Klimawandel: Zwischen Illusion und Realität
Die Folgen des Klimawandels sind längst unumkehrbar
Der Klimawandel lässt nicht nur die globale Durchschnittstemperatur steigen. Immer deutlicher werden die Folgen für Meere und Eis. Ist das 1,5-Grad-Ziel des Pariser Abkommens noch einzuhalten? Oder muss sich die Menschheit für eine „heiße“ Zukunft wappnen?

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„Unser Planet sendet immer mehr Stresssignale aus“, warnt UN-Generalsekretär António Guterres.
Von Markus Brauer/dpa
Neben der rekordhohen globalen Durchschnittstemperatur 2024 zeigen weitere Indikatoren das Voranschreiten des Klimawandels. Viele Folgen der Erwärmung seien bereits unumkehrbar, zumindest über hunderte oder tausende Jahre, heißt es im Bericht über den Zustand des Weltklimas der Weltwetterorganisation (WMO) – „State of the Global Climate 2023“. Dazu gehöre etwa der Eisverlust und der Meeresspiegelanstieg.
„Unser Planet sendet immer mehr Stresssignale aus“, warnt UN-Generalsekretär António Guterres.
Today, the WMO released the #StateOfClimate report. In 2023, the hottest year ever documented, records were broken for greenhouse gas levels, ocean heat and acidification, sea level rise, Antarctic sea cover, and glacier retreat.Full report: https://t.co/OjfNMaGvbgpic.twitter.com/vxMYvJAl7l — World Meteorological Organization (@WMO) March 20, 2024
Schlaglichter des WMO-Berichts
2024 lag die globale Durchschnittstemperatur rund 1,55 Grad über dem Niveau vor der Industrialisierung (1850-1900), wie Klimaforscher schon im Januar berichtet hatten.
Die vergangenen acht Jahre verzeichneten jedes einen Rekord beim Wärmeinhalt der Ozeane. Die Messungen begannen 1960. Die Ozeane sind sehr bedeutend für das Klima der Erde, denn sie nehmen rund 90 Prozent der durch den Anstieg der Treibhausgase entstehenden Wärme auf.
Die drei vergangenen Jahre erreichten bei der saisonal geringsten Eisausdehnung in der Antarktis mit weniger als zwei Millionen Quadratkilometern alle neue Tiefpunkte. Die Messungen begannen 1979.
Die Gletscher weltweit verloren in den vergangenen drei Jahren so viel Masse wie nie zuvor in einer Dreijahresperiode seit Beginn der Messungen in den 70er Jahren.
Der Meeresspiegelanstieg hat sich seit Beginn der Satellitenmessungen 1993 auf 4,7 Millimeter pro Jahr mehr als verdoppelt.
Klima: Träges System mit langem Gedächtnis
Beim Klima handelt es sich um ein träges System: Der Trend zu immer höheren Temperaturen würde auch im extrem unwahrscheinlichen Fall eines beendeten Treibhausgas-Ausstoßes noch jahrzehntelang anhalten.
Das Jahr 2024 war das erste seit Messbeginn, das weltweit im Schnitt über 1,5 Grad wärmer als im vorindustriellen Mittel gewesen ist. Damit war es zugleich das wärmste je gemessene Jahr. Im Pariser Klimaabkommen war 2015 vereinbart worden, die Erderwärmung möglichst auf 1,5 Grad über dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen.
Das Abkommen bezieht sich auf Temperaturabweichungen, die über einen Zeitraum von mindestens 20 Jahren gemittelt werden. Zurzeit liegt der langfristige Wert je nach Berechnungsmethode nach Angaben der WMO zwischen 1,34 und 1,41 Grad über vorindustriellem Niveau.
Der besonders starke Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur 2023 und 2024 habe auch mit natürlich auftretenden Phänomenen wie dem Wettermuster El Niño und der Sonnenaktivität zu tun gehabt, heißt es in dem Bericht.
„1,5-Grad-Ziel ist längst gerissen“
„Ich finde es geradezu lächerlich, dass sich die Weltpolitik immer noch an dem 1,5-Grad-Ziel festhält. Das ist de facto doch längst gerissen“, erklärt der Klimaforscher Mojib Latif.
Der Gehalt an Treibhausgasen in der Atmosphäre steige vielmehr weiter, teils sogar schneller als befürchtet. Latif spricht von „Realitätsverweigerung“. Gegenwärtig sei man auf einem Erwärmungspfad von etwa drei Grad. Und selbst diese Marke werde nur dann nicht übertroffen, wenn bisherige Zusagen eingehalten würden.