Automesse Shanghai

Die Mädchen auf der Motorhaube gehören der Vergangenheit an

Lange Jahre versuchten Autohersteller, Frauen in sexualisierten Outfits als Blickfang zu benutzen. Auch heute noch schwirren junge Frauen auf den Messeständen um die blitzblank polierten Autos – aber in einer gänzlich anderen Rolle.

Diese Influencerin erklärt ihren Followern auf der Messe in Shanghai als Medienvertreterin den elektrischen Mercedes CLA in der Langversion, die dort vorgestellt wurde.

© Klaus Köster

Diese Influencerin erklärt ihren Followern auf der Messe in Shanghai als Medienvertreterin den elektrischen Mercedes CLA in der Langversion, die dort vorgestellt wurde.

Von Klaus Köster

Jahrzehntelang gehörten sie zusammen, als hätten sie etwas miteinander zu tun: Automessen und knapp bekleidete Hostessen, die sich lasziv auf den Fahrzeugen räkeln und die Blicke des zumeist männlichen Publikums auf die Autos lenken sollten. Die Zeiten, da Frauenkörper als Blickfang benutzt wurden, sind allerdings nicht nur in Deutschland vorbei. Auch auf der weltgrößten Automesse, der Auto Shanghai, ist von dieser würdelosen Form der Präsentation nichts mehr übrig geblieben.

Auch heute schwirren in Shanghai junge Frauen auf den Messeständen um die blitzblank polierten Autos, die im gleißenden Scheinwerferlicht vor sich hin funkeln. Sie sind aber kein dekoratives Beiwerk mehr, das den männlichen Besuchern gefallen soll, sondern tragen offizielle Akkreditierungen als Medienvertreterinnen um den Hals und berichten in sich fast überschlagendem Chinesisch über Design, Sitzkomfort und Preise der Autos.

Fast immer sind es junge, stylische Frauen in den Zwanzigern, die vor den Handykameras stehen – gefilmt von Männern, die sich nach der Aufzeichnung sputen müssen, ihren energischen Chefinnen auf dem Weg zur nächsten Firma, der durch dichtes Messegewühl führt, folgen zu können. Andere Influencerinnen machen ihren Job ohne Begleitung und stellen sich einfach vor ein Stativ mit zwei Handys. Das eine filmt, auf dem anderen sind Daten und Fakten zu den Autos zu sehen – und die Live-Reaktionen der Nutzer.

Enorme Reichweiten im Internet

Die digitalen Reichweiten dieser Formate in China sind gigantisch; Spitzen-Influencerinnen erreichen Millionen Follower auf Plattformen wie Weibo (eine Art „X“), Douyin (Chinas TikTok-Ersatz) oder der Kurzvideo-Plattform Kuaishou. Meist senden sie live, oft in interaktiven Formaten, bei denen sie in Echtzeit mit ihrem Publikum diskutieren. Ihre Akkreditierungen für den Zutritt zur Messe unterscheiden sich nicht von denen westlicher Journalisten.

Lange Zeit galt China als Land, auf dessen Automessen Frauenkörper besonders intensiv zur Schau gestellt wurden. Doch ähnlich wie in der Autoindustrie insgesamt trieb China auch hier einen radikalen Wandel voran. Bereits 2015 erließ die Messe Shanghai eine Anweisung an alle Autohersteller, wonach diese für eine „bessere Atmosphäre“ und für ein „geordnetes, sauberes und sicheres Umfeld“ zu sorgen hätten. Die in China vertretenen Herstellern hatten schnell entschlüsselt, was damit gemeint war: Künftig sollten die Autos Aufmerksamkeit erregen, nicht mehr knapp bekleidete Hostessen.

Mercedes: Die Autos sollten die Stars sein

„Ich begrüße das“, erklärte damals der Mercedes-Chinavorstand Hubertus Troska, der das Amt seit Februar zusammen mit Oliver Thöne ausübt und es im Juli nach 13 Jahren ganz an Thöne übergeben wird. „Die Autos sollten die Stars sein.“

Was Jobs als Auto-Hostess für die betreffenden Frauen bedeuten, hat die Berliner Soziologin Tanja Kubes erforscht, die sich an der Freien Universität Berlin mit Gender Studies in Technikberufen beschäftigt. Sie hat für eine Feldstudie nicht nur Frauen in diesem Job befragt, sondern auch selbst als Hostess auf Automessen gearbeitet.

