Einkaufsstraße in Mailand
Die teuerste Shoppingmeile der Welt
Die Via Montenapoleone in Mailand ist die teuerste Einkaufsstraße der Welt – mit Folgen: Traditionslokale können sich die Mieten nicht mehr leisten.
Von Gerhard Bläske
Die Mailänder Luxusmeile Via Montenapoleone ist die teuerste Einkaufsstraße der Welt. Das behauptet zumindest das amerikanische Immobilienberatungs-Unternehmen Cushman Wakefield. Die schmale Edelmeile in der Nähe der Mailänder Oper Scala hat damit die New Yorker 5th Avenue und auch Pariser Shopping-Meilen wie die Champs-Elysées oder die Rue du Faubourg Saint-Honoré hinter sich gelassen.
Eine Luxusboutique reiht sich in der engen Straße und in den umliegenden Gassen bis zur Via della Spiga und der Via Alessandro Manzoni an die andere. In der Weihnachtszeit überbieten sich die Mode-, Uhren-, Schmuck-, Design- und Glasläden geradezu mit aufwendigen Schaufensterdekorationen und Lichtinstallationen. Schön anzuschauen ist das für die vielen Touristen und Einheimischen sicherlich. Aber ist das auch gut für Mailand? Sicher, die Luxusboutiquen ziehen Gäste aus nah und fern an, die dort einkaufen und viel Geld liegen lassen. Und auch die Vermieter der Läden profitieren. Doch die nicht nur im Quadrilatero della Moda rasant angestiegenen Mieten vertreiben immer mehr Alteingesessene aus dem Zentrum Mailands in die Vororte.
Großzügige Steuerregelungen
Zu den massiven Preissteigerungen in der boomenden italienischen Wirtschaftshauptstadt beigetragen haben auch großzügige Steuerregelungen für vermögende Zuzügler aus dem Ausland. Vor allem gut verdienende Manager aus der Finanzwelt hat es nach Mailand gezogen. Überall schießen neue Immobilienprojekte aus dem Boden. Während die Preise für Wohnobjekte massiv angezogen haben, sind die Einkommen der Italiener in den vergangenen 20 Jahren im Durchschnitt um sieben Prozent gesunken. Die vielen Airbnbs und anderen Privatunterkünfte mit den überall angebrachten Schlüsselboxen, die sich mit einem Code öffnen lassen, um den Schlüssel herauszuholen, verknappen das Wohnungsangebot zusätzlich. Die Regierung in Rom verlangt jetzt, dass Vermieter die Gäste künftig persönlich empfangen und die Dokumente prüfen.
Vor allem im Centro, im malerischen Brera-Viertel und im Navigli-Viertel, dem Zentrum des Nachtlebens, wird die Situation für Normalverdiener immer unerträglicher. Die Veränderungen werden auch äußerlich deutlicher sichtbar. Kinos, Theater und Bars schließen, weil sie sich die hohen Mieten nicht mehr leisten können. Selbst Traditionslokale wie das Boeucc an der reizvollen Piazza Belgioiosa, eine Institution der Stadt, machen zu. Das Pandenus am Largo La Foppa hat schon zugesperrt. Das Swiss Corner an der Piazza Cavour wirft ebenfalls das Handtuch.
Das frühere Industrie- und Arbeiterviertel um die im Mittelalter angelegten Navigli, Kanäle, über die einst Baumaterialien und andere Waren nach Mailand transportiert wurden, ist längst von der Entwicklung erfasst worden. Seit vielen Jahren ist es ein Hotspot des Nachtlebens.
Armani und Deloitte
Viele Mode- und Designunternehmen, schicke Läden, Boutique-Hotels, das Museum Mudec und Gallerien sind nicht weit davon beheimatet. In der Via Tortona hat der Modemacher Giorgio Armani, der gleich um die Ecke sein sehr sehenswertes Museum Armani Silos hat, gerade von dem amerikanischen Immobilienkonzern Hines einen neunstöckigen Glaspalast erworben, in dem bisher die italienische Dependance der Management- und Strategieberatung Deloitte ihren Sitz hatte. Geplant ist, hier einen Treffpunkt für die Mode-, Design- und Tech-Szene der umliegenden Straßen zu schaffen. „Dieses Mailänder Viertel wird immer mehr zum place to be für diejenigen, die sich für Innovationen, Design und Mode interessieren“, sagt dazu Mario Abbadessa, Italien-Chef von Hines.
Protestaktionen gegen die zunehmende Gentrifizierung nehmen nicht nur in Mailand zu. Denn Normalverdiener oder Studenten finden einfach keinen bezahlbaren Wohnraum mehr. Und auch das soziale Klima verschärft sich. Die Kriminalität wächst.
Praktisch täglich gibt es vor allem in den Vororten der Stadt Auseinandersetzungen mit Messerstechereien und Schlägereien. So genannte „Baby gangs“, Banden mit oft sehr jungen Jugendlichen mit Migrationshintergrund, machen mit Diebstählen oder brutalen Raubüberfällen die Straßen unsicher. Das sind die Schattenseiten des Glanzes der Luxuswelt.