Joe Bidens Rückzug

Die Familie, die den Präsidenten jetzt trägt

Joe Biden hat in seinem Leben schon so viele Nackenschläge einstecken müssen, dass es für zwei reichen würde. Doch auf eines konnte der US-Präsident immer bauen: den Rückhalt seines Clans.

Joe Biden umarmt nach seiner Rede im Oval Office seine Tochter Ashley. Seine Enkelin Finnegan wischt sich eine Träne aus dem Gesicht. Im Hintergrund: Jill und Hunter Biden.

© AFP/EVAN VUCCI

Joe Biden umarmt nach seiner Rede im Oval Office seine Tochter Ashley. Seine Enkelin Finnegan wischt sich eine Träne aus dem Gesicht. Im Hintergrund: Jill und Hunter Biden.

Von Theresa Schäfer

Bevor Joe Biden am Sonntag der Welt mitteilte, dass er sich um keine zweite Amtszeit als US-Präsident bewirbt, beschäftigte eine Frage das politische Washington: Wer könnte ihn zum Aufgeben bringen? Wer spricht Klartext mit dem Präsidenten, wer zeigt ihm die verheerenden Umfragen? Und, viel wichtiger, auf wen hört der 81-Jährige? Nancy Pelosi, die frühere Sprecherin des Repräsentantenhauses, seine langjährige Vertraute, Mit-Demokratin und mit 84 eine, die weiß, wie es sich anfühlt, wenn man zu den Alten gehört? Chris Coons, Bidens Freund aus dem Senat, der den Präsidenten liebt und bewundert? Barack Obama, als dessen Vize Biden acht Jahre lang diente?

Vielleicht. Aber was für Joe Biden über allem anderen steht, ist die Familie. „My word as a Biden“, sagt der Präsident gerne, wenn er etwas besonders ernst meint. Für ihn ist das mehr als eine Floskel. Der Zusammenhalt der Präsidentenfamilie, Nachfahren irischer Auswanderer, ist stark. Und so waren viele aus dem Biden-Clan dabei, als Joe Biden am Mittwochabend (Ortszeit) aus dem Oval Office im Weißen Haus zur Nation sprach. Links vom „Resolute Desk“, dem weltberühmten Schreibtisch des Präsidenten saßen Bidens Sohn Hunter, seine Enkelin Finnegan, seine Tochter Ashley mit ihrem Mann Howard Krein und natürlich Jill Biden, die First Lady.

Sie hörten berührt zu, als der Präsident sagte, der beste Weg, das Land zu vereinen, sei „den Staffelstab an eine neue Generation zu übergeben.“ Der 81-Jährige sprach davon, was für eine Ehre es für ihn gewesen sein, dem Land als Präsident zu dienen – dass ein Kind aus der Arbeiterstadt Scranton, das stottert, ins höchste Amt im Staat aufsteigen könnte, sei nur in Amerika möglich. „Hier bin ich nun. Das ist es, was Amerika so besonders macht.“ Nach der Rede umarmte der Präsident seine Familie, seine Enkelin Finnegan wischte sich eine Träne aus dem Augenwinkel.

First Lady Jill Biden und Hunter, der einzige überlebende Sohn des Präsidenten, sollen intensive Gespräche mit Biden über seine Zukunft geführt haben. Allerdings, hieß es aus informierten Kreisen, sollen Jill und Hunter den 81-Jährigen eher ermuntert haben weiterzumachen – zum Rückzug gedrängt haben sie ihn wohl nicht.

US-amerikanische Medien munkelten, die Familie Biden sei enttäuscht von so manchem politischem Weggefährten, der sich nach dem desaströsen Auftritt Bidens im TV-Duell gegen Donald Trump gegen ihn gestellt hatte.

Solidarität ist für die Bidens extrem wichtig. Der Präsident, der schon so viele Schicksalsschläge verkraften musste, dass es für zwei Leben reichen würde, konnte stets auf seine Familie bauen. Als seine erste Frau Neilia und seine 13 Monate alte Tochter Naomi 1972 bei einem Autounfall starben, zog seine Schwester Valerie bei ihm ein und kümmerte sich um die beiden kleinen Söhne Beau und Hunter, während Joe jeden Tag mit dem Zug von Delaware nach Washington pendelte, um seinen Job als Senator zu machen. Als Beau, den Joe Biden gerne als „Joe 2.0“ bezeichnete, 2015 mit nur 46 Jahren an einem aggressiven Hirntumor starb, scharten sich die Biden um Beaus Witwe Hallie und seine beiden Kinder.

Genauso stand die Familie zusammen, als Hunter nach dem Tod seines Bruders in die Drogensucht abrutschte und im Juni, als er von einer Jury wegen illegalen Waffenbesitzes schuldig gesprochen wurde. Hand in Hand mit ihrem Stiefsohn verließ die First Lady da das Gerichtsgebäude in Delaware.