Der harte Job der Auto-Hostessen

„Um dem Bild der schönen, immer lächelnden, sexy Frau dauerhaft gerecht zu werden, müssen Hostessen permanent Emotionsarbeit leisten und eine Reihe spezifischer Körpertechniken erlernen“, schreibt sie. „Die einheitliche Pose (eine Hand in die Hüfte gestützt, Hüfte leicht gekippt, Schultern nach hinten, Brust raus) und der lächelnde Gesichtsausdruck müssen hart antrainiert werden.“ Nur so könnte die Pose „auch dann ausgeführt werden, wenn Rücken und Füße schmerzen“.

Der sexistische Einsatz von Hostessen auf den medial viel beachteten Messen beeinflusse nicht nur gesellschaftliche Vorstellungen von Automobilen und Technik, sondern auch das Bild von Frauen. Sie würden als „schön anzuschauender Gegenpol zur Technik inszeniert“.

China und die Top-Automanagerinnen

Mit ihrem Kurswechsel hat die Messe in Shanghai auf den gesellschaftlichen Wandel nicht nur reagiert, sondern ihn mit vorangetrieben. Heute sind Top-Führungspositionen in Chinas Autobranche mit Frauen besetzt. So wird Xpeng Motors (gesprochen Schaopeng) von Fengying Wang geführt, der 54-jährigen Ex-Chefin des ebenfalls chinesischen Autoherstellers Great Wall Motor.

Xpeng ist nicht irgendein Unternehmen, sondern der Hersteller, an den sich Volkswagen gebunden hat, um gegenüber Chinas technologischem Vorsprung aufholen zu können. Und Chinas Marktführer BYD hat mit Stella Li eine Vizechefin, die die Verantwortung für den enorm wichtigen Marktzugang nach Europa besitzt.

2017: In Kiew posieren zwei Frauen für eine Automarke...

© IMAGO/Pond5 Images

2017: In Kiew posieren zwei Frauen für eine Automarke...

... und 2021 auf dem Autosalon in Bukarest ist es ähnlich.

© IMAGO/Pond5 Images

... und 2021 auf dem Autosalon in Bukarest ist es ähnlich.

Im gleichen Jahr auf der gleichen Messe entstand dieses Bild.

© IMAGO/Dreamstime

Im gleichen Jahr auf der gleichen Messe entstand dieses Bild.

Huawei legt bei seiner Marke Aito auf der gegenwärtigen Messe in Shanghai Wert auf ein betont dezentes Erscheinungsbild...

© Köster

Huawei legt bei seiner Marke Aito auf der gegenwärtigen Messe in Shanghai Wert auf ein betont dezentes Erscheinungsbild...

... ähnlich wie der chinesische Marktführer BYD.

© Köster

... ähnlich wie der chinesische Marktführer BYD.

Bei der Neuen Klasse von BMW lässt sich in Shanghai ein Mann fotografieren.

© Köster

Bei der Neuen Klasse von BMW lässt sich in Shanghai ein Mann fotografieren.

Chinas wichtigste Automanagerin: Die Chefin des Herstellers Xpeng, Fengying Wang (li.). Ihr Unternehmen soll Volkswagen in China wieder in die Spur bringen...

© IMAGO/ABACAPRESS

Chinas wichtigste Automanagerin: Die Chefin des Herstellers Xpeng, Fengying Wang (li.). Ihr Unternehmen soll Volkswagen in China wieder in die Spur bringen...

... während die Vizechefin des chinesischen Marktführers BYD, Stella Li, einen Durchbruch der Marke in Europa erzielen soll.

© IMAGO/Fotoarena

... während die Vizechefin des chinesischen Marktführers BYD, Stella Li, einen Durchbruch der Marke in Europa erzielen soll.

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Erstellt:
27. April 2025, 18:08 Uhr
Aktualisiert:
27. April 2025, 21:55 Uhr

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