Automobilindustrie
Die EU sucht nach Wegen aus der Auto-Krise
Die Brüsseler Kommission setzt sich mit Autobauern, Zulieferern und Gewerkschaften an einen Tisch. Die Ziele sind klar, doch nicht über alle Maßnahmen herrscht Einigkeit.
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© dpa/Jan Woitas
Die Automobilindustrie steckt in einer tiefen Krise. Nun sollen bei einem Dialog in Brüssel zwischen EU, Herstellern, Zulieferern und Gewerkschaften Wege aus der Misere gefunden werden.
Von Knut Krohn
Für die Arbeiter bei Audi in Brüssel kommt der Strategische Dialog der EU zur Zukunft der Autoindustrie zu spät. Die 3000 Beschäftigten stehen am 28. Februar endgültig auf der Straße, das Werk wird abgewickelt und ist nun Sinnbild für das Scheitern beim Übergang zur E-Mobilität. Der dort gebaute luxuriöse SUV Q8 e-tron fand am Ende zu wenige Käufer, die enttäuschten Arbeiter machen auf ihrer Suche nach Schuldigen dafür auch die Auflagen der EU verantwortlich.
Autobau ist ein Eckpfeiler der EU-Wirtschaft
Natürlich haben auch die Verantwortlichen in der Europäischen Union die Probleme erkannt. Durch den Strategischen Dialog, der an diesem Donnerstag offiziell beginnt, will Ursula von der Leyen einige der großen Hürden aus dem Weg räumen, die der krisengeplagten Autoindustrie zu schaffen machen. Seit Monaten erklärt die EU-Kommissionschefin, wie wichtig der Fahrzeugbau ist. „Die Automobilindustrie, ein Eckpfeiler der europäischen Wirtschaft, beschäftigt mehr als 13 Millionen Menschen und trägt etwa 7 Prozent zum BIP der EU bei“, heißt es aus der Brüsseler Verwaltung.
Betont werden auch die großen Herausforderungen, vor der die Autobauer stehen. So stockt das Hochlaufen der Elektromobilität, die Digitalisierung des Fahrzeugbereichs entwickelt sich in einer atemberaubenden Geschwindigkeit, aus China drängen bei den E-Autos neue Konkurrenten auf den Markt und aus den USA droht nach dem Amtsantritt von US-Präsident Donald Trump sogar ein Handelskrieg.
Viele Forderungen an die EU-Kommission
Bei der Frage, an welchen Stellschrauben konkret gedreht werden soll, hält sich die Kommission allerdings bedeckt. Sehr allgemein ist von der Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit, der Vereinfachung von Vorschriften oder der Optimierung von Verfahren die Rede. Das öffnet natürlich den Raum für Forderungen, die von Autobauern, Zulieferern und Gewerkschaften an Brüssel herangetragen werden.
So trommelt der Verband der Automobilindustrie (VDA) seit Wochen für seine Positionen. Dessen Präsidentin Hildegard Müller hat in Brüssel bereits eine lange Liste deponiert. Darauf stehen etwa die Forderung nach einem Senken der hohen Energiepreise, ein pragmatischeres Vorgehen bei der Gesetzgebung zur Digitalisierung, ein Abbau der Bürokratie und natürlich weniger Steuern. Und vor allem will die Auto-Lobbyistin, dass endlich etwas getan wird. „In Sachen Standort und Wettbewerbsfähigkeit gibt es kein Erkenntnisproblem, sondern ein Umsetzungsproblem“, betont Hildegard Müller.
Wieder geht es um das Verbrennerverbot
In diese Kerbe schlägt auch der CDU-Politiker Jens Gieseke. „Idealerweise innerhalb von 100 Tagen, spätestens bis zum Sommer, erwarte ich konkrete Vorschläge, die der Industrie bei der Bewältigung der gegenwärtigen Krise helfen, den Sektor zukunftssicher aufstellen und Jobs in Europa sichern“, betont der verkehrspolitische Sprecher der konservativen EVP-Fraktion im Europaparlament. Zu seinen zentralen Forderungen gehört die „Rücknahme des Verbrennerverbots“. Von der EU geplant ist, dass ab 2035 nur noch Elektroautos zugelassen werden dürfen. Auch die für dieses Jahr angedrohten Strafzahlung sollen angesichts der Krise der Autobauer nach dem Willen der EVP ausgesetzt werden. Dabei geht es um die CO2-Grenzwerte für Pkw, die einige Autobauer verfehlen könnten. VW und Renault etwa wollen mögliche Strafzahlungen abwenden. Unter den Herstellern herrscht allerdings keine Einigkeit, da sich einige Autobauer mit ihrer Fahrzeugflotte vorbereitet haben und die geforderten Grenzwerte einhalten.
Bei einer flexiblen Handhabung der Strafzahlungen könnten auch die Sozialdemokraten im Europaparlament zustimmen. Essenziell aber sei es, an der „Einhaltung des bereits beschlossenen Verbots für Neuzulassungen von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor festzuhalten“, betont Tiemo Wölken, SPD-Sprecher im Umweltausschuss des Europaparlaments. Ein Aufweichen würde dem erklärten Ziel entgegenlaufen, die auch von der Industrie immer wieder geforderte langfristige Planungssicherheit zu bieten.
Die Zukunft gehört der E-Mobilität
Einig sind sich alle Seiten, dass beim Individualverkehr die Zukunft der E-Mobilität gehört und dessen Hochlaufen unterstützt werden muss. Wichtig seien dabei mehr Investitionen in die Ladeinfrastruktur. Ein Argument gegen den Kauf eines Elektroautos sei bei vielen Menschen noch immer die Angst, irgendwo liegen zu bleiben, sagt Wölken. Auch den Abbau von bürokratischen Hindernissen und mehr Investitionen in die Forschung und Entwicklung machen alle Parteien zu ihrem Thema. Gemeinsam fordern Konservative und Sozialdemokraten auch neue Handels- und Rohstoffpartnerschaften, wobei die SPD betont, dass diese auf einer „fairen Grundlage“ abgeschlossen werden müssten.
SPD-Mann Wölken ist es wichtig zu betonen, dass nicht nur die Politik für die Krise der Autobauer verantwortlich sei. „Auch Fehlentscheidungen in den Chefetagen der Hersteller“ hätten zur schwierigen Situation beigetragen. So hätte die deutschen Unternehmen bei den E-Autos zu sehr auf das Premiumsegment besetzt. Preisgünstige Einstiegsmodelle suche man vergebens. Im geschlossenen Audi-Werk in Brüssel sind sich die 3000 entlassenen Mitarbeiter einig, dass sie es sind, die nun auch den Preis für diese Strategie bezahlen müssen.