♥️ pic.twitter.com/0yBoethUbZ — Naomi Biden (@NaomiBiden) July 21, 2024

Auf eines kann sich Joe Biden also verlassen: Dass sich sein Clan auch jetzt um ihn schart. Hunter Biden rief in einem emotionalen Statement die Amerikanerinnen und Amerikaner dazu auf, seinem Vater für dessen jahrzehntelangen Dienst an der Gesellschaft zu danken.

I’m nothing but proud today of my Pop, our President, Joe Biden, who has served our country with every bit of his soul and with unmatched distinction. Not only has he been—and will continue to be—the most effective president of our lifetime, but he has likely already cemented… — Naomi Biden (@NaomiBiden) July 21, 2024

Und Joe Bidens Enkeltochter Naomi – Hunter hat seine älteste Tochter nach seiner als Baby verstorbenen Schwester benannt – schrieb auf X, sie sei einfach nur stolz auf ihren „Pop“: „Dank ihm ist unsere Welt heute auf so viele Arten besser. An die Amerikaner, die immer zu ihm gehalten haben: Glaubt weiter an ihn. Denn er wird immer zu euch halten.“

Das ist Joe Bidens Familie

Jill Biden: Wer Jill Biden kennt, hebt ihre Wärme hervor, ihren Humor und ihr echtes Interesse an ihrem Gegenüber. „Dr. Biden“ ist eine leidenschaftliche Pädagogin, die erste First Lady, die ihren Job behielt, als ihr Mann Präsident wurde. Jill heiratete Joe 1977. „Ich wurde auf eine Weise Mutter, die ich nie erwartet hatte“, sagte Jill Biden auf dem Nominierungsparteitag im Jahr 2020. „Ich habe mich in einen Mann und zwei kleine Jungen verliebt, die vor den Trümmern eines unglaublichen Verlusts standen.“ Mit 26 habe sie vor der Frage gestanden: „Wie macht man eine zerbrochene Familie wieder heil?“ Sie half ihm, seine beiden Söhne Beau und Hunter aufzuziehen und brachte dann 1981 Tochter Ashley zur Welt. Für seine Söhne wurde Jill „Mum“.

Während Joe Biden als Senator zwischen seinem Wohnort Wilmington in Delaware und Washington pendelte, baute Jill eine eigene Karriere als Lehrerin auf - mit zwei Master-Abschlüssen und schließlich einem Doktortitel in Pädagogik. „Lehrerin zu sein ist nicht, was ich tue, es ist, was ich bin“, schrieb sie in ihren Memoiren.

Bildung ist auch als First Lady ihr großes Thema. Aber auch Soldatenfamilien liegen Jill Biden am Herzen und der Kampf gegen die Volkskrankheit Krebs ist ihr ein Anliegen, seit ihr angenommener Sohn Beau 2015 an einem Hirntumor starb.

Beau Biden (1969 – 2015): In der Familie Biden hat Joseph Robinette „Beau“ Biden III weiter einen wichtigen Platz. 2015 starb Beau mit nur 46 Jahren an einem aggressiven Hirntumor. Doch die Bidens halten sein Andenken lebendig. Beim Nominierungsparteitag 2020 war Beau in einem Einspieler zu sehen, wie er auf dem Parteitag 2012 seinen Vater Joe anmoderierte. „Beau ist nicht länger bei uns, aber wir tragen ihn in unseren Herzen“, sagten seine Geschwister.

Es war der 18. Dezember 1972, als den damals 30-jährigen Joe Biden ein Anruf erreichte: Seine Frau Neilia habe zusammen mit den drei Kindern einen schweren Autounfall gehabt. Bidens Frau und seine 13 Monate alte Tochter Naomi waren sofort tot. Seine Söhne Beau und Hunter lagen mit schweren Verletzungen im Krankenhaus. In die Politgeschichte ging das Bild ein, das den frischgewählten Senator Biden bei seinem Amtseid zeigt – am Krankenbett seiner Söhne.

Beau, „Joe 2.0“, galt als großes Nachwuchstalent in der demokratischen Partei. 2006 wurde er zum Attorney General des Staates Delaware gewählt. 2008 kämpfte er im Irakkrieg. Beaus früher Tod traf seine Eltern bis ins Mark. „Meine Familie war am Boden zerstört. Ich war am Boden zerstört“, sagte Joe Biden später in einem Interview. Damals entschied er sich, nicht für die Wahl 2016 zu kandidieren. Sein Herz sei nicht dabei gewesen. Beau hinterließ seine Frau Hallie und zwei Kinder, Natalie und Hunter.

