Die Zacke feiert 140. Geburtstag
Die Zahnradbahn zählt seit 140 Jahren zu den Stuttgarter Attraktionen. Sie ist nicht nur ein unverzichtbares Nahverkehrsmittel,sondern immer auch schon ein Touristenmagnet – heute mehr denn je. Am 5. Oktober steigt das Jubiläumsfest.
Von Uli Nagel
Stuttgart - Am 23. August 1884 war die Zahnradbahn nach einer Rekordbauzeit von gerade einmal drei Monaten eröffnet worden. Damals starteten die Züge noch in der ersten Talstation, die heute als Fahrzeugdepot dient und durch das Theater Rampe, welches das gleiche Gebäude nutzt, bekannt ist. In den vergangenen 140 Jahren hat sich Stuttgart nicht nur städtebaulich drastisch verändert, natürlich auch die Zahnradbahn selbst. Eines ist dagegen gleich geblieben: Damals wie heute bildete der Tourismus eine wichtige Zielgruppe für die Bahnverbindung. Das sieht auch Stuttgarts OB Frank Nopper so. „Wenn es die Zacke nicht gäbe, müsste man sie erfinden“, so der Stuttgarter Rathaus-Chef, für den es dafür vor allem einen Grund gibt: „Schöner als von der Zacke aus kann man Stuttgart auf der Schiene gar nicht erleben.“
Für den Betrieb ist seit mehr als 100 Jahren die Stuttgarter Straßenbahnen AG (SSB) zuständig. „Sie gehört zu Stuttgart wie der Fernsehturm“, sagt Thomas Moser. Für den Vorstandssprecher und Technischen Vorstand der SSB ist die Zahnradbahn längst ein Wahrzeichen der Landeshauptstadt geworden.
Die Zahnradbahn verbindet den Marienplatz im Stuttgarter Süden mit dem Ortszentrum des Stadtbezirks Degerloch. Auf nur rund zwei Kilometer Länge bewältigt sie über 200 Meter Höhenunterschied mit einer maximalen Steigung von rund 18 Prozent. Auch wenn an beiden Endpunkten direkter Anschluss an das Netz der Stadtbahn der SSB und deren Buslinien besteht, ist die Zahnradbahn auch für den Binnenverkehr zwischen den beiden Stadtbezirken wichtig – und natürlich für die Anlieger, die entlang dem steilen Streckenverlauf wohnen.
Abfahrt der Bahn ist alle 15 Minuten, die Fahrt selbst dauert zehn Minuten. Die Bahn fährt täglich von etwa fünf Uhr morgens bis 21 Uhr am Abend, dann verkehrt ein Kleinbus. Mit dem Fahrplanwechsel ab Mitte Dezember 2024 wird die abendliche Betriebszeit auf Wunsch der kommunalen Gremien um zwei Stunden verlängert allerdings nur probeweise. Auf der Zahnradbahn gilt das reguläre Ticketangebot des Verkehrs- und Tarifverbundes Stuttgart (VVS). Somit kann die Steilstrecke auch mit dem Deutschlandticket genutzt werden. Die einfache Fahrt zum VVS-Tarif kostet heute 3,30 Euro.
Die Fahrt ist kurz, aber sehr abwechslungsreich und optisch ein Genuss. Der Schienenstrang windet sich – teils als „Straßenbahn“ – meist entlang der sehr steilen Alten Weinsteige in die Höhe. Einen schönen Anblick bieten dabei die historischen Gebäude der ältesten mittelalterlichen Straße im Stuttgarter Süden. Fast intim geht es mitten durch grüne Hausgärten und im Zentimeterabstand an Hoftoren vorbei – doch die Zahnradbahn fährt nichtsehr schnell und die Anwohner sind auf den Bahnverkehr längst eingespielt. Zumal die Zahnradbahn vor über fünf Generationen schon unterwegs war, bevor entlang den Gleisen überhaupt die ersten Häuser gebaut wurden. Und die „herrliche Aussicht über den Thalkessel“ lobten schon im Jahr 1884 zur Eröffnung die Gazetten.
Um die Zacken ranken sich natürlich viele Geschichten und Anekdoten. So etwa, dass der Vorvorgänger der heute stadtbahngelben Zacke, der 1884 den Berg in das Bauerndorf Degerloch hinauf dampfte, vor allem Arbeiter, Briefe und Milchkannen transportierte. Durch die moderne Verbindung kam Degerloch damals, wegen der mühsamen Anreise einst weitab vom Schuss, kurzfristig sogar zu Kurortehren.
Dabei war die Bahn von ihrem Erbauer, dem Esslinger Fabrikanten Emil Keßler, eigentlich nur als Musterstrecke für die neue Bergbahntechnik gedacht. Keßler hoffte, dadurch an Folgeaufträge für seine Lokomotivenfabrik zu gelangen. Und beinahe hätte schwäbische Sparsamkeit der schwäbischen Tüftelei auch den Garaus gemacht. Denn zu Beginn der Bahnära gingen viele Degerlocher dennoch weiterhin zu Fuß, um sich das Fahrgeld zu sparen.
Doch allein die Touristen konnten die Strecke kaum finanzieren, obwohl der Baustoffhändler und Zacke-Mitbegründer Carl Kühn 1886 oberhalb der Stadt eigens einen Aussichtsturm erbauen ließ. Bis dessen Spitze 1943 gesprengt wurde, um feindlichen Flugzeugen keinen Orientierungspunkt zu geben, stand er an der Ecke Nägelestraße/Hainbuchenweg.
Dennoch hat sich die Zacke etabliert und war während des Wirtschaftswunders nach dem Zweiten Weltkrieg die am stärksten ausgelastete SSB-Linie mit mehr als 10 000 Fahrgästen pro Tag. Heute sind es „nur“ noch rund 2500. Dennoch ist die Zacke immer noch die kürzeste und schnellste Verbindung im ÖPNV zwischen der südlichen Innenstadt und der Filderhöhe. Im Jahr 2022 beschaffte die SSB beim Hersteller Stadler Rail in der Schweiz drei neue Fahrzeugeinheiten, die mit originalem Degerlocher Wein auf die Namen der Wohnquartiere Weinsteige, Degerloch und Haigst getauft wurden.
Da man bei der städtischen Tochter großen Wert auf Tradition legt und stolz auf ihre lange Geschichte ist, wird der 140. Geburtstag am Samstag, 5. Oktober, mit einem kleinen Zacke-Fest gefeiert. Ort ist die Historische Wagenhalle der Zahnradbahn in der Filderstraße 47/Ecke Alte Weinsteige in Stuttgart Süd, wo die Fahrzeuge nach Dienstschluss übernachten.
Mitarbeiter der SSB führen durch die Werkstatt und erläutern Geschichte und Technik der traditionellen Verkehrsverbindung. Für Modellbahnfans oder Stuttgart-Liebhaber wird das betriebsfähige Miniaturmodell der Zahnradbahn präsentiert. Der Eintritt zum Jubiläumsfest kostet nichts, doch wegen der begrenzten Zahl der Plätze bei der Hