Die Luxus-Lügnerin
Eine Deutsche soll sich in New York ein Leben in Saus und Braus ermogelt haben
New York /DPA - Abendessen für Tausende Euro. Privatjets. Urlaub in einer Villa für 6200 Euro die Nacht. Glaubt man Berichten über den Lebensstil von Anna Sorokin, könnte man sie für eine reiche Erbin mit Treuhandfonds halten. Aber die Lebensgeschichte der Russin, die im Alter von 16 Jahren nach Deutschland kam, steckte Ermittlern zufolge voller Lügen, mit denen sie das Vertrauen der New Yorker High Society gewann und ihre Opfer um 240 000 Euro betrogen haben soll. Ab diesen Mittwoch steht die mutmaßliche Hochstaplerin vor Gericht.
Die Geschichte der 28-Jährigen, die das „New York Magazine“ 2018 aufdeckte, liest sich wie das Abschlusskapitel im Meisterkurs für Trickbetrüger. Mit einer Kombination aus Lügen, selbstsicherem Auftreten, gefälschten Dokumenten und Ausreden soll sie Bekannte, Hotels, Restaurants und Banken hinters Licht geführt haben. „Sie hatte ein engelhaftes Gesicht mit blauen Augen und Schmollmund“, schreibt Fotoredakteurin Rachel Deloache Williams vom Magazin „Vanity Fair“, die von Sorokin um 55 000 Euro betrogen worden sein soll.
Ihr Kleidungsstil war ein Mix aus Designerstücken, die für Mitglieder der New Yorker Luxusszene zum kleinen Einmaleins gehören, und die Sorokin trug wie Billigware. Gerade dieses „schlampige“ Aussehen habe sie wirken lassen, als sei sie wirklich reich, urteilte die Website „Vice News“. Sorokin trat unter dem Pseudonym Anna Delvey auf. Niemand wusste, woher sie kam oder woher sie das Bargeld hatte, mit dem sie neue Bekannte zu teuren Essen einlud. Sie schien geschickt darin, sich mit den richtigen Leuten an den richtigen Orten zu umgeben. „Treuhandfonds-Kids rennen überall herum. Jeder ist dein bester Freund und du weißt über niemanden etwas wirklich“, sagt Marketingexperte Tommy Saleh, der Sorokin 2013 während der Pariser Modewoche kennenlernte. Der Haken war nur: Anna Delvey gab es nicht, und Sorokin zahlte ihre Rechnungen nicht. Laut Staatsanwaltschaft fälschte sie Schecks, beglich Schulden nicht und legte bei Banken gefälschte Unterlagen vor, um etwa einen Kredit über 20 Millionen Euro zu sichern. Darin gab sie an, über mindestens 60 Millionen Euro zu verfügen. Sie sprach davon, einen Club mit Filialen in Los Angeles, London, Hongkong und Dubai öffnen zu wollen. Zur Höchstform lief Sorokin zwischen November 2016 und August 2017 auf.
Inzwischen sitzt sie im New Yorker Gefängnis Rikers Island ein. Ihr wird mehrfacher schwerer Diebstahl vorgeworfen, im Fall einer Verurteilung droht ihr eine lange Haftstrafe. Unabhängig vom Urteil könnte sie nach Deutschland abgeschoben werden, da sie ihr 90 Tage gültiges Visum bereits überzogen hat. Ob Sorokin Reue spürt? Sicher habe sie einige Dinge falsch gemacht, sagte sie dem „New York Magazine“ – „das mindert aber nicht die hundert Dinge, die ich richtig gemacht habe“.
Der Fall hat längst das Interesse Hollywoods geweckt: Produzentin Shonda Rhimes („Grey’s Anatomy“) will die Geschichte in eine Serie verwandeln, parallel ist ein Film mit Jennifer Lawrence oder Margot Robbie im Gespräch. Womöglich waren die Monate in der High Society nicht ihr letzter Streich: Laut „Variety“ hat Sorokin aus dem Gefängnis Kontakt nach Hollywood, um mit darüber zu entscheiden, wer ihre Rolle spielt. Ihr gehe es darum, auch während ihrer Strafe im Gespräch zu bleiben. Die Website „Mashable“ glaubt: „Es war sicher nicht das letzte Mal, dass wir von der schwer fassbaren Anna Delvey hören.“