Die große Pokalchance
Für den VfB Stuttgart geht es im Halbfinale um eine Menge – in sportlicher wie finanzieller Hinsicht.

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Anfang April wird in der Stuttgarter Arena im Pokal-Halbfinale wieder das Flutlicht angehen. Foto: Baumann
Von David Scheu
Stuttgart - Ein Heimspiel im Halbfinale? Gegen einen ambitionierten Bundesliga-Kontrahenten? All das gab es schon einmal in der Amtszeit von Sebastian Hoeneß beim VfB Stuttgart, wenige Wochen nach dem Einstieg des Erfolgstrainers in Bad Cannstatt. Damals, im Mai 2023, blieb der Finaltraum ein unerfüllter – Eintracht Frankfurt bejubelte letztlich ein knappes 3:2 in Stuttgart. Jetzt bietet sich erneut die Endspielchance, wenn RB Leipzig am 1. oder 2. April beim VfB gastieren wird.
Nun ist natürlich die Konstellation heute eine andere als damals. Während vor zwei Jahren über Dinge diskutiert wurde wie eine Verlegung der Relegation im Fall eines Stuttgarter Finaleinzugs, spielt das Hoeneß-Team inzwischen um die internationalen Plätze. Wahr ist aber auch: Der Pokal als eigener und ganz spezieller Wettbewerb bietet heute wie damals Reize und Möglichkeiten abseits des Liga-Alltags, in dem der VfB gerade ja auch nicht wunschgemäß punktet. Die Teilnahme am großen Finale im Olympiastadion würde die Saison, auf welchem Platz auch immer die Mannschaft am Ende landet, anders färben.
Dass sich hier nun im Halbfinale eine große Chance auftut, steht außer Frage. Auch aufgrund der Auslosung: Die Stuttgarter dürfen vor heimischem Publikum antreten – und sie kommen um ein Duell mit dem Titelverteidiger und überaus formstarken Bundesliga-Zweiten Bayer Leverkusen herum. Klar, niemand bestreitet die hohe individuelle Qualität der Leipziger Pokalspezialisten, die viermal in den vergangenen sechs Jahren im Endspiel standen. In Schwung kommen die Sachsen in dieser Saison aber nicht so richtig, Platz sechs entspricht zehn Spieltage vor Schluss mitnichten den eigenen Ansprüchen. Und dass der VfB in der heimischen Arena zu Siegen gegen RB in der Lage ist, hat er in der jüngeren Vergangenheit mehrfach unter Beweis gestellt. Im Januar gab es einen 2:1-Sieg, ein Jahr zuvor gar ein deutliches 5:2.
Ein dritter Heimsieg in Folge? Würde ohne Frage reizvolle Perspektiven eröffnen. Es geht um viel, auf mehreren Ebenen. Zuvorderst natürlich um die Wahrung der Chance auf den ersten großen Titel seit 2007, aber auch um Prestige auf der größten nationalen Fußballbühne, zudem auch um eine Europa-Chance: Der Pokalsieger ist direkt für die Gruppenphase in der Europa League qualifiziert – und ob dem VfB das über die Abschlussplatzierung in der Bundesliga gelingt, ist ja längst nicht ausgemacht. Aber: Der Finaleinzug alleine würde in keinem Fall nach Europa führen. Seit 2015 geht der Startplatz dann an den Sechsten der Bundesliga, sollte der Pokalsieger bereits über die Liga mindestens für die Europa League qualifiziert sein.
Neben all den sportlichen Aspekten steht, wie so oft im Profifußball, finanziell eine Menge auf dem Spiel. Vorneweg: Ein relevanter Ertrag durch Ticket-Erlöse im Halbfinale ist dem VfB bereits sicher. Während der Deutsche Fußball-Bund (DFB) zehn Prozent der Zuschauer-Einnahmen erhält, gehen an die beiden Vereine jeweils 45 Prozent – die Gleichbehandlung des Gastteams im Pokal soll verhindern, dass aus dem sportlichen Heimvorteil auch noch ein finanzieller wird. Dennoch profitiert der VfB monetär vom Ergebnis der Auslosung: Denn es macht natürlich in Sachen Einnahmen einen Unterschied, ob die Partie in Stuttgart vor 60 000 Fans – darunter 4500 zahlungskräftige VIP-Gäste – stattfindet oder in den rund halb so großen Stadien von Bayer Leverkusen und Arminia Bielefeld. Mit einer niedrigen siebenstelligen Summe kann der VfB durch die Kartenerlöse aus dem Halbfinale rechnen.
Im Finale wäre das aber anders, hier gehen die Einnahmen komplett an den DFB – der allerdings üppige Prämien ausschüttet. 6,5 Millionen Euro hat der VfB in den bisherigen vier Pokalrunden in dieser Saison aus diesem Topf schon erhalten, bei einem Finaleinzug würden nochmals 2,9 Millionen hinzukommen. Und auch im Bereich Sponsoring winken positive Effekte: Erreichen die Stuttgarter das Endspiel, sind natürlich auch ihre Partner auf der großen Finalbühne prominent vertreten – auf der Trikotbrust, auf dem Ärmel, auf den Aufwärmshirts. Für dieses Szenario sind vertraglich fixierte Zuschläge vereinbart, die sich nach unseren Informationen zu einem niedrigen einstelligen Millionenbetrag aufaddieren.
Viel Geld, das für Sebastian Hoeneß und sein Team aber erst einmal nicht im Mittelpunkt steht. Der Fokus liegt auf dem Sportlichen – und damit zunächst auf der Bundesliga. Drei richtungweisende Spiele stehen noch vor dem Pokalspiel an, in denen man nach zuletzt nur einem von neun möglichen Punkten wieder in die Erfolgsspur finden will: bei Holstein Kiel, gegen Bayer Leverkusen und nach der Länderspielpause bei Eintracht Frankfurt. Seine Schatten aber wirft das Halbfinale schon jetzt voraus.