Die VVS-Preiserhöhung soll früher kommen

Bereits ab September kosten die Tickets durchschnittlich 7,5 Prozent mehr. Betroffen sind davon vor allem Gelegenheitsfahrer – wer das Deutschlandticket hat, ist fein raus. Unter den Kreisräten sorgt die Erhöhung für rege Diskussionen.

Wer sich nur ab und zu ein Ticket holt, muss wohl ab September tiefer in die Tasche greifen. Foto: Alexander Becher

© Alexander Becher

Wer sich nur ab und zu ein Ticket holt, muss wohl ab September tiefer in die Tasche greifen. Foto: Alexander Becher

Von Peter Schwarz und Lorena Greppo

Rems-Murr. Auf die Bahn sind in der Region die meisten Menschen derzeit nicht besonders gut zu sprechen. Baustellen, Sperrungen, Ausfälle: Die S-Bahn wird immer unberechenbarer. Die VVS-Ticket-Preise aber steigen in diesem Jahr besonders früh besonders steil. Das stellte Dirk Dietz, Abteilungsleiter Tarif beim VVS, in der jüngsten Sitzung des Umwelt- und Verkehrsausschusses im Kreistag vor. Im Jahr 2023 hat der Verkehrsverbund Stuttgart die Ticketpreise bereits zum 1. Januar erhöht, um 4,9 Prozent. Er folgte dabei einem üblichen Prozedere: Immer zum Jahresanfang gehts hoch. Nun will der VVS die Tickets schon wieder teurer machen – ab dem 1. September um weitere 7,5 Prozent. „Es gibt angenehmere Botschaften“, befand auch Dietz. Er fügte an: Es handele sich nicht um „wollen“, sondern um „müssen“ – „sonst wäre das System als Ganzes so nicht finanzierbar“. Es könnte, heißt es in einer Sitzungsvorlage des Landratsamts, obendrein sein, dass mit „etwaigen weiteren notwendigen Tarifanpassungen in 2024“ zu rechnen ist.

Der Aufschlag ergibt sich immer aus der rückwirkenden Betrachtung – und 2022 schlug eben die Explosion bei den Energiepreisen voll ins Kontor, vom Kraftstoff bis zum Bahnstrom. Der VVS hat festgestellt, dass die Verkehrsunternehmen 2022 gegenüber 2021 mit einer Kostensteigerung von 14,9 Prozent zu kämpfen hatten. 2023 griff dann zwar die Strompreisbremse, auch der Benzinpreis sank – dafür treiben nun Tariferhöhungen im öffentlichen Dienst und bei den Busunternehmen die Personalkosten hoch. So gesehen fällt der 7,5-Prozent-Sprung beim Ticketpreis sogar zu kurz aus – eine noch drastischere Verteuerung wäre aber „im Augenblick nicht marktgerecht“, heißt es in einer Sitzungsvorlage des Landratsamts. 7,5 Prozent mehr hingegen, das bewege sich „im Rahmen der aktuellen allgemeinen Inflationsrate“.

Für 70 Prozent der Nutzerhat die Erhöhung keine Auswirkung

Was sowohl Dirk Dietz als auch Landrat Richard Sigel hervorheben: Den Großteil der Fahrgäste treffe die Erhöhung gar nicht. Auf das Deutschlandticket (49-Euro-Ticket) wirke sie sich nämlich nicht aus. Dieses habe im Gegenteil für alle, die regelmäßig den ÖPNV nutzen, „erhebliche Preissenkungen“ gebracht, sagte Dietz. Gut 70 Prozent der Fahrten im VVS werden aktuell mit dem Deutschlandticket und mit dem Jugendticket BW absolviert. Die Preiserhöhung treffe also nur den „Gelegenheitsverkehr“ beziehungsweise etwa 30 Prozent der Kundschaft, sagt Dietz.

