Die Polizei trainiert für den schlimmsten Fall

Bedrohungslage im Land hat sich verändert – Auch die hiesige Polizei stellt sich auf extreme Ereignisse ein

Steffen Rommel (links) und Andreas Tellbach glauben, die Polizei im Land ist beim Thema Schutzausstattung gut ausgerüstet. Foto: G. Habermann

© Gabriel Habermann

Steffen Rommel (links) und Andreas Tellbach glauben, die Polizei im Land ist beim Thema Schutzausstattung gut ausgerüstet. Foto: G. Habermann

Von Andrea Wüstholz

WAIBLINGEN. Wie gut ist die Polizei auf extreme Ereignisse wie einen Terroranschlag oder eine Amoktat vorbereitet? Die Antwort fällt höchst unterschiedlich aus – je nachdem, wen man fragt. Führungskräfte bei der Waiblinger Polizei und beim Rettungsdienst zeigen sich – gelinde ausgedrückt – irritiert über harsche Kritik eines jungen Schorndorfer Polizisten. Dominik Riefle, mit 23 Jahren ein Jungspund und noch vergleichsweise unerfahren im Polizeidienst, hatte öffentlich verkündet: Einsatzkräfte seien mitnichten gut genug vorbereitet auf extreme Fälle, und die Ausrüstung der Polizei lasse zu wünschen übrig.

Bei der Polizei reibt man sich verwundert die Augen. Genau darum geht’s doch seit längerem schon in Trainings, in Konferenzen, in Sicherheitsforen, in Tagungen, in der Weiterentwicklung von Konzepten – um die Vorbereitung auf extreme Einsatzlagen. Die Bedrohungslage hat sich verändert in den vergangenen Jahren. Es gab Anschläge in Paris, London oder Berlin. Andreas Tellbach hat sich dem Spezialtraining selbst unterzogen. Als Leiter des Stabsbereichs Einsatz beim Polizeipräsidium Aalen muss er wissen, wie es sich konkret anfühlt, in der schweren Schutzmontur einer extremen Stresssituation ausgesetzt zu sein.

Trainingsgelände ist

das Weinstädter Schönbühl-Areal

Die Polizei nutzt das Weinstädter Schönbühl-Areal für solche Trainings, geschützt vor Blicken Außenstehender. Das ist auch besser so, denn allein schon Fotos vom Training wirken bedrohlich. Aktuell fehlt es laut Steffen Rommel, dem Leiter des Einsatztrainings beim Polizeipräsidium Aalen, an weiteren geeigneten Orten für solche Übungen. Zum Beispiel ausgediente Kasernen kämen infrage. Eins von Rommels Zielen im Training ist es, „das Stresslevel so weit wie möglich der Realität anzunähern“. Nach dem Amoklauf in Winnenden 2009 wurden Konzeptionen für Trainings erarbeitet. Man hat sie im Lauf der Jahre erweitert und fortgeschrieben. Es dauert nur ein paar Minuten, dann vergisst man während eines solchen Trainings, dass es sich „nur“ um eine Übung handelt, erzählt Andreas Tellbach. Seine Kollegen werden im Falle einer lebensbedrohlichen Einsatzlage im Rems-Murr-Kreis als Erste intervenieren müssen – bis die Sondereinsatzkommandos anrücken.

Rettungskräfte trainieren seit vielen Jahren zusammen mit der Polizei, berichtet Ralf Lochmann, der stellvertretende Leiter des Rettungsdienstes beim Roten Kreuz im Rems-Murr-Kreis. Im Ernstfall sitzt immer jemand vom Rettungsdienst und von der Feuerwehr mit im Stab. „Wir sind immer ins Geschehen eingebunden. Das ist nicht nur in der Theorie so. Das wird auch in der Praxis gelebt“, betont Lochmann. Im Ernstfall muss klar sein, wer wann wo und wie agiert. Die Polizei hat den Hut auf und legt fest, wo die Grenze der roten Zone verläuft. Rote Zone heißt: Nur die Polizei darf hinein, weil sich zum Beispiel dort noch ein bewaffneter Täter aufhalten könnte. Rettungskräfte haben dann – zunächst – keinen Zutritt. Das ist ganz schwer auszuhalten. Es sterben dort vielleicht Menschen, denen man noch hätte helfen können. „Täterneutralisierung“, so nennen sie das, hat aber in solch einem Fall „erste Priorität“, erklärt Steffen Rommel: „Das ist eine sehr schwere ethische Frage“; Einsatzkräfte befassen sich in den Trainings auch mit diesem Aspekt. Mit welcher Ausrüstung Polizisten Dienst tun, entscheiden letztlich die Bundesländer. Ob die hiesige Polizei nun gut, mittel oder schlecht ausgestattet ist – das kommt drauf an, aus welchem Blickwinkel man’s betrachtet und welche politischen Interessen sich hinter Beurteilungen verbergen. Steffen Rommel sieht die Polizei in Baden-Württemberg „mit ganz vorne“, was die Schutzausstattung angeht. Zusätzlich zur normalen Schutzweste stehen seit einiger Zeit Ausrüstungen zur Verfügung, die zum Schutz bei Beschuss mit militärischen Waffen vorgesehen sind. Aufgerüstet hat die Polizei – das aber erst seit kurzem – bei den Erste-Hilfe-Sets. Es sind jetzt zwei pro Streifenwagen vorhanden, sodass jeder Beamte im Einsatz das Set am Gürtel bei sich tragen kann. Um solche Fragen wird hart gerungen: Wie viele Sets braucht die Polizei, was müssen die Sets enthalten – und wär’s nicht besser, gleich jeden Beamten mit einem eigenen Notfallrucksack auszustatten? „Wir sind Polizisten, keine Notfallsanitäter“, begründet Tellbach, weshalb Notfallsets für die Polizei nicht nur vorhanden, sondern auch „handhabungssicher“ sein müssen.

Die Polizei kann und muss natürlich Erste Hilfe leisten, sofern der Einsatz es erlaubt oder erfordert. Es gab schon öfter Fälle, da kamen Notfallsets zum Einsatz; etwa nach einem Arbeitsunfall oder an einem Unfallort, wenn die Polizei als Erste da ist.

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Erstellt:
28. August 2018, 06:00 Uhr

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