Die Deponie Steinbach ist immer noch umstritten

Bei einem Bürgerdialog konnten sich Bürgerinnen und Bürger am Samstag vor Ort über den bis 2055 geplanten Weiterbetrieb der Steinbacher Deponie informieren und ihre Wünsche, Sorgen und Bedenken äußern. Dabei wurde klar: Das Thema erregt nach wie vor die Gemüter.

Die rund 50 Hektar große Deponie liegt zwischen Backnang-Steinbach und Oppenweiler. Fotos: Tobias Sellmaier

© Tobias Sellmaier

Die rund 50 Hektar große Deponie liegt zwischen Backnang-Steinbach und Oppenweiler. Fotos: Tobias Sellmaier

Von Melanie Maier

Backnang. Zum Ende der Veranstaltung kochen die Emotionen doch noch hoch. „Das ist eine reine Werbeveranstaltung! Sie treten die Demokratie mit Füßen!“, ruft Gerhard Skrobek Landrat Richard Sigel zu, als er den offiziellen Teil des Bürgerdialogs am vergangenen Samstag beenden möchte. Es sei den Bürgern im Steinbacher Ortschaftsrat versprochen worden, dass es bei der Informationsveranstaltung auch eine öffentliche Diskussion geben werde, fügt Skrobek hinzu: „So wurd’s angekündigt und jetzt ist keiner zu Wort gekommen, der sich gemeldet hat.“ Das sehen die Organisatoren selbstredend anders. Sigel weist darauf hin, dass die Bürgerinnen und Bürger nach der Begrüßung um kurz nach 15 Uhr mehr als eine Stunde Zeit hatten, um sich an vier Themeninseln zu informieren sowie eigene Wünsche, Sorgen und Bedenken zu äußern.

Die beteiligten Kommunen müssendas Projekt erst noch genehmigen

Die Abfallwirtschaft Rems-Murr (AWRM) hatte zusammen mit dem Landkreis, der Stadt Backnang und der Gemeinde Oppenweiler zu dem Austausch eingeladen. Im Mittelpunkt der Vor-Ort-Veranstaltung standen die geplante Laufzeitverlängerung der Steinbacher Deponie von 2032 auf 2055 sowie die Modernisierung des Entsorgungszentrums auf dem Deponiegelände und die Nutzung weiterer (bereits genehmigter) Flächen (wir berichteten). Das Angebot ist gefragt: Das Festzelt, das eigens auf einem Plateau aufgebaut wurde, ist gut gefüllt, rund 60 Interessierte sind erschienen.

Noch ist in der Sache nichts entschieden. Mit dem Beschluss des Abfallwirtschaftskonzepts 2021 hat der Kreistag zwar schon die Weichen für den zukunftsfähigen und nachhaltigen Ausbau der Deponie gestellt, auch wenn er dafür mehrere Millionen Euro investieren muss. Bevor das geschehen kann, muss das Vorhaben jedoch noch von den beteiligten Gremien – dem Steinbacher Ortschaftsrat sowie den Gemeinderäten von Backnang und Oppenweiler – geprüft und genehmigt werden. Erst danach können die bestehenden Verträge angepasst werden. Eine Deadline gibt es dafür nicht. Fest steht nur: Bei dem emotionalen Thema sollen die Bürgerinnen und Bürger von Anfang an mitgenommen werden. In der Vergangenheit war dem nicht so, der Fehler soll nicht wiederholt werden.

Auch Landrat Richard Sigel (am Mikrofon) steht am Samstag für Fragen zur Verfügung.

© Tobias Sellmaier

Auch Landrat Richard Sigel (am Mikrofon) steht am Samstag für Fragen zur Verfügung.

Dass es die Gemüter nach wie vor erregt, ist kein Geheimnis. „Nach dem Zweiten Weltkrieg gab es um Steinbach zahlreiche Deponien. 1997 haben wir einen Vertrag unterzeichnet, dass 2032 definitiv Schluss sein wird. Deshalb ist die Bevölkerung, was die Verlängerung betrifft, gespalten“, fasst Ortsvorsteher Andreas Rupp zusammen. Da auf der Deponie im Gegensatz zu früher kein Hausmüll mehr abgeladen wird – das ist seit 2005 deutschlandweit verboten – gebe es zwar keine Geruchsbelästigung mehr. „Das war früher schon extrem“, weiß Rupp. Doch auch das erhöhte Verkehrsaufkommen sei eine starke Belastung. Neuen Messungen zufolge fahren täglich fast 10.000 Fahrzeuge durch den Backnanger Ortsteil. „In den 90ern“, sagt Rupp, „haben sogar Demonstrationen gegen die Deponie stattgefunden.“ Die Jüngeren interessiere es dagegen kaum, ob noch weitere 32 Jahre Erdaushub in Steinbach abgelagert werde. „Die kennen das ja nicht anders“, sagt der Ortsvorsteher. Er selbst ist der Ansicht, die Verlängerung sei in Anbetracht dessen, dass es sich lediglich um eine Erddeponie und eine Entsorgungsstation handele, das Einzige, was Sinn ergebe.

