Die kleine Murrbahn kostet Pendler weiter Nerven
Die Leidenszeit der Vollsperrung ist vorüber, doch reibungslos läuft der S-Bahn-Verkehr zwischen Backnang und Marbach weiterhin nicht.
Von Kai Wieland
Kirchberg an der Murr. „Massive Störungen im Verkehrsfluss“ hat die in Kirchberg an der Murr wohnende Kreisrätin Gudrun Senta Wilhelm jüngst in einem Brief an Landrat Richard Sigel bemängelt. Verspätungen von rund 15 Minuten seien auf der Linie S4 mittlerweile an der Tagesordnung, immer wieder endeten Züge gar in Marbach am Neckar, weil zu viel Verspätung angesammelt worden sei. Der Stein des Anstoßes ist die von der Deutschen Bahn eingerichtete Langsamfahrstelle bei Burgstetten (wir berichteten).
Dieser Eindruck ist kein rein subjektiver: „Bei den Zügen der S-Bahn-Linie S4 führt die Langsamfahrstelle zu Fahrplanabweichungen, die im Schnitt im Bereich von etwa fünf Minuten liegen“, bestätigt ein Bahnsprecher. „Die Anschlüsse zu den eng getakteten Busverbindungen an den S-Bahn-Stationen können wir dabei aktuell zum Teil nicht sicherstellen. Für die daraus entstehenden Unannehmlichkeiten bitten wir die Fahrgäste um Entschuldigung.“
Auch nach dem Ende der Vollsperrung zwischen Waiblingen und Bad Cannstatt hält sich bei den Reisenden auf der sogenannten kleinen Murrbahn also eine spürbare Unzufriedenheit mit den Beförderungsleistungen des Unternehmens. Ein kurzer Rückblick: Die Kabelarbeiten für den digitalen Knoten Stuttgart hatten dazu geführt, dass zwischen Marbach und Backnang wohenlang keine S-Bahnen fuhren. Ein Schienenersatzverkehr war eingerichtet worden, doch konnte dieser die Anschlussverbindungen oftmals nicht einhalten.
Das Unverständnis gilt der Kommunikation und Planung
Der Erleichterung darüber, dass dieser Zustand zum 29. Juli endete, folgte allerdings schnell Ernüchterung, weil die S-Bahn seitdem zwar wieder verkehrt, zwischen Backnang und Kirchberg jedoch mit deutlich reduziertem Tempo. Mit Hinweis auf die „anspruchsvolle Topografie und die hohe Belastung auf dieser Strecke durch viele enge Bögen“ hatte die Deutsche Bahn Mitte Juli die Notwendigkeit von sogenannten Stopfarbeiten begründet, welche allerdings erst möglich seien, wenn die Temperaturen für einen längeren Zeitraum deutlich unter 30 Grad lägen.
Nun überrascht es nicht, dass eine Langsamfahrstelle für mehr Reibung im System sorgt. Das Unverständnis gilt vielmehr der Kommunikation und Planung. Erstens blieben die Bahnreisenden nach Einrichtung der Langsamfahrstelle zunächst längere Zeit im Unklaren darüber, wieso die Züge plötzlich im Schleichtempo verkehrten. Zweitens war die allgemeine Erwartungshaltung, dass die Arbeiten an den Gleisen bei kühleren Temperaturen sofort beginnen würden. Die jüngste Schlechtwetterphase scheint dafür aber nicht ausgereicht zu haben, oder anders gesagt: Die Arbeiten zur Behebung der Langsamfahrstelle sollen ungeachtet des Augustwetters wohl frühestens im September beginnen – sofern das Wetter mitspielt, festnageln lässt sich das Unternehmen darauf nicht. Die umfangreichen Instandsetzungsmaßnahmen sind sogar nicht vor November angedacht.
Für Gudrun Wilhelm ist der aktuelle Zustand allerdings nicht hinnehmbar. „Das alles hat einschneidende Auswirkungen auf Bus- und Zuganschlüsse entlang der Linie S4. Hierbei ist insbesondere der Ortsbus Kirchberg, Linie488, betroffen“, berichtet die Kreisrätin. „Aber auch in Backnang, Marbach, Ludwigsburg und Stuttgart erreichen Pendler aktuell nicht die planmäßigen Anschlüsse.“
Mehr Güterzüge auf der Strecke?
Nicht nur die Langsamfahrstelle an sich ist Gudrun Wilhelm ein Dorn im Auge. Sie habe außerdem den Eindruck, dass auf der Strecke mehr Güterverkehr stattfinde als vor der Sperrung, was die Situation zusätzlich anspanne. „Nicht nur meinem Eindruck nach“, betont sie. „Diese Einschätzungen teilen viele Bürgerinnen und Bürger.“ Eine Sprecherin der Deutschen Bahn verneinte dies allerdings auf Nachfrage: „Es fahren derzeit nicht mehr Güterzüge als im Frühjahr auf der Strecke.“
Gudrun Wilhelm hofft nun auf eine „politische Intervention“, um die Lage für Bahnreisende zu verbessern. „Zum Schulanfang sind wieder viele Schüler betroffen“, mahnt sie. „Es müsste doch im Interesse des Rems-Murr-Kreises sein, hier kurzfristig die Auswirkungen der Langsamfahrstelle auf die ÖPNV-Nutzer zu minimieren.“
Ob der Einfluss des Landkreises auf die Deutsche Bahn dafür ausreicht? Immerhin ließ sich das Unternehmen auch nicht vom enormen Gegenwind im Hinblick auf die Arbeiten am digitalen Knoten beirren.
Foto: Alexander Becher