfach sehr gute Architektur entstanden ist.
Wie ihre Auswahl für den Häuser-Award 2025 gezeigt hat, sind Architektinnen und Architekten in Baden-Württemberg offenbar hervorragende Planer genau solcher Häuser. Unter den 30 Siegerprojekten in ganz Europa sind drei Gebäude aus der Region Stuttgart, Schwäbisch Hall und Oberschwaben, die unterschiedlicher nicht sein könnten.
Der erste Preis indes ging nach Belgien an ein ästhetisch gewagtes Umbauprojekt von AE-Architekten, Jan Baes und Petra Decouttere. Alle Veränderungen auch an der Fassade des Hauses aus den 1960er Jahren sind deutlich sichtbar, neu eingefügte und gelb glänzende Ziegel im Mauerwerk etwa zeigen, wo einst ein Fenster saß.
Stuttgarter Architekt baut historischen Hof um
Im Inneren wurde der Grundriss deutlich verändert und neu organisiert für großzügige Räume, doch so viel wie möglich an Baumaterial sichtbar gelassen, auch die Rippendecke aus Beton. Die macht jetzt eine gute Figur zum gestalterischen Klassiker – Einbauten aus Eichenholz, der Behaglichkeit wegen.
Auf Umbauten von in die Jahre gekommenen Häusern ist auch der Stuttgarter Architekt Thilo Holzer spezialisiert. Er hat nun für eine fünfköpfige Familie im Landkreis Böblingen ein mehrfach umgebautes historisches Hofensemble von 1680 umgestaltet. Vieles an der Struktur war erhaltenswert, die 60 Zentimeter dicken Wände beispielsweise, im oberen Geschoss allerdings fanden sich schadstoffhaltige Materialien, ein großer Teil des Stockwerks musste entfernt und neu aufgebaut werden.
Die Zeitschichten im Haus sind erhalten und sichtbar gemacht, etwa mit unverputzten Bruchsteinwänden im ehemaligen Stall. Der ist aktuell ein Hobby- und Fitnessraum, zugleich ist dort die möglich veränderte Nutzung mitgedacht: ohne viel Aufwand lässt sich der Bereich in eine eigenständige Wohnung umbauen und das Gebäude in ein Zweifamilienhaus verwandeln.
Ein Haus aus Leichtbeton in Biberach
Dass das Einfache wirklich schwierig erreichbar sein kann und oft Mut zum Experiment erfordert, demonstriert aufs Beste die Architektin Inge Zalenga mit ihrem schon mehrfach ausgezeichneten Haus aus Infraleichtbeton, das auch in unserer Zeitung schon vorgestellt wurde.
Sie realisierte auf engstem Raum in der Altstadt von Biberach ein monolitsch eindruckvolles Bauwerk mit dem innovativen Material, dessen Leichtigkeit unter anderem durch Zumischung von leichten Gesteinskörnungen wie Blähglas zum Zement entsteht, im Gegensatz zu Sand und Kies im Normalbeton. In diesen Materialien ist viel Luft eingeschlossen, wodurch der Beton nicht nur leicht, sondern auch noch deutlich wärmedämmender wird und zusätzliches Dämmmaterial überflüssig macht. Wohnlich? Ist es auch sehr.
Einige der 30 Projekte, die in Bettina Hintzes lesenswertem und mit vielen Bildern und Informationen bestückten Buch zur Auszeichnung „Einfach gute Häuser“ vorgestellt werden, besinnen sich hingegen auf ganz alte Traditionen: die Urhütte, ein All- oder Einraum, mit dem die Wohnarchitektur ja überhaupt begonnen hat. Der zweite Preis etwa, das minimalistische Holzhaus von Bernardo Bader in Vorarlberg, ist davon inspiriert.
Und auch ein Ferienhaus in einem 400-Seelen-Dorf im Landkreis Schwäbisch-Hall von dem Architekten Rolf Klärle beeindruckt mit einem imposant großzügigen und luftigen Wohn-, Ess- und Küchenraum. Der Entwurf mit Satteldach orientiert sich an der ländlichen Bautradition. Dem schnörkellosen Einfamilienhaus mit einem Kleid aus unbehandeltem Lärchenholz ist ein eingeschossiges Nebengebäude vorgelagert: eine schöne Idee, denn so entsteht ein sichtgeschützter Innenhof als zusätzlich nutzbarer Außenbereich.
Von etwas jüngerer Bautradition als der Urhütte inspiriert ist ein Elf-Räume-Haus außerhalb von Berlin, entworfen von Laura und Philipp Luy für eine Familie: von der Gründerzeit nämlich. Damals kamen die Häuser ohne anspruchsvolle Lüftungstechnik und Schall- und Trittschutzverordnungen aus, während die Architektur heute eben mit den extrem vielen Anforderungen zum aktuellen Stand der Technik zu kämpfen hat, die ja auch heikle Haftungsfragen beinhalten.
Freilich ist es auch Sache der Bauherrschaften, ob sie darauf bestehen und noch mehr der politischen Entscheider, das Bauen einfacher zu machen, manch sinnlose Vorschrift schlicht abzuschaffen. „Kein Tag, an dem nicht Architektinnen und Architekten deswegen von der Politik fordern die Anforderungen an Gebäude von Schallschutz bis Brandschutz zu reduzieren“, schreibt Anne Zuber, Chefredakteurin „Häuser“ im Vorwort des Buches, „weil ihre Arbeit längst der Herausforderung gleicht, mit einem Gewichtgürtel zum Schwimmen anzutreten.“
Abgesehen von der einfacheren Bauweise ist unter anderem der Charme solcher Gründerzeitaltbauten, dass das Raumprogramm Zimmer mit ähnlichen Quadratmeterzahlen vorsieht, vom etwas größeren und repräsentativen Salon mit Erker vielleicht abgesehen. Davon ist das Berliner Haus inspiriert.
Vorbild ist diese Architektur aus dem vorvergangenen Jahrhundert heute auch wieder in Sachen „Einfach bauen“, was ja unter anderem beinhaltet, dass ein Haus, eine Wohnung durch praktische Raumaufteilungen möglichst leicht umzunutzen und familien- wie bürotauglich ist. Dann kann ein solches Bauwerk viele Jahrzehnte, ja Jahrhunderte, genutzt werden, was doch außerordentlich nachhaltig ist – eine lange Lebensdauer eines Gebäudes.
Weitere Fotos der ausgezeichneten Häuser auch aus Baden-Württemberg finden sich in der Bildergalerie.
Info
BuchBettina Hintze: Einfach gute Häuser. Die Sieger des HÄUSER-Awards. 259 Seiten, 65 Euro. 300 Farbfotos und 140 Pläne. Prestel Verlag.
PreisSeit 2004 zeichnet das Architektur- und Designmagazin HÄUSER Einfamilienhäuser aus. Die Auszeichnung wird in Kooperation mit dem Bund Deutscher Architektinnen und Architekten (BDA) und dem Verband Privater Bauherren (VPB) vergeben.

