Die Erfolgsstory außerhalb des Platzes

Karrieren abseits des Sports (16): Als Hobbyfußballer hetzt Andrej Sorin beim Kreisligisten FC Viktoria über den Rasen, als Autor schreibt er unter anderem Drehbücher für die Kultserie Großstadtrevier. Sport als Ausgleich für die geistige Arbeit am Schreibtisch.

Den größten Teil seiner Arbeitszeit verbringt Andrej Sorin (links) am Schreibtisch. Immer mal wieder ist der Drehbuchautor aber auch am Filmset präsent. Hier verfolgt er beim Dreh seines Kurzfilms Un état d’urgence in Paris die Arbeit des Kameramanns David Dincer. Foto: privat

Den größten Teil seiner Arbeitszeit verbringt Andrej Sorin (links) am Schreibtisch. Immer mal wieder ist der Drehbuchautor aber auch am Filmset präsent. Hier verfolgt er beim Dreh seines Kurzfilms Un état d’urgence in Paris die Arbeit des Kameramanns David Dincer. Foto: privat

Von Uwe Flegel

Dürfte Andrej Sorin das Drehbuch schreiben, dann würde der FC Viktoria Backnang sicher wenigstens ab und zu mal siegen. Beim Schlusslicht der Kreisliga A 2 spielt er aber nicht als Autor für Erfolgsgeschichten, sondern hat die Rolle des Abwehrkämpfers inne. Für den Mann, der unter anderem Storys für die Fernsehserie Großstadtrevier entwickelt, ist der Fußball der Ausgleich zur geistigen Anforderung bei seiner Arbeit am Schreibtisch.

Wer mit dem 31-Jährigen spricht, der spürt sofort, dass Andrej Sorin gerade sehr glücklich ist. „Ich lebe meine drei größten Leidenschaften aus“, bestätigt er und spricht zum einen von seiner Frau Irina, der zweijährigen Tochter Nina und dem sieben Monate alten Söhnchen Lew. Zum anderen ist da das Hobby Fußball, bei dem er hofft, nach der Corona- sowie langen Verletzungspause wegen eines Kreuzbandrisses möglichst rasch wieder angreifen zu dürfen. Und dann gibt es noch den Beruf als Diplom-Drehbuchautor. Die Tätigkeit, mit der er seine Brötchen verdient. Wie im Sport braucht es dafür allerdings nicht nur Talent. Nötig sind auch großes Durchhaltevermögen und harte Arbeit. „Der Anfang war nicht einfach. Da war viel Klinkenputzen, super viel Scheitern, ständiges Anbieten und Hochdienen“, erzählt der im kasachischen Jereimentau geborene Sorin.

Mittlerweile läuft es und „ich kann die Projekte machen, auf die ich Lust habe“, berichtet der in Hamburg aufgewachsene Wahl-Schwabe und weiß: „Es ist Luxus, sich seine Partner aussuchen zu können.“ Er kann das immer öfter. Auch dank seiner Agentin. Vor allen Dingen aber, weil er sich in der Szene einen Namen gemacht hat. So schrieb er unter anderem bereits mehrere Folgen für die ARD-Erfolgsserie Großstadtrevier, war an einer Episode der ZDF-Serie Heldt beteiligt, bekam 2019 auf der Berlinale für sein Drehbuch Blaulicht Brudis den „Creative Vision Nachwuchs-Förderpreis“ und war im gleichen Jahr mit demselben Werk für den wichtigsten Nachwuchspreis hierzulande, den First Steps Award der Deutschen Filmakademie, nominiert. Der 31-Jährige hat gut zu tun. Momentan arbeitet er an zwei Kinofilmen. Die Dreharbeiten für eines der beiden Stücke, eine Krimikomödie, sollen in nicht allzu ferner Zukunft beginnen. Wann genau, das entscheidet auch Corona. Überhaupt „muss man abwarten, wie die Filmbranche aus dieser Zeit rauskommt“, sagt Sorin.

An den Wochenenden ist Sorin dann für den FC Viktoria in der Kreisliga A am Ball. Foto: A. Becher

© Alexander Becher

An den Wochenenden ist Sorin dann für den FC Viktoria in der Kreisliga A am Ball. Foto: A. Becher

Ein Satz, der in leicht abgeänderter Art und Weise für sein Hobby Fußball ebenfalls gilt. „Ich fiebere dem Ende der Pause förmlich entgegen“, erklärt der in Großaspach wohnende Autor. Die Kickerei sei einfach ein perfekter Ausgleich zu seiner Arbeit, „bei der ich 90 Prozent meiner Zeit am Schreibtisch verbringe“. Aufenthalte am Filmset seien zwar nicht ungewöhnlich, aber doch eher die Ausnahme, weil „manchmal direkt vor Ort kurzfristig noch was umgeschrieben werden muss“. Für ihn ist „die Dynamik in der Filmherstellung ähnlich wie die auf dem Sportplatz“. Situationsbedingt muss mal schnell oder auch mal ruhig und überlegt gehandelt werden. Überhaupt sei sehr viel, was beim Mannschaftssport gebraucht werde, auch in seinem Beruf vonnöten. „Als Drehbuchautor musst du Teamplayer sein. Entwickeln Autor, Produzenten, Regisseur und Filmverleih etwas gemeinsam, dann arbeiten fünf, sechs Leute zusammen, von denen jeder einzeln abgeholt werden muss.“ Nicht schlecht, wenn da jemand von klein auf im Fußball gelernt hat, für den Gesamterfolg einerseits selbst alles zu geben und sich andererseits gleichzeitig trotzdem in einer Gruppe zurücknehmen zu können. Er könne das. Ohnehin sei er keiner, der ständig nach vorne dränge, sagt der Autor, der sich im Sport nicht in der Rolle des Regisseurs sieht: „Ich bleibe lieber im Hintergrund. Im Fußball spiele ich deshalb gerne in der Verteidigung.“

Was er ebenfalls schon immer sehr gerne gemacht hat, das ist schreiben. Von klein auf. „Nach dem Abi bin ich gleich in die Werbung gegangen und habe dort als Texter gearbeitet“, erzählt Sorin und bekennt: „Autor zu werden, das war stets mein Traum.“ Um sich den zu erfüllen, zog er vor acht Jahren fürs Drehbuchstudium an der Ludwigsburger Filmakademie vom hohen Norden ins Schwabenland. Eher Zufall sowie „eine Frage des Wohnungsmarkts“ war es, dass es ihn vor zwei Jahren ins Murrtal verschlug und er sich dem FC Viktoria Backnang anschloss. „Weil ich weiterhin Fußball spielen wollte, habe ich mir hier einen Verein gesucht. Beim Googeln bin ich dann auf die Viktoria gestoßen“ – und geblieben. Dabei sei die erste Trainingseinheit unter Norbert Hermann eine echte Qual gewesen, „bei der ich meinen inneren Schweinehund überwinden musste“. So wie er es jetzt nach seinem Kreuzbandriss auch tun muss. Schließlich gilt es, richtig fit zu werden, um das nächste Kapitel seiner persönlichen FCV-Story zu schreiben.

In dieser Serie stellen wir Athleten in ihrem Berufsalltag vor. Dabei geht es um bekannte Sportler und um solche, die ungewöhnliche Jobs haben oder bei der Arbeit besonders erfolgreich sind. Weitere Kandidaten können sich unter sportredaktion@bkz.de melden.

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Erstellt:
10. April 2021, 06:00 Uhr

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