Die Lehren aus Solingen
Das Massaker wäre Anlass für eine Kurskorrektur in der Asylpolitik. Schaffen wir das?
Von Eidos Import
Der Fall Issa al H. illustriert in doppelter Hinsicht das Scheitern der deutschen Asylpolitik. Das betrifft sowohl die tatsächlichen Verhältnisse als auch das Versagen bei der Korrektur von Mängeln.
Erstens: Würden die Behörden alle Regularien konsequent verfolgen, hätte sich dem Syrer nicht die Gelegenheit zu einem Massaker in Solingen geboten. Er wäre Asylbewerber in Bulgarien – wegen der dort herrschenden Gastfreundschaft gegenüber seinesgleichen aber vielleicht auch wieder in der Heimat islamistischer Gesinnungsgenossen. Zweitens: Nach der Gräueltat überbieten sich Politiker sämtlicher Parteien in der Präsentation von Vorschlägen, die auf Korrekturen am Asylrecht hinauslaufen. Die Fülle an Vorschlägen lässt auf einen erheblichen Optimierungsbedarf schließen, zudem auf gravierende Versäumnisse bei der Realisierung.
Beides ist Zunder für die anstehenden Wahlen im Osten. Die selbst ernannte Alternative für das Wutbürgertum hätte sich kein besseres Drehbuch ausdenken können. Das Gemetzel selbst, die offenbarte Ohnmacht des Staates wie auch die vor allem verbale Hyperaktivität der etablierten Konkurrenz treiben ihr frustrierte Wähler in die Arme.
Den Kanzler stimmt die Messerstecherei „wütend und zornig“ – womit er ausnahmsweise eine Mehrheit hinter sich hat. Ansonsten will er schneller abschieben, was schon lange versprochen ist, und das Waffenrecht verschärfen. Gegen beides ist nichts einzuwenden. Doch es bedeutet nur ein Kurieren an Symptomen. Kern des Problems ist der Kontrollverlust in der Migrationspolitik. Der Fall Issa al H. dokumentiert das: Der Mann hätte laut EU-Recht gar nicht erst einreisen dürfen und prompt wieder nach Bulgarien zurückgeschickt werden müssen. Seine Abschiebung scheiterte, obwohl er noch nicht einmal untergetaucht war.
Das ist beileibe kein Einzelfall. Etwa ein Viertel der Migranten, die in Deutschland ankommen, wurden anderenorts bereits registriert. Ein Großteil der Versuche, diese Leute wieder in die Nachbarstaaten zu überstellen, die für ihr Asylverfahren zuständig wären, bleibt erfolglos. Allein schon der Umstand, dass jeder dritte Migrant, der in Europa Asyl begehrt, sich in Deutschland niederlässt, offenbart die Schieflage. Attraktivität unter Flüchtlingen ist ein prekärer Standortfaktor.
Schweden war 2015 nach Deutschland europaweit das wichtigste Ziel für Asylbewerber. Nun wandern dort mehr Syrer und andere Flüchtlinge wieder aus als zuziehen. Entscheidender Unterschied: die Konditionen sind nicht annähernd so großzügig wie bei uns. Ist Schweden ein Unrechtsregime?
Es gibt kein Patentrezept gegen einen Zuzug, der die eigene Integrationsfähigkeit notorisch überfordert – aber viele mögliche Stellschrauben, um das deutsche System dem der Nachbarländer (und den eigenen Möglichkeiten) anzugleichen. Beispiel eins: Die Grünen sträuben sich seit 2016 dagegen, die Maghrebstaaten als sichere Herkunftsländer anzuerkennen. 2023 kamen von dort fast 8000 Migranten, von denen nur fünf als asylberechtigt anerkannt wurden.
Beispiel zwei: Wie kann es sein, dass Leute, die behaupten, sie würden verfolgt, just dort ihren Urlaub verbringen, wo ihnen angeblich solche Risiken drohen?
Beispiel drei: Entgegen aller Unkenrufe erweisen sich Grenzkontrollen als höchst effektiv. Ruckzuck hat die Bundespolizei eine fünfstellige Zahl an illegalen Einreisen entdeckt und 1400 Straftäter festgenommen. Was spricht also dagegen, das weiter zu praktizieren, bis es effektive Kontrollen an den EU-Außengrenzen gibt?
Es gäbe viel zu tun. Das zeigen die inflationären Wortmeldungen zu Solingen. Wann, wenn nicht jetzt, wagen wir uns an eine Kurskorrektur, die längst überfällig ist?