Bauernkrieg im Jahr 1525

Die Schneckenhäuser waren eine Schikane zu viel

Vor 500 Jahren begann in Süddeutschland der Bauernkrieg. Zehntausende kamen dabei ums Leben, mehrere Tausend wurde zudem hingerichtet. Dass es überhaupt so weit kam, hatte auch mit einem außergewöhnlichen Befehl zu tun.

Außenfassade der Kramerzunft in Memmingen: Die Malerei zeigt zwei bewaffnete Bauern, den Prediger Christoph Schappeler und den  Feldschreiber des Baltringer Haufens, Sebastian Lotzer.

© Frank Schwaibold

Außenfassade der Kramerzunft in Memmingen: Die Malerei zeigt zwei bewaffnete Bauern, den Prediger Christoph Schappeler und den Feldschreiber des Baltringer Haufens, Sebastian Lotzer.

Von Frank Schwaibold

Als im Winter 2023/24 die Landwirte in Deutschland auf die Straße gehen, sind ihre „Waffen“ die Traktoren. Sogar Autobahnauffahrten werden blockiert, die Berufspendler kommen nur im Schneckentempo voran. Der wütende Protest richtet sich gegen die Landwirtschaftspolitik der EU und im Bund sowie gegen eine überbordende Bürokratie. Der Aufstand ist hitzig, aber blutig wird es nicht.

Knapp 500 Jahre zuvor war das anders. Mehr als 70 000 Tote gab es in den Schlachten des Bauernkriegs, berichtet der Historiker Christian Pantle, der von „Europas größtem Aufstand vor der französischen Revolution“ spricht. Mehrere tausend Bauern und Bürger wurden zudem hingerichtet. Und der deutsche Südwesten spielte dabei eine entscheidende Rolle.

Die Schneckenhäuser waren eine Schikane zu viel

Nahe der deutsch-schweizerischen Grenze nimmt alles seinen Anfang. Der Funke, der den Bauernkrieg entzündet, ist laut Pantle „ein nichtiger Anlass“. Die Gräfin von Schloss Hohenlupfen im heutigen Landkreis Waldshut löst ihn aus. Sie befiehlt im Juni 1524 ihren Bauern, Schneckenhäuser zu sammeln. Die Mägde der Gräfin sollen Garn an den leeren Schneckenhäusern aufwickeln. Doch es ist Sommer, und die Stühlinger Bauern bringen gerade ihre Ernte ein. Und nun sollen sie alles stehen und liegen lassen? Das ist eine Schikane zu viel. Anstatt zu gehorchen, greifen sie zu den Waffen und ziehen gemeinsam zum Schloss. Sie verlangen, dass sie nur solche Frondienste leisten müssen, zu denen sie urkundlich verpflichtet sind, und nicht, wie sie später beklagen, „alles tun sollen, was sie uns sagen, als wären wir geborene Knechte“.

Doch die erste Aufwallung legt sich, und bis Ende 1524 verbreitet sich die Bauernerhebung eher friedlich. Den Bauern liegt wenig an gewalttätigen Aufständen. Sie wollen vielmehr auf Augenhöhe mit den Herrschenden verhandeln, um bessere Arbeitsbedingungen durchzusetzen. Aber das erweist sich als schwierig. So nimmt die Protestbewegung immer mehr Fahrt auf. Anfang 1525 formieren sich drei Rebellenheere: der Baltringer Haufen, der Allgäuer Haufen und der Bodensee Haufen. In Memmingen, der Grenzstadt zwischen Bayern und Baden-Württemberg, verbünden sich die drei Haufen. Ihre 50 Abgeordneten versammeln sich in der Altstadt im Haus der Kramerzunft, um ihre Forderungen in den sogenannten Zwölf Artikeln festzulegen. Eine zentrale Forderung ist die Abschaffung der Leibeigenschaft. Und auch die Stühlinger Bauernerhebung lässt grüßen: Denn außervertragliche Frondienste sollen nicht zugelassen sein. Sogar den Pfarrer soll man abwählen dürfen, wenn dieser sich ungebührlich verhält. In den Zwölf Artikeln stecke auch der „reformatorische Geist von Martin Luther“, sagt der Historiker Marco Veronesi, seines Zeichens Kurator am Landesmuseum Württemberg.

Politische Premiere für das Flugblatt

Noch heute ist dieser historische Akt in Memmingen für jedermann sichtbar. An der Außenfassade der Kramerzunft, ein großes rötliches Gebäude, ist eine auffallende Malerei angebracht. Sie zeigt zwei bewaffnete Bauern sowie den Prediger Christoph Schappeler und den Memminger Kürschnergesellen und Feldschreiber des Baltringer Haufens, Sebastian Lotzer. Er gilt laut Pantle als federführender Autor der Zwölf Artikel, und der Pfarrer Schappeler unterstützt ihn tatkräftig.

Den Bauern kommt entgegen, dass Johannes Gutenberg gut 80 Jahre zuvor den Buchdruck erfunden hatte. So geben die Landwirte ihre Zwölf Artikel in Augsburg in Druck. Sie gehören somit zu den Ersten, die das neue Massenmedium Flugblatt für politische Zwecke einsetzen. Die Flugschrift verbreitet sich rasend schnell. Binnen zwei Monaten wird das Manifest in 14 weiteren Städten noch 27-mal gedruckt: darunter sind Zürich, Straßburg, Konstanz, Speyer, Worms, Reutlingen, Regensburg, Würzburg, Nürnberg, Forchheim, Erfurt, Zwickau, Magdeburg und Breslau im heutigen Polen. Die Gesamtauflage beträgt 25 000 Exemplare. Pantle: „Das war für die damaligen Verhältnisse eine ungeheuer hohe Zahl.“

Das Programm der Aufständischen kursiert vor allem in Süd- und Mitteldeutschland. An den verschiedensten Orten formieren sich „wie aus dem Nichts Bauern-Haufen, die sich auf die Zwölf Artikel berufen“, berichtet Pantle. Peter Blickle, ein weiterer Historiker, ist sicher: „Den Bauernkrieg von 1525 hätte es in dieser Art ohne die Zwölf Artikel nicht gegeben!“. Auch Karl Milz, der Vorsitzende des Heimatbundes Allgäu, weiß: „In jedem Ort im Allgäu waren Proteste!“. Die Obrigkeit ist alarmiert, und ernennt Georg Truchsess von Waldburg zum Obersten Feldhauptmann des Schwäbischen Bundes. Zu diesem Bündnis gehören Österreich, Bayern, Baden, die Pfalz, Mainz und Hessen. Der Marschbefehl für den Truchsess lautet: erstens den aufkeimenden Bauernaufstand zu ersticken, und zweitens den abgesetzten Herzog Ulrich von Württemberg daran hindern, das Herzogtum Württemberg zurückzuerobern. Denn das gehört seit 1520 den Habsburgern.

Der Truchsess, auch Bauernjörg genannt, leistet ganze Arbeit. Gleich in der ersten Schlacht des Bauernkriegs bei Leipheim im April 1525 schlägt er die Landwirte vernichtend. Tausende lassen ihr Leben. Noch im selben Monat erreicht der Aufstand Thüringen, einen Monat später weitet er sich auf Südtirol aus. Schon am 25. April 1525 nehmen die Württemberger Rebellen Stuttgart ein. Fortan regiert der Gastwirt Martin Feuerbacher das Land. Im Mai tobt dann bei Böblingen die Schlacht um Württemberg. Zunehmend zeigt sich: Die Bauern sind den Truppen des Truchsesses unterlegen. Mitte Juli naht das Ende. Nachdem der brutal vorgehende Bauernjörg schon im Frühjahr den Baltringer Haufen besiegt hat, schließt er mit den „Seebauern“ im westlichen Allgäu und in Oberschwaben ein Stillhalteabkommen, den sogenannten Weingartner Vertrag. Damit ist auch dieser Gegner „ausgeschalten“. Und der oberste Heeresführer Waldburg-Zeil kann sich dem letzten der drei großen Bauernzusammenschlüsse zuwenden: dem Allgäuer Haufen.

Im Juli 1525 kommt er mit seinem Heer auf die Ebene zwischen Woringen und Wolfertschwenden. Hier wartet er mit seinen Truppen, denn die Entscheidungsschlacht bei Leubas steht bevor. Der Großteil der Bauern verschanzt sich auf der anderen Seite an den Hügeln oberhalb von Kempten. Das Heer des Truchsesses umfasst gut 6000 Landsknechte und 1500 Reiter und trifft auf etwa 3000 Aufständische. Zunächst schlagen sich die Bauern tapfer, doch dann greift der Bauernjörg zu Terror-Methoden. Zuerst lässt er das Dorf Leubas niederbrennen, und auch der weitere Weg wird zu einem einzigen Fackelzug. Auf nur neun Kilometern Strecke gehen 200 Höfe in Flammen auf. Als die Aufständischen das sehen, sind sie endgültig demoralisiert und geben auf. Als letztes Widerstandsnest kapituliert im Dezember 2025 schließlich Waldshut. Und somit „endet der Bauernkrieg dort, wo er begonnen hatte“, resümiert Pantle.

500 Jahre sind die Ereignisse nun her. Heute bewerten Historiker den Bauernkrieg als die Zeit, als der Geist der Freiheit das Allgäu erfasst hat. Die Zwölf Artikel von Memmingen gelten vielen als erste Menschenrechtserklärung in Europa. Wie martialisch es damals auf den Schlachtfeldern zugegangen ist, symbolisiert das Kunstwerk „Lanzenfeld“ von Raimund Schlucht, einem Künstler aus Berlin. Er hat 75 abstrakte, bis zu vier Meter hohe Lanzen bei Wolfertschwenden ins Erdreich gesteckt. Bedrohlich, wie in militärisch anmutender Formation, ragen die Spitzen zum Himmel. „Jede einzelne Lanze verkörpert die Gewalt, mit der die Freiheitskämpfer verfolgt wurden“, sagt Regina Gropper vom Memminger Stadtmuseum. Schulkinder durften die Lanzen mit ihren Gedanken zum Thema Krieg beschriften. Am häufigsten findet man darauf zwei Wörter: Freiheit und Frieden.

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Erstellt:
3. Februar 2025, 12:36 Uhr

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