Rapperin Shirin David

Die ungreifbare Selbstdarstellerin

Sie provoziert und eckt an – mit ihrem Aussehen, ihren Werbedeals, ihren Songtexten. Die Rapperin Shirin David ist trotz ihrer Omnipräsenz auf den Bildschirmen der Generation Z schwer greifbar. Und wirft die Frage auf, was Feminismus im Jahr 2025 bedeutet.

Work in progress: Die Kunstfigur Shirin David ist noch unvollkommen.

© Anton Schmidt-Wünkhaus

Work in progress: Die Kunstfigur Shirin David ist noch unvollkommen.

Von Luisa Rombach

Shirin David veröffentlicht Musik und schafft es damit direkt auf Platz eins der deutschen Charts. Das ist inzwischen bei ihr schon fast selbstverständlich und vor wenigen Wochen, als sie ihr drittes Album „Schlau aber blond“ herausbrachte, wieder so passiert. Mittlerweile ebenfalls normal ist die damit einhergehende öffentliche Debatte über die Rapperin.

In den Kommentarspalten unter dem Youtube-Video zu Shirin Davids Sommerhit „Bauch, Beine, Po“ etwa geht es hoch her. „Mein Beileid an alle Frauen, die solch eine Frau als Heldin ansehen“, schreibt ein Nutzer. „Königin der Doppelmoral“, kommentiert ein anderer. Sechs Wochen hielt sich der Song im vergangenen Sommer an der Spitze der deutschen Charts. Zeilen wie „Iced Matcha Latte, zu spät beim Pilates, Küsschen links, Küsschen rechts, ich trag’ heute was Scharfes“ haben sich ins kollektive Gedächtnis der Generationen Z und Alpha gebrannt.

Wenig emanzipiert oder Ironie?

Im Musikvideo, das inzwischen mehr als 24 Millionen Mal aufgerufen wurde, tanzt die Deutschrapperin perfekt gestylt im Regen, rekelt sich dabei lasziv. „Geh’ ins Gymmie, werde skinny, mach’ daraus eine Show“, singt die 29-Jährige. Zeilen, die sie zusammen mit sechs männlichen Songwritern geschrieben hat und die wenig emanzipiert klingen. Ist das ernst gemeint oder Ironie? Diese Interpretation überlässt die Rapperin den Zuschauern.

Das passt zu der Kunstfigur, die die Musikerin seit Jahren sorgfältig kreiert und vermarktet. Mit sieben Nummer eins Hits in Deutschland – mehr als jede andere Künstlerin – ist sie damit längst im Mainstream angekommen. Besonders bei jungen Mädchen ist Shirin David beliebt.

Keine Erziehungsbeauftragte, aber Feministin?

Die Verantwortung, die mit ihrem Erfolg einhergeht, erkennt sie nicht an. In einem Interview auf dem Youtube-Kanal stellt sie klar: „Ich bin nicht die Erziehungsbeauftragte von Kindern.“ Wie beeinflussbar ihre sieben Millionen Instagramfollower, darunter viele junge Mädchen, die ihre Lieder, ihren Eistee und ihre Inhalte in den sozialen Medien konsumieren, sind, ignoriert Shirin David und erntet dafür Kritik in den sozialen Medien.

Doch es gibt auch Momente, in denen sie besonders der Generation Z aus der Seele spricht und dafür gefeiert wird. Etwa, als sie 2023 bei „Wetten, dass . .?“ bei Thomas Gottschalk auf der Couch saß. Dieser kommentierte, man würde Shirin David ihre Liebe zu klassischer Musik gar nicht ansehen. „Warum denn nicht? Weil ich gut aussehe?“, konterte sie und gab dem Moderator daraufhin einen Crashkurs in Sachen Feminismus.

Diese Ambivalenz zwischen Hype und Kritik beschreibt die Existenz der Shirin David in der deutschen Öffentlichkeit gut. Für ihre zahlreichen Schönheitsoperationen, aus denen die Rapperin nie ein Geheimnis gemacht hat, wird sie oft kritisiert. Ein Umstand, mit dem sie sich nur wegen ihres Geschlechts herumschlagen muss und der doch Fragen aufwirft.

Wie feministisch ist es, mit dem eigenen Aussehen unerreichbare Schönheitsideale zu propagieren, wenn man von minderjährige Mädchen bewundert wird? Oder bedeutet Feminismus, dass alle Frauen so aussehen dürfen, wie sie möchten, ohne dafür kritisiert zu werden? Selbst wenn dieses Aussehen mithilfe von Operationen entstanden ist und wie ein Rückschritt in längst vergangen geglaubte Zeiten wirkt? Shirin David, deren bürgerlicher Name Barbara Schirin Davidavicius lautet, ist unbequem, besonders für all jene, die die Welt gerne schwarz-weiß sehen. Sie passt nicht recht ins Bild einer fortschrittlichen Feministin. Mit Echtpelz und einer Kooperation mit der Fast-Food-Kette McDonalds hat sie in den sozialen Medien teils heftige Diskussionen um ihre Person ausgelöst. Und doch scheint sie vollkommen die Kontrolle über ihr eigenes Narrativ zu haben. Die Fettnäpfchen, in die sie zielsicher mit bedenkenswerter Regelmäßigkeit tritt, könnten deshalb auch schlicht Kalkül sein.

Fettnäpfchen oder Kalkül?

Schließlich ist in einer Zeit der immer kürzer werdenden Aufmerksamkeitsspannen jeder Moment im Fokus der Gesellschaft willkommen. Die Musik tritt dabei in den Hintergrund. Sie wirkt wie nur eins der Produkte, die der Marke Shirin David zu noch mehr Erfolg verhelfen sollen. Kürzlich zierte die Musikerin das Cover der deutschen Ausgabe des Forbes-Magazin und inszenierte sich im Interview als Unternehmerin. „Ich will mir ein Imperium aufbauen – es gibt noch so viele Bereiche, die ich erobern möchte“, heißt es da unter anderem.

Dabei ist Shirin David schon jetzt mächtig. Nicht als Deutschrapperin – da gibt es andere, die größere Hallen füllen als sie. Doch niemand prägt den öffentlichen Diskurs mit ihren Songtexten und ihrer Selbstdarstellung wie die gebürtige Hamburgerin. In ihrem Lied „Orbit“, singt sie: „Ich will die Welt, was sie auch kostet“. Ob sie damit nun eine Heldin oder doch die Königin der Doppelmoral ist, bleibt fraglich.

Shirin David

PersonShirin David wurde 1995 als Barbara Schirin Davidavicius in Hamburg geboren. Ihre Mutter ist Litauerin, ihr Vater stammt aus dem Iran. Schon als Mädchen lernte Shirin David, Klavier, Geige und Oboe zu spielen und nahm Ballettunterricht.

KarriereIhre Karriere begann auf der Internetplattform Youtube, wo sie Videos zu Themen wie Make-up veröffentlichte. 2017 saß sie in der Jury der Castingshow „Deutschland sucht den Superstar“, später bei „The Voice of Germany“. Ihr Debütalbum „Supersize“ schaffte es 2019 auf Platz eins der deutschen Charts. Mit „DirTea“ brachte sie 2021 ihre eigene Eisteemarke heraus, 2025 soll eine Kosmetiklinie folgen.

Tournee Ihre „Schlau aber blond“-Tour führt sie im Frühjahr in zwölf deutsche Städte und nach Österreich. Am 25. April spielt sie in der Stuttgarter Schleyer-Halle.

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Erstellt:
10. März 2025, 17:06 Uhr
Aktualisiert:
11. März 2025, 17:49 Uhr

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