Linke im Bundestag
Neue Führung, aber alte Probleme
Heidi Reichinnek und Sören Pellmann sind die neuen Gesichter an der Spitze der linken Gruppe. Sie setzten sich jeweils mit knappsten Mehrheiten durch. Reichinnek gilt manchen in der Partei als Hoffnungsträgerin.
Von Norbert Wallet
Die 35-jährige Heidi Reichinnek und der 47-jährige Sören Pellmann werden künftig die Linkspartei im Deutschen Bundestag führen. Nach dem Austritt des Wagenknecht-Flügels war die linke Fraktion auf 28 Abgeordneten geschmolzen und hatte ihren Fraktionsstatus verloren. Die Abgeordneten bilden nun nur noch eine Gruppe. Und diese Gruppe hat sich am Montagabend eine neue Führung gegeben.
Das ist mehr als eine protokollarische Pflichtübung, denn die Ausgangslage für Linke ist ausgesprochen kompliziert. Seit der Bundestagswahl blieb die Partei in bundesweiten Umfragen zuallermeist unterhalb der Fünfprozentmarke, jedenfalls nie deutlich darüber. Die neue Konkurrenz durch das Wagenknecht-Bündnis macht es der Partei zusätzlich schwer, öffentlich neu an Profil zu gewinnen.
Das Rednerpult des Deutschen Bundestages ist deshalb eine der letzten und damit auch wichtigsten Bühnen der Partei, um bundesweite Aufmerksamkeit zu bekommen und wenigstens gelegentlich Themen eigenständig setzen zu können.
Bekanntes Gesicht verlässt die Bühne
Umso wichtiger für die Partei ist also, die linke Stimme so profiliert zu erheben, dass die linke Position nicht untergeht. Bislang hatte Dietmar Bartsch diese Aufgabe erfüllt. Er hatte dabei auch viel Kritik auszuhalten. Manche, auch alte Weggefährten darunter, hielten ihm vor, viel zu lange am strategischen Bündnis mit der langjährigen Co-Vorsitzenden der Fraktion, Sahra Wagenknecht, festgehalten zu haben. Und unter Bartschs Fraktionsvorsitz wurde das Verhältnis zur Parteiführung frostig bis feindlich. Bartsch hatte jedoch die Gabe, linke Positionen in sendefähige Häppchen herunterzubrechen und war immerhin eines der wenigen prominenten Gesichter der Linkspartei. Nach dem Ende des Fraktionsstatus hatte der 65-jährige Bartschaber erklärt, dass er für eine weitere Amtszeit an der Spitze der linken Bundestagsgruppe nicht mehr zur Verfügung steht.
Das Aufgabenprofil für seine Nachfolger war klar umrissen. Es umfasst vor allem zwei Punkte: Die neue Führung der Linken im Bundestag muss der angeschlagenen Partei erstens Sichtbarkeit verschaffen. Und zweitens muss die Zusammenarbeit mit dem Parteivorstand so konfliktfrei möglich sein, dass die nach dem Austritt der Wagenknecht-Rebellen beschworene neue Geschlossenheit auch glaubwürdig vertreten werden kann.
Dass sich nun mit Heidi Reichinnek (Landesverband Niedersachsen) und Sören Pellmann, der in Leipzig bei der Bundestagswahl ein Direktmandat gewonnen hatte, ausgerechnet ein Duo durchsetzte, das 2022 gegen die dann gewählten Parteivorsitzenden Janine Wissler und Martin Schirdewan angetreten war, sieht allerdings doch nach einem Fortleben alter Konflikte aus. Vor allem in Richtung Wisslers hatte es damals von Reichinnek durchaus scharfe Attacken gegeben.
35-Jährige als Hoffnungsträgerin
Man darf also davon ausgehen, dass der Parteiführung die beiden anderen Bewerber doch näher standen. Der 39-jährige Ates Gürpinar, Ex-Landeschef in Bayern, arbeitet bereits als Bundesgeschäftsführer in der Parteizentrale. Und die vierte Bewerberin, die 37-jährige Migrationspolitikerin Clara Bünger gilt als sachorientiert und pragmatisch. Beide unterlagen in ihren jeweiligen Wahlgängen denkbar knapp mit 13 zu 14 Stimmen. Nach einer neuen Geschlossenheit bei der Linken sieht das eher nicht aus. Am Wochenende war ein Einigungsversuch der Parteiführung gescheitert. Immerhin hieß es, das Gespräch sei „in angenehmer Atmosphäre“ verlaufen, was immerhin einen Traditionsbruch darstellt, wenn es um den Austausch von Partei- und Fraktionsspitze geht.
Reichinnek und Pellmann fühlten sich – zurecht – stark genug, Appelle zu ignorieren, doch einen Bewerber aus dem anderen Flügel der Gruppe im Co-Vorsitz zu akzeptieren. Nun haben beide den gemeinsamen Durchmarsch knapp geschafft. Manche sehen in Heidi Reichinnek, der jüngsten Bundestagsabgeordneten der Linken, eine Hoffnungsträgerin. Sie hatte nicht nur mit pointierten Reden im Bundestag punkten können. Sie vermag es auch, junge Menschen anzusprechen. Ihr frischer Tiktok-Auftritt ist ein unerwarteter Renner. Zunächst wird sie aber zeigen müssen, dass sie die linke Gruppe einen kann.