Abgemachte Sache also? Mitnichten. Einige Mitglieder des Ausschusses hatten zu dieser Angelegenheit noch ein deutliches Wort zu sagen. „Ich bin teils sprachlos über die Zahlen und Begründungen“, sagte beispielsweise Juliana Eusebi (Grüne). Eine weitere Erhöhung in so kurzer Zeit sei nicht zumutbar – zumal die hiesigen ÖPNV-Nutzer schon durch den Schienenersatzverkehr belastet sind. „Das wäre für die Fahrgäste nicht nachvollziehbar“, sagte sie. Fehlende Infrastruktur, unzuverlässige Informationen und Angebote – es gebe genügend Argumente, um gegen die Erhöhung zu stimmen, befand die Kreisrätin und tat am Ende auch genau das. In die gleiche Kerbe schlug Klaus Riedel (SPD): Auf den VVS könne man sich angesichts all der Nöte – Störungen, Verspätungen, Zugausfälle – „definitiv nicht mehr verlassen“. Der Verkehrsverbund könne seine „Werbekampagnen im Grunde genommen alle einstampfen“.

Er brachte noch einen weiteren Aspekt vor: Was passiert, wenn das Gremium gegen die Erhöhung votiert? Um die Erhöhung zu stoppen, müsste eine Mehrheit in der VVS-Gesellschafterversammlung – in der die Stadt Stuttgart und die fünf Landkreise Böblingen, Göppingen, Ludwigsburg, Esslingen und Rems-Murr vertreten sind – ihr Veto einlegen. Eine Rems-Murr-Meuterei allein bliebe also völlig folgenlos. Aber nicht genug: Würde die Ticketpreiserhöhung gestoppt, müssten diejenigen Kreise, die ihr Ja verweigert haben, aus eigener Kasse den Verkehrsunternehmen das fehlende Geld zahlen. Für den Rems-Murr-Kreis wären das mehrere Millionen Euro pro Jahr. Das komme einer Drohung, fast schon einer Erpressung gleich, urteilte Riedel.

Trotz einiger Gegenstimmenvotiert das Gremium am Ende dafür

Aufhalten konnten aber weder Grüne noch SPD, die sich in der Mehrheit gegen die Erhöhung aussprachen, die Zustimmung. 13 Jastimmen reichten, um die sechs Gegenstimmen und drei Enthaltungen zu überbieten. Es werde gerne vergessen, dass die Tarifreform 2019 eine deutliche Preisreduzierung gebracht habe, hob Ulrich Scheurer (CDU) hervor. Ulrich Lenk (FDP-FW) merkte an, dass in den vergangenen Jahren sehr viel für den ÖPNV getan worden sei. Das trete hinsichtlich der aktuellen Mängel bei der Bahn in den Hintergrund. „Wenn man mehr Leistungen möchte und einen Ausbau will, muss man dafür sorgen, dass Einnahmen da sind.“ Maximilian Friedrich (Freie Wähler) startete einen Versuch, die Debatte zu versachlichen: „Bestehende Verträge sind zu halten.“ Was bei manchen Grundsatzentscheidungen schiefgegangen ist, „werden wir hier und heute nicht ändern“.

Wie teuer werden die Tickets?

Idee Der Aufschlag von 7,5 Prozent soll sich weitgehend gleichmäßig auf alle Ticketarten auswirken. Das ist aber nicht exakt möglich, wenn man Rundungen auf volle zehn Cent anpeilt. Dazu zwei Beispiele:

1. Beispiel Einzelticket Erwachsene:

Kurzstrecke: 1,80 Euro statt bisher 1,70

1 Zone: 3,10 Euro statt bisher 2,90

2 Zonen: 4,00 Euro statt bisher 3,70

3 Zonen: 5,20 Euro statt bisher 4,80

4 Zonen: 6,40 Euro statt bisher 5,90

5 Zonen: 7,80 Euro statt bisher 7,20

6 Zonen: 9,00 Euro statt bisher 8,40

Ganzes Netz: 10,00 Euro statt bisher 9,30

2. Beispiel Vierertickets Erwachsene:

1 Zone: 11,80 Euro statt bisher 11,00

2 Zonen: 14,60 Euro statt bisher 13,50

3 Zonen: 19,40 Euro statt bisher 18,10

4 Zonen: 23,90 Euro statt bisher 22,20

5 Zonen: 29,20 Euro statt bisher 27,20

6 Zonen: 34,00 Euro statt bisher 31,80

Ganzes Netz: 37,70 Euro statt 35,40

Alle Tickets Der Aufschlag zwischen sechs und acht Prozent gilt für auch alles andere, von Kinder- über Tages- und Gruppen- bis zu Wochen- oder Monatstickets.

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Erstellt:
6. Juli 2023, 06:00 Uhr

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