Online-Plattform
Die EU nimmt Shein und Temu ins Visier
Viele Verbraucher lassen sich von den scheinbar supergünstigen Preisen von Shopping-Portalen locken. Doch die Plattformen sind umstritten, weshalb Brüssel den Handel nun stärker regeln will.
![Die EU nimmt Shein und Temu ins Visier Handelsportale wie Shein und Temu fluten Europa mit ihrer Billigware. Das ist nicht nur dem Verbraucherschutz ein Dorn im Auge. Die EU will den Handel deshalb in Zukunft besser regeln.](/bilder/handelsportale-wie-shein-und-temu-fluten-europa-mit-ihrer-868216.jpg)
© dpa/Oliver Berg
Handelsportale wie Shein und Temu fluten Europa mit ihrer Billigware. Das ist nicht nur dem Verbraucherschutz ein Dorn im Auge. Die EU will den Handel deshalb in Zukunft besser regeln.
Von Knut Krohn
Preiswert und schnell im Internet einzukaufen liegt im Trend. Billigplattformen wie Temu und Shein sind vor allem bei jungen Kunden beliebt. Verbraucherschützer warnen allerdings immer wieder vor den verlockenden Angeboten. Auch deshalb will die EU-Kommission entschiedener gegen den massenhaften Import von Billigprodukten vorgehen. Nach Ansicht der Brüsseler Behörde bringen insbesondere die Shoppingportale Shein und Temu große Mengen günstiger Waren in die EU, die nicht den geltenden Sicherheitsstandards entsprechen.
Verdacht unlauterer Geschäftspraktiken bei Shein
Die Kommission hat daher am Mittwoch eine Untersuchung gegen Shein eingeleitet, um mögliche Verstöße gegen den europäischen Verbraucherschutz zu prüfen. Dabei geht es unter anderem um mutmaßlich missbräuchliche Vertragsbedingungen und unlautere Geschäftspraktiken. Auf den Online-Händler Temu hat die Brüsseler Behörde bereits im Oktober 2024 ein Auge geworfen. Nach Ansicht der EU-Kommission vertreibt die in China gegründete Plattform gefälschte oder sogar gefährliche Produkte. Ein Sprecher von Shein erklärte, der Konzern wolle mit der EU-Kommission zusammenarbeiten und sicherstellen, dass „europäische Verbraucher beruhigt online einkaufen können“.
Große Online-Plattformen werden von dem EU-Gesetz über digitale Dienste (DSA) verpflichtet, gegen illegale Angebote im Netz vorzugehen. Nach Schätzungen der EU-Kommission sind 2024 vier Milliarden Pakete über solche Anbieter in die Union gelangt. Temu arbeitet wie ein Marktplatz, auf dem zahlreiche Unternehmen ihre Waren verkaufen. Der in China gegründete und heute in Singapur ansässige Modekonzern Shein hingegen ist sowohl Hersteller, Händler als auch Marktplatz. Als Direktanbieter kann er schnell auf Modetrends reagieren. Da Shein seine Produkte weltweit versendet und es keine Geschäfte und kaum Lagerbestände gibt, kann das Unternehmen seine Preise extrem niedrig halten. Das Portal hat sich insbesondere als Anbieter von „Fast Fashion“ einen Namen gemacht – also als Verkäufer von Kleidungsstücken, die vor allem in China billig produziert und von Verbrauchern meist nach kurzer Zeit durch neue ersetzt werden.
Shein ist ein Anbieter von „Fast Fashion“
„Durch Online-Plattformen wie Shein oder Temu landet ein immer schneller wachsender Tsunami an Produkten aus Drittstaaten direkt an unseren Türschwellen“, kritisiert die Europaabgeordnete Anna Cavazzini (Grüne). Die Zoll- und Marktüberwachungsbehörden seinen damit völlig überfordert, sagt die Vorsitzende des Ausschusses für Binnenmarkt und Verbraucherschutz im Europaparlament. „So fallen Tests auf Giftfreiheit oder Überprüfungen der gesetzlichen Standards aus.“ Aus diesem Grund seien viele online erstandene Produkte nicht sicher. Die EU-Kommission geht aber noch weiter und plant, generell den E-Commerce strenger zu regeln und auch schärfere Kontrollen durchzuführen. Dazu soll etwa das Zollrecht reformiert werden. Laut der Brüsseler Behörde wurden 2024 4,6 Milliarden Päckchen mit einem Wert von jeweils unter 150 Euro in die EU importiert, davon stammten 91 Prozent aus China. Bisher besteht für diese Päckchen eine Zollbefreiung, die nun aber abgeschafft werden soll. Die Kommission schlägt eine Bearbeitungsgebühr für direkt an Verbraucher gelieferte E-Commerce-Waren vor, um die steigenden Kosten für Zoll- und Marktüberwachung auszugleichen.
Der gesamte E-Commerce wird strenger geregelt
Die Bundesregierung unterstützt die Maßnahmen der EU. Ein jüngst angekündigter Aktionsplan sieht etwa eine engere Zusammenarbeit und mehr Befugnisse der nationalen und europäischen Marktüberwachungsbehörden und des Zolls vor. Außerdem befürworte man die Aufhebung der 150-Euro-Zollfreigrenze, hieß es. Bundesverbraucherschutzministerin Steffi Lemke erklärte am Mittwoch: „Der Einkauf im Internet muss sicherer und nachhaltiger werden.“
Positive Reaktionen aus Politik und Handel
Die FDP-Europaabgeordnete Svenja Hahn sieht auch die EU-Staaten in der Pflicht und fordert Reformen. „In Deutschland ist die Marktaufsicht je nach Produkt auf verschiedenen Ebenen angesiedelt, bis hinunter zu den Kommunen, die sich mit Plattform-Riesen auseinandersetzen sollen“, kritisiert die Wirtschaftspolitikerin. Das müsse sich ändern, wichtig sei eine effiziente und schlagkräftige Marktaufsicht.
Der Handelsverband Deutschland (HDE) begrüßt die Pläne der EU und sieht darin einen wichtigen Schritt hin zu faireren Wettbewerbsbedingungen. „Anbieter wie Temu und Shein dürfen nicht länger ungeschoren mit Regelbrüchen davonkommen“, sagte der stellvertretende HDE-Hauptgeschäftsführer Stephan Tromp. Aus Sicht des Verbraucherzentrale Bundesverbandes reichen die Maßnahmen nicht aus. „Bisher werden Anbieter nicht daran gehindert, unsichere Produkte über Online-Marktplätze zu verkaufen“, glaubt Referentin Stefanie Grunert. Die Verbraucherschützer fordern: Betreiber von Online-Marktplätzen müssen haften, wenn Angebote auf ihren Plattformen nicht den EU-Anforderungen entsprechen.