Einen alternativen Standort zu suchen, würde womöglich zehn Jahre dauern

Der Meinung ist auch Backnangs Erster Bürgermeister Stefan Setzer. „Wir haben hier bereits eine genehmigte Situation und eine bestehende Infrastruktur“, sagt er. „Und es ist unstrittig, dass der Neubau des Entsorgungszentrums eine absolute Verbesserung der Servicequalität bedeutet, auch mit verlängerten Öffnungszeiten.“ Ein paar Aspekte gebe es zwar noch zu klären, wie zum Beispiel die absolute Länge der Laufzeit der Erddeponie. „Aber“, sagt er, „die Alternative wäre, dass der Kreis einen neuen Standort sucht (Anm. d. Red.: die Steinbacher Deponie ist derzeit die einzige im Kreis). Und das wäre schwierig.“ Nach Angaben von Oppenweilers Bürgermeister Bernhard Bühler hat ein derartiges Projekt eine Planungszeit von zehn Jahren. „Und ich will gar nicht wissen, welche Kosten entstehen würden“, ergänzt er. Auch Bühler würde die Laufzeitverlängerung deshalb begrüßen, wenngleich Oppenweiler ebenfalls unter dem erhöhten Verkehrsaufkommen leidet. „Die leeren Containerzüge“, sagt er, „machen richtig viel Krach, wenn die über die Zeller Kreuzung scheppern.“ Dort gebe es immer wieder Geschwindigkeits- und Rotlichtverstöße, auch die Verkehrssicherheit sei im Gespräch. Bühler möchte sich deshalb für eine Geschwindigkeits- und Rotlichtüberwachung einsetzen sowie, bei Bedarf, für Lärmschutzmaßnahmen.

Eine Entschädigung soll es für die beiden Anrainerkommunen auch geben: „Für jeden Kubikmeter Material, der angeliefert wird, bekommen sie eine Entschädigung ausgezahlt“, kündigt Stefan Setzer an. Welche Höhe diese haben und wie sie aufgeteilt werden wird, stehe aber noch nicht fest.

„Steinbach hat seinen Dienst mehr als erfüllt“

Doch was sagen die Bürgerinnen und Bürger zu den Plänen der AWRM? An den vier Themeninseln wird vor allem über die geplante Abholzung der zirka acht Hektar bewaldeten Flächen, die künftig genutzt werden sollen, die Fotovoltaikanlagen, mit denen die stillgelegte Deponie einmal bestückt werden soll, den Umweltschutz und das Verkehrsaufkommen gesprochen.

Dieter Epple findet die geplante Laufzeitverlängerung der Deponie in Ordnung. Der 86-Jährige wohnt ungefähr einen Kilometer Luftlinie entfernt in Steinbach. „Man riecht ja nichts mehr, das ist ein großer Unterschied zu früher“, sagt er. Auch Ulrich Burgel (74), ebenfalls Steinbacher, hat „nichts Grundsätzliches einzuwenden“. Nichtsdestotrotz sagt er, wäre es an der Zeit, andere Standorte zumindest einmal in Erwägung zu ziehen. „Steinbach hat seinen Dienst mehr als erfüllt.“

Ursula von Hennigs (71) ist in Steinbach aufgewachsen, wohnt inzwischen aber nicht mehr dort. Deshalb möchte sie sich kein Urteil anmaßen, sagt sie. Schön fände sie es aber, wenn das Plateau, auf dem an diesem Nachmittag der Bürgerdialog stattfindet, der Öffentlichkeit künftig hin und wieder zugänglich gemacht würde. „Diese Aussicht ist einmalig“, schwärmt sie, „das könnte doch Backnangs Monte Scherbelino werden.“ Ob sich das umsetzen lässt, ist jedoch fraglich, denn die Ebene ist eine der Flächen, die für eine spätere Bestückung mit Fotovoltaikanlagen infrage kommt – einer der Gründe, an denen sich Gerhard Skrobek (54) an dem Projekt stört: „Die Anlagen sieht man dann bis Stuttgart rüber.“

Backnanger Wertstoffhof

Modernisierung Auch der Wertstoffhof in der Theodor-Körner-Straße in Backnang soll modernisiert und weiter ertüchtigt werden.

Öffnungszeiten Gebührenfreie Wertstoffe sollen anschließend dienstags bis freitags von 14 bis 19 Uhr sowie samstags von 9 bis 14 Uhr in Backnang angenommen werden. Bisher ist der Recyclinghof dienstags und samstags von 9 bis 12 Uhr sowie am Freitag von 14 bis 17 Uhr geöffnet.

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Erstellt:
30. Mai 2023, 06:00 Uhr

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