Die Stadt Backnang will 88 Millionen Euro investieren

Der sehr ambitionierte Investitionsplan für die Jahre 2024 bis 2027 sieht auch eine drastische Zunahme der Verschuldung vor. Allein 2024 sollen neue Kredite in Höhe von 24,4 Millionen Euro aufgenommen werden. Einige Stadträte bezweifeln, dass alle Projekte umgesetzt werden können.

Das Investitionsprogramm enthält jede Menge größerer und kleinerer Projekte, die der Öffentlichkeit nicht in jedem Fall bewusst sind. So muss etwa die Stadtteilgeschäftsstelle Steinbach saniert werden. Die Kosten dafür summieren sich auf 1,7 Millionen Euro. Foto: Tobias Sellmaier

© Tobias Sellmaier

Das Investitionsprogramm enthält jede Menge größerer und kleinerer Projekte, die der Öffentlichkeit nicht in jedem Fall bewusst sind. So muss etwa die Stadtteilgeschäftsstelle Steinbach saniert werden. Die Kosten dafür summieren sich auf 1,7 Millionen Euro. Foto: Tobias Sellmaier

Von Matthias Nothstein

Backnang. Die Konjunktur schwächelt. In der Region, in Deutschland, europaweit. Die Ursachen sind vielfältig. Trotzdem oder gerade deshalb gibt die Stadt Backnang Vollgas bei all jenen Projekten, die sie in der Hand hat. Das Investitionsprogramm der Jahre 2024 bis 2027 sieht daher ein Volumen von über 88 Millionen Euro vor. Davon entfallen alleine auf das Jahr 2024 knapp 41 Millionen Euro, was Oberbürgermeister Maximilian Friedrich zufolge einem neuen Rekordwert entspricht. Bei der Vorstellung des Investitionsprogramms im Gemeinderat sagte der Rathauschef: „Die Gelder sollen in erster Linie für die Fertigstellung und Fortsetzung von wichtigen Maßnahmen zur strategischen Stärkung des Standorts Backnang verwendet werden.“

Zwei Projekte ragen hierbei heraus: die geplante Fertigstellung der neuen KarlEuerle-Halle und die Stadtbrücke mit rund zehn Millionen Euro. Weitere Aufgaben sind die Fortsetzung der Schulbausanierung und Schuldigitalisierung sowie der Ausbau und Erhalt der kommunalen Verkehrsinfrastruktur. So werden für Straßen, Radwege und Brücken neun Millionen Euro eingeplant. Weitere Schwerpunkte liegen in der energetischen Sanierung und Erweiterung von Verwaltungsgebäuden und in der konsequenten Digitalisierung städtischer Dienstleistungen und Angebote.

Die Kosten für den Hochwasserschutz summieren sich auf 9,6 Millionen Euro

Während Friedrich die Investitionen in den Hochwasserschutz nur mit einem Satz erwähnte, ging Kämmerer Alexander Zipf detaillierter auf die Herausforderungen auf diesem Gebiet ein. So geht es mit dem Hochwasserrückhaltebecken Brunnenwiesen vor den Toren Strümpfelbachs nun scheinbar voran. 2,8 Millionen Euro investiert die Stadt auf diesem Gebiet und freut sich über 1,68 Millionen Euro Zuschüsse. Auch für den Hochwasserschutz im Stadtgebiet werden im nächsten und übernächsten Jahr nochmals 3,5 Millionen Euro aufgewendet. Zählt man noch die Umlage für den Wasserverband Murrtal mit über zwei Millionen Euro bis 2027 und die Kosten für das Rückhaltebecken Seehau mit 1,2 Millionen Euro dazu, so summieren sich die gesamten Baukosten auf 9,6 Millionen Euro, „eine große Hausnummer“, so Zipf. Wobei es auch 4,8 Millionen Euro Zuschüsse gibt.

Siglinde Lohrmann (SPD), die Ortsvorsteherin aus Strümpfelbach, hegte Zweifel, dass es mit dem Becken Brunnenwiesen wirklich weitergeht: „Darf ich das glauben? Das Gleiche habe ich letztes Jahr schon einmal gehört. Muss ich mir das nächstes Jahr wieder anhören?“ Doch Erster Bürgermeister Stefan Setzer ließ die Schuld an den Verzögerungen nicht alleine auf den Schultern der Stadtverwaltung ruhen: „Die Planung war sehr aufwendig, aber auch die Verhandlungen mit den Grundstückseigentümern. Aber jetzt gehen wir von einem Baubeginn im Frühjahr 2024 aus, das ist unser fester Wille.“ Bei diesem Thema erwähnte Setzer erstmals an diesem Abend das Problem der fehlenden Kapazitäten. Die begrenzten Ressourcen – wirtschaftlich und personell – sollten im Laufe der Vorstellung des Programms und der Aussprache mehrmals thematisiert werden. Deshalb bat Setzer auch um Verständnis, dass das Becken Seehau noch nicht den gleichen Planungsstand habe: „Wir müssen Prioritäten setzen.“ Immerhin soll es laut Plan auch mit dem Bau dieses Beckens 2025 losgehen.

