Die Täter kamen an Halloween

Vor mehr als hundert Tagen wurde die Frau eines norwegischen Millionärs entführt – Jetzt kommt Bewegung in den Fall

Nach der Entführung von Anne-Elisabeth Falkevik Hagen am 31. Oktober 2018 gab es lange kein Lebenszeichen von der 68-Jährigen. Kürzlich haben sich die Täter gemeldet.

Oslo Vielleicht klopften sie einfach an ihre Haustür wie verkleidete Kinder, die Süßigkeiten haben möchten. An Halloween, 31. Oktober 2018, entführten Unbekannte die 68-jährige Millionärsgattin Anne-Elisabeth Falkevik Hagen aus ihrem Anwesen an einem See östlich von Oslo. Die als professionell eingestuften Entführer hinterließen einen in mangelhaftem Norwegisch geschriebenen Brief, in dem sie eine Lösesumme von neun Millionen Euro forderten. Die sollte über das Internet in einer Kryptowährung anonym ausgezahlt werden.

Weil die Entführer in den Folgemonaten kein Lebenszeichen von Anne-Elisabeth, wie sie schlicht in Landesmedien genannt wird, übermittelten, weigerte sich ihr Mann Tom Hagen (68) bisher zu zahlen – gemäß dem Rat der Polizei. Das letzte Mal sprach ein Familienmitglied mit der dreifachen Mutter am Telefon am Tag der Entführung. „Es ist besorgniserregend, dass weder die Familie noch die Polizei einen Beweis dafür erhalten haben, dass Anne-Elisabeth noch am Leben ist“, so Polizeikommissar Tommy Brøske. „Die Familie ist verzweifelt. Es ist schlimm, mit der Ungewissheit zu leben“, sagte auch Tom Hagens Anwalt Svein Holden kürzlich.

Nun hofft die Familie wieder. Nach einem ersten verschlüsselten Internetkontakt am 24. Januar ist in den vergangenen Tagen eine neue Nachricht der Entführer auf einer anderen Internetplattform eingegangen. Die eigne sich besser als die zuerst genutzte, so die Polizei. Sowohl die Familie als auch die Polizei wurden von den Entführern so kontaktiert.

Laut dem Sender NRK unterbreiten die Entführer „einen Vorschlag“, was für ein Lebenszeichen der Entführten auf welche Weise übermittelt werden könnte. „Das könnte ein Anruf von Anne-Elisabeth sein, eine E-Mail mit Bild. Wichtig ist, dass das Datum bestimmt werden kann und beweist, dass sie lebt“, erklärt Tommy Brøske. Sobald ein Lebenszeichen vorliege, werde die Familie daran arbeiten, „Anne-Elisabeth sicher und schnell heimzubringen“, betont auch der Familienanwalt gegenüber NRK.

Als Anne-Elisabeth sich als Teenager in Tom Hagen verliebte und ihn mit 19 heiratete, konnte sie nicht ahnen, dass er zu einem der reichsten Männer des Landes aufsteigen würde. Heute nimmt der Grundstücks- und Energiemagnat Platz 172 unter den 400 reichsten Norwegern ein. Er besitzt ein Nettovermögen von umgerechnet 174 Millionen Euro, gemäß norwegischem Gesetz müssen solche Vermögen öffentlich gemacht werden. Im auf Gleichheit bedachten Nordland leben auch die Reichsten ohne verschlossene Gartentore und Personenschutz. So war auch das Haus der 68-Jährigen, ein recht bescheidenes Anwesen am See Langvannet, 20 Kilometer östlich der Hauptstadt Oslo im Örtchen Lørenskog, frei zugänglich.

Sollte die Polizei eingeschaltet werden, würde man Anne-Elisabeth umbringen, warnten die Entführer in dem hinterlassenen Brief. Ihr Ehemann alarmierte sie trotzdem. Vor der Öffentlichkeit hielt man die Entführung jedoch bis zum 9. Januar geheim. Ermittlungen wurden nur diskret durchgeführt. Polizisten erschienen in zivil. Sämtliche Nachbarn wurden nicht vor Ort, sondern im Revier verhört. Als nach 71 Tagen keine Lösung in Sicht war, wendete sich die Polizei an die Medien.

Zwei Videoüberwachungsaufnahmen vom unweit entfernten Büro des Millionärs wurden veröffentlicht. Darauf sind zwei Personen zu sehen. Doch trotz mehr als 1000 Tipps aus der Bevölkerung konnten sie nicht identifiziert werden. Weil einer der Männer in der Videoaufnahme telefonierte, soll die Polizei laut der Zeitung „Aftenposten“ versucht haben, mithilfe der genauen Uhrzeit das Telefonat und damit die Person ausfindig zu machen. „Ich kann bestätigen, dass elektronische Spuren ein wichtiger Teil der Ermittlungen sind“, sagte Tommy Brøske dem Blatt kürzlich. Auch forderte er die Öffentlichkeit auf, Ausschau nach verdächtigen Männern zu halten, die Frauenartikel in Geschäften kaufen – in Norwegen und im Ausland. Auch der See vor dem Haus der Entführten wurde genauestens untersucht. Von einem verdächtigen Angler war zeitweise die Rede. „Gegenstände“ sollen gefunden worden sein, die die Polizei untersuche.

Jetzt hat sich der norwegische Staranwalt John Christian Elden zu Wort gemeldet: Er fordert, dass die Justiz den Entführern Straffreiheit zusichert, wenn diese bereit dazu sind, Anne-Elisabeth Falkevik Hagen freizulassen. Das sei schließlich die einzige Möglichkeit, um sie noch lebend zurückzubekommen. Der Rechtsstaat dürfe sich nicht derart beugen, meinen andere Experten.

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Erstellt:
18. Februar 2019, 03:04 Uhr

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