6,2 Milliarden Euro Defizit
Die Finanzlage der Krankenkassen ist sozialpolitisches Dynamit
Weil die Politik nicht die Kraft zu Strukturreformen hat, dürften bald Debatten um mehr Eigenbeteiligungen beginnen, meint unser Berliner Korrespondent Norbert Wallet.

© dpa/Christoph Soeder
Nicht nur Außenpolitik: Die mögliche neue Regierung (hier Friedrich Merz, CDU, und Lars Klingbeil, SPD) steht auch vor sozialpolitischen Herausforderungen .
Von Norbert Wallet
In der weltpolitisch aufgeheizten Zeit geht manche innenpolitische Nachricht schnell unter, die doch sehr genau registriert werden müsste. Dazu gehört die immer desaströser werdende Lage der Gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung. Das Defizit der GKV hat sich 2024 auf satte 6,2 Milliarden Euro aufgetürmt. Das sind nochmals 700 Millionen Euro mehr als ohnehin befürchtet.
Die Folgen sind sofort spürbar
Das hört sich wie finanzpolitisches Klein-Klein an. Aber tatsächlich ist das alles sozialpolitisches Dynamit. Denn die Folgen sind sofort spürbar: Die Versicherten können jetzt schon mit weiter erheblich steigenden Beiträgen rechnen. Das ist nicht nur für Otto Normalverbraucher zermürbend. Steigende Lohnnebenkosten sind auch für eine Wirtschaft Gift, die sich aus einer Rezession herauskämpfen muss. Und die immer knapper werdenden Reserven heizen rabiate Verteilungskämpfe im Gesundheitswesen an.
Das ist keine fachpolitische Debatte. Hier geht es um die Herzkammer der Politik, es geht ganz zentral um Steuerpolitik. Der Staat belastet die Kassen systematisch mit Aufgaben, für die die GKV nicht da ist. Jüngstes Beispiel sind die GKV-Beteiligungen an den Transformationskosten der Krankenhausreform. Der Staat muss diese Praxis der Auslagerung seiner originären Aufgaben an die Beitragszahler umgehend stoppen.
Die Politik vermeidet die große Strukturreform
Das kostet viel Geld. Es wären einschneidende Maßnahmen notwendig. Das reicht von der Zusammenführung der privaten und der gesetzlichen Krankenversicherung und der Einbeziehung aller Einkommensarten bis zum Wegfall der Beitragsbemessungsgrenze, die in Wahrheit ein Schonprogramm für hohe Einkommen darstellt.
Dazu hat die Politik keine Kraft. Die düstere Wahrheit ist: Die Bürger können sich auf neue Debatten über mehr Eigenbeteiligung und Einschnitte in den Leistungskatalog der Kassen einstellen.