© Brigida González/Architekturbüro Klärle /Prestel Verlag
Vorne mit einem hölzernen Fassadenkleid, überrascht Rolf Klärles Entwurf mit Beton an der seitlichen Ansicht und . . .

© Brigida González/klaerle-architektur.de/Prestel Verlag
. . . auf der Hangseite sind die erdberührenden Hausteile auch aus Beton.

© Brigida González/Architekturbüro Klärle /Prestel Verlag
Ein großer Raum mit viel Holz: Wohnbereich des von Rolf Klärle entworfenen Hauses mit großem quadratischen Fenster, bodentiefer Terrassentür und Kamin.

© Zooey Braun/Holzer Architekten
Nach oben offen – das großzügige Raumprogramm findet sich auch im Umbau des historischen Wohnhauses in Grafenau durch den Stuttgarter Architekten Thilo Holzer.

© Laura Zalenga/architekten-am-weberberg.de
Unter den dreißig besten einfachen Häusern ist dieses mehrfach preisgekrönte und schon in unserer Zeitung vorgestellte Projekt – ein sich in die Altstadt von Biberach einfügendes Einfamilienhaus aus Leichtbeton, entworfen von der Architektin Inge Zalenga.

© Laura Zalenga/architekten-am-weberberg.de
Rückwärtige Ansicht des Hauses in Biberach.

© architekten-am-weberberg.de/Laura Zalenga
Im oberen Geschoss des Hauses von Inge Zalenga findet sich ein Netz zum Liegen und Entspannen – von dort aus lässt es sich auch hinunter in den Wohnbereich schauen.

© AF-architecten/Tim Van de Velde/Prestel Verlag
Das Gewinnerprojekt in Gentbrugge ist ein Umbau eines Einfamilienhauses aus den 1960ern. Was umgebaut wurde, soll sichtbar gemacht werden – die gelben Ziegel zeigen die Veränderungen, die am Haus vorgenommen wurden und sind zugleich eigenwilliges Gestaltungselement.

© AF-architecten/Tim Van de Velde/Prestel Verlag
Im Inneren des Hauses in Gentbrugge wurden Räume vergrößert und großzügige Wohn- und Küchenbereiche geschaffen.

© Gustav Willeit/Prestel Verlag
Den zweiten Preis gab es für das kleine spitzgiebelige Ferienhaus „Gapfohl“ mit 83 Quadratmetern Wohnfläche in Laterns im Vorarlberg in Österreich, gestaltet von Bernardo Bader Architekten.

© Gustav Willeit/Bernardo Bader Architekten/Prestel Verlag
Blick ins Innere des Holzbaus in Laterns. Bodentiefe und breite Fensterfronten sorgen für viel Licht. Die Küchenzeile besteht aus Fichte-Dreischichtplatten. Geheizt wird mit Wärmepumpe mit Erdsonde.

© Prestel Verlag/Sven Hasselbach Fotografie
Ein weiterer zweiter Preis ging nach Wiesbaden. Auf einem schmalen Restgrundstück entstand dieses Einfamilienhaus, entworfen von Johannes Busch Architekten.

© Prestel Verlag/Hertha Hurnaus
Das Haus Linalotte von Caramel architektInnen mit Strukteur in Linz wurde von der Jury auf den dritten Platz gewählt.

© Prestel Verlag/Juliane Seidl
Wohnbereich im Haus Linalotte mit einem Dielenboden aus Lärchenholz.

© Adria Goula Photo/Prestel Verlag
Ein Interior-Preis ging nach Barcelona an das Büro Harqitectes. Im Wohnraum dominiert und beeindruckt das Baumaterial Stampfbeton auch gestalterisch.

© Sebastian Schels/Prestel Verlag
Aufgeständert, um die Eingriffe in das Gelände zu minimieren – ein 108 Quadratmeter großes Wohnhaus am Hang in Erlenbach bei Dahn in der südlichen Pfalz, entworfen von Philipp Tobias Dury und Stephanie Hambsch.

© Prestel Verlag
Die hier gezeigten Projekte von Deutschland über Finnland und Schweden bis Spanien und Frankreich werden in Text und Bildern vorgestellt in dem lesenswerten Buch „Einfach gute Häuser“, das begleitend zum Wettbewerb „Häuser Award“ des Architektur- und Designmagazins „HÄUSER“ erscheint.