„Er hat in 46 Jahren geschafft, was manche von uns in 146 Jahren nicht schaffen“, sagte Präsident Barack Obama auf Beaus Trauerfeier. „Manche Menschen werden niemals erfahren, dass ihre Leben wegen Beau Biden besser sind. Aber das ist in Ordnung. Ruhm war nicht der Grund für Beau, sich dem Dienst an der Öffentlichkeit zu verschreiben.“

Hunter Biden: Es ist ein Klischee, aber Hunter ist so etwas wie das schwarze Schaf der Familie Biden. Er ist das Kind, das seinen Vater immer wieder in Erklärungsnot bringt. Doch Hunter, der in Yale Jura studiert hat und als Anwalt und Lobbyist arbeitete, steht zumindest zu seinen Fehlern: Er schrieb ein Buch darüber, dass er lange mit Drogenproblemen zu kämpfen hatte. „Wie jeder andere, den ich kenne, bin ich gestürzt und wieder aufgestanden. Ich habe wertvolle Dinge getan und Sachen, die ich bereue“, sagte Hunter in einem Interview mit ABC News. Vor wenigen Wochen wurde der 54-Jährige von einer Jury in Delaware wegen unerlaubten Waffenbesitzes schuldig gesprochen – das Strafmaß steht noch aus. Joe Biden hat aber schon klargemacht, dass er seinen Sohn nicht begnadigen wird.

Hunters umstrittener Posten im Verwaltungsrat des ukrainischen Gaskonzerns Burisma löste eine ganze Staatsaffäre aus: US-Präsident Donald Trump fror Militärhilfen ein, um den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj dazu zu bringen, die Geschäfte von Hunter zu untersuchen. Die Folgen sind bekannt: Trump musste sich einem Impeachment-Verfahren stellen, einer Amtsenthebung entging er, weil sich seine Partei im Senat vor ihn stellte. Die ganze Sache ließ aber auch Joe Biden nicht ganz glücklich aussehen. Seine Gegner warfen dem früheren Vizepräsidenten Vetternwirtschaft vor.

Auch in Hunters Liebesleben ging es auf und ab: 2015 trennte sich Hunter von Kathleen, seiner Frau und Mutter der drei Töchter Naomi, Finnegan und Maisy. 2016 machte die Familie öffentlich, dass Hunter mit Hallie, der Witwe seines Bruders Beau, liiert war. Eine hässliche Schlammschlacht um Hunters Scheidung von seiner Frau Kathleen folgte. Joe und Jill Biden standen damals zu Hunter und veröffentlichten ein Statement: „Wir sind froh, dass Hunter und Hallie sich gefunden haben, als sie ihr Leben nach einer Zeit tiefer Traurigkeit wieder zusammensetzten. Sie haben unsere Unterstützung und wir freuen uns für sie.“

Die Liebe hielt nicht, Hunter hat inzwischen eine neue Frau an seiner Seite: Er heiratete 2019 die Südafrikanerin Melissa Cohen – nur sechs Tage, nachdem sich die beiden kennengelernt hatten. Joe Biden dankte seiner neuen Schwiegertochter, „dass du meinem Sohn den Mut gibst, wieder zu lieben.“ 2020 brachte Melissa einen Sohn, Beau, zur Welt, ein außereheliches Kind hat Hunter auch.

Hunter hat sich inzwischen der Malerei zugewandt. Die Kunst „hält mich gesund“, sagte Biden der „New York Times“. „Über Jahre hinweg hätte ich mich selbst nicht als Künstler bezeichnet. Jetzt fühle ich mich wohl damit, das so zu sagen.“ Gut, dass Hunter eine neue Berufung gefunden hat: Seine Anwaltszulassung in Washington wurde nämlich wegen seiner Verurteilung in Delaware ausgesetzt.

Ashley Biden: Über die jüngste Tochter der Bidens ist deutlich weniger bekannt. Ashley hält sich eher im Hintergrund. Die 43-Jährige ist mit dem Arzt Howard Krein verheiratet, arbeitete lange für eine Non-Profit-Organisation und hat inzwischen ein eigenes Unternehmen gegründet, das nachhaltige Mode und Wohltätigkeit miteinander verknüpft. Obwohl Ashley die große Bühne meidet, sah man sie 2020 auf einigen von Biden Wahlkampfveranstaltungen. Beim Nominierungsparteitag der Demokraten sagte sie damals über ihren Vater: „Er wird dir die Wahrheit sagen, auch wenn du sie nicht hören willst. (...) Er behandelt jeden respektvoll, egal wer man ist.“

Ab und zu begleitet Ashley ihre Eltern auch auf Auslandsreisen, zuletzt war sie zum Beispiel in Paris dabei. Auch ihre älteren Enkelkinder – Naomi, Finnegan, Maisy, Natalie und Hunter – gehen immer mal wieder mit ihren Großeltern auf Reisen rund um den Globus. Finnegan war beispielsweise 2023 mit Jill Biden in London, als der britische König Charles III. in der Westminster Abbey gekrönt wurde.

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Erstellt:
22. Juli 2024, 14:54 Uhr
Aktualisiert:
25. Juli 2024, 09:12 Uhr

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