Energieerzeugung in der EU
Die Hälfte des EU-Stroms kommt aus Erneuerbaren
In Europa geht der Ausbau von Wind- und Solaranlagen zum Teil überraschend schnell voran. In einem Bericht mahnen Wissenschaftler aber, sich nicht auf dem Erfolg auszuruhen.
Von Knut Krohn
Die erneuerbaren Energien sind weiter auf dem Vormarsch. So war der Anteil fossiler Energien am Strommix in der Europäischen Union im vergangenen Jahr so niedrig wie nie zuvor. Laut einer Analyse des britischen Thinktanks Ember fiel vor allem der Anteil des durch Kohle erzeugten Stroms auf unter zehn Prozent. Eine ähnliche Entwicklung ist bei der Stromerzeugung aus Gas zu beobachten, die das fünfte Jahr in Folge sinkt und 2024 noch einen Anteil von knapp 16 Prozent hatte. Zusammen mit anderen fossilen Energieträgern wie Öl oder Müll machten fossile Brennstoffe etwa 29 Prozent der Stromerzeugung in der EU aus.
Ember-Analyst Chris Rosslowe spricht sogar von einem „strukturellen Niedergang“ der fossilen Brennstoffe, die ihren Einfluss auf die Energieversorgung in der EU verlieren würden. „Zu Beginn des europäischen Green Deals im Jahr 2019 dachten nur wenige, dass die Energiewende der EU dort sein könnte, wo sie heute ist“, betont der Wissenschaftler die großen Fortschritte in Technologieentwicklung aus Ausbau. Der Green Deal ist ein Maßnahmen- und Gesetzespaket aus der vergangenen Legislaturperiode in der EU, das unter anderem für einen drastischen Rückgang der Treibhausgasemissionen sorgen soll. Für den Bericht analysierten die Autoren Daten zur Stromerzeugung und -nachfrage in allen 27 EU-Ländern.
Atomkraft hat 24 Prozent Anteil
Im vergangenen Jahr kam mit 47,5 Prozent fast die Hälfte des Stroms in der EU aus erneuerbaren Energien. Laut Bericht wurden 2024 rund elf Prozent des Stroms aus Solarenergie gewonnen, gut 17 Prozent kamen aus Windkraft. Auch Wasserkraft sowie aus Biomasse gewonnene Energie tragen dazu bei. Im Vergleich zu 2023 ist vor allem bei der Solarenergie ein großer Zuwachs (plus 21,7 Prozent) zu erkennen. Stromerzeugung aus Sonnenkraft nehme in allen EU-Ländern zu, schreibt der Thinktank. Atomkraft hatte 2024 einen Anteil von fast 24 Prozent am Strommix.
Doch Chris Rosslowe warnt: „Obwohl die Energiewende der EU in den letzten fünf Jahren schneller vorangekommen ist als erwartet, sind weitere Fortschritte nicht selbstverständlich.“ Die Umsetzung müsse beschleunigt werden, insbesondere im Windsektor. Gerade diese Branche kämpft nach Aussagen der Unternehmen allerdings weiter mit großen Schwierigkeiten.
Europaweit sind langsame und schwerfällige Genehmigungsverfahren aus Sicht des Verbands Wind-Europe nach wie vor ein zentrales Hindernis für den Ausbau der Windenergie. Zwar gebe es verbindliche neue EU-Genehmigungsvorschriften, diese hätten viele Länder aber noch nicht in nationales Recht umgesetzt, kritisieren die Verantwortlichen.
Nur wenige Länder hätten durch Anwendung der neuen Regeln deren Wirksamkeit tatsächlich bewiesen, mahnt der Verband weiter. Dabei gibt es Lob vor allem für Deutschland. Mit Genehmigungen für fast 15 Gigawatt Windenergie an Land sei ein nationaler Rekord erreicht worden. „Die Regierungen müssen dem deutschen Beispiel folgen, wenn es ihnen mit der Energiesicherheit und der industriellen Wettbewerbsfähigkeit ernst ist“, heißt es in einem Bericht.
Windkraft solle forciert werden
Auch in der Ember-Analyse wird gefordert, vor allem den Bau von Windrädern durch die Politik zu forcieren, will man die gesteckten Ziele erreichen. „Die Zubaurate zwischen heute und 2030 muss mehr als doppelt so hoch sein wie in den letzten Jahren“, schreiben die Wissenschaftler. Bis 2030 sollen erneuerbare Energien mindestens 42,5 Prozent des Gesamtenergieverbrauchs in der Europäischen Union ausmachen.
Doch mit der Produktion von Strom durch erneuerbare Energien ist es in den kommenden Jahren nicht getan. Entscheidend für den Erfolg sind nach Aussagen des Thinktanks Ember auch der Ausbau der Netzinfrastruktur und vielfältige Speichermöglichkeiten. In dieselbe Kerbe schlägt der Verband Wind-Europe. Der schwierige Zugang zum Stromnetz ist dessen Aussagen zufolge das größte Hindernis bei der Nutzung der Windenergie. Außerdem gehe in Europa die Elektrifizierung der Wirtschaft nicht schnell genug voran, was die Nachfrage bremse. „Die Elektrifizierung stockt, vor allem in den Bereichen Mobilität, Heizung und Industrie“, betont der Wind-Verband. Nur durch eine erhöhte Energiesicherheit und auch sinkende Kosten könnten die Verbraucher von den Vorteilen der alternativen Energien überzeugt werden.