Der Finanzzwischenbericht 2023 gibt Anlass zur Freude

Was bedeutet all dies für das Stadtsäckel? Kämmerer Zipf gab zuerst einen kurzen Finanzzwischenbericht für das laufende Jahr und hatte dabei Grund zur Freude: „Die Verbesserungen sind deutlich höher als die Verschlechterungen.“ Statt des geplanten Haushaltdefizits von 4,8 Millionen Euro ist aktuell ein Überschuss von 4,2 Millionen Euro zu erwarten. Für 2023 ist voraussichtlich auch keine Kreditaufnahme nötig. Mehr noch: Die Stadt kann bei der Gewerbesteuer 6,6 Millionen Euro Mehreinnahmen einplanen. Da dies nicht zur lahmenden Konjunktur passt, hakte Gerhard Ketterer (CDU) nach: „Handelt es sich hier um Einmaleffekte?“ Zipf erklärte: „Das sind zumeist Nachzahlungen aus der Coronazeit.“

Das laufende Jahr scheint sich also erfreulich zu entwickeln. Was aber bringt die Zukunft? Friedrich verwies auf die Krise rund um den Krieg in der Ukraine. Und auf die Folgen: hohe Inflation, gestiegenes Zinsniveau, hohe Tarifabschlüsse, geschwächtes Wachstum. Gleichzeitig erklärte er: „Als Kommune sind wir zur Stabilität des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts verpflichtet, antizyklisch zu handeln und somit die Wirtschaft in Zeiten einer lahmenden Konjunktur durch hohe Investitionen zu stützen. Die stabil positiven Jahresabschlüsse in der Vergangenheit, die erneut zu erwartenden Rekordeinnahmen bei der Gewerbesteuer in 2023 und die sehr niedrige Verschuldung des städtischen Haushalts schaffen hierfür die notwendigen finanziellen Spielräume.“

Apropos Schulden: Zur Finanzierung der notwendigen Investitionen sind im kommenden Jahr Kreditneuaufnahmen von 24,4 Millionen Euro vorgesehen. Der Betrag ist deshalb so hoch, weil Kredite aus der Vergangenheit nicht aufgenommen werden mussten und nun erneut veranschlagt werden. OB Friedrich ist zufrieden: „Ohne diesen Sondereffekt liegt die bereinigte Kreditermächtigungen für 2024 bei knapp 15 Millionen Euro und damit auf dem Niveau der Vorjahre.“ Laut Planung summieren sich die Schulden zum Jahresende 2027 auf fast 54 Millionen Euro. Wobei sich alle – Verwaltung und Stadträte – einig waren, dass es so schlimm nicht kommen wird, da viele Projekte trotz ihres Erscheinens im Investitionsprogramm nicht im anvisierten Zeitraum realisiert werden.

Die Ratskollegen sollen die Planung „nicht ganz so arg ernst nehmen“

Heinz Franke (SPD) fasste dies in Worte und erntete mit seinem Einwand, „wir sollten dieses Investitionsprogramm nicht ganz so arg ernst nehmen“, bei der Verwaltung Heiterkeit und Widerspruch in einem. Franke relativierte sogleich: „Das Programm nicht ernst nehmen – nicht, weil es nicht notwendig ist, sondern weil es nicht leistbar ist.“ Der Sozialdemokrat erklärte weiter: „Uns ging es in der Vergangenheit nur deshalb so gut, weil wir viele Aufgaben vor uns hergeschoben haben. Wir schieben und schieben und schieben und haben jetzt eine riesige Bugwelle vor uns.“ Auch Ute Ulfert (CDU) fragte sich angesichts des Riesenprogramms, wie viel Prozent der Gesamtaufgaben die Stadt am Ende wohl erledigen könne. Ulfert: „Ich kann mir vorstellen, dass es schwierig wird, das alles umzusetzen.“ Ein Problem bei der Bewältigung all der Herausforderungen ist der Personalmangel. Deshalb betonte Siglinde Lohrmann zum Ende der Debatte die Bedeutung der personellen Ausstattung: „Die Personalstellen müssen aufgestockt werden und die Personalgewinnung muss einen Schwerpunkt darstellen. Sonst können wir all die genannten Projekte gar nicht umsetzen.“

Da in dem umfassenden Investitionsprogramm selbst kleinste Projekte aufgelistet worden sind, irritierte es Heinz Franke ganz besonders, dass das städtische Engagement in Sachen B-14-Anschlussstelle Backnang-Süd nirgends Erwähnung fand. Der Heininger hakte nach: „Hat sich die Stadt von dem zweiten Knoten im Bereich Heinrich-Hertz-Straße/Spritnase schon verabschiedet?“ Wie berichtet hatte das Regierungspräsidium erklärt, es sehe keinen Anlass, die bestehende Planung zu ändern. Nun sagte OB Friedrich: „Dieses Thema wird in einer der nächsten Sitzungen beraten.“

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Erstellt:
2. Oktober 2023, 06:00 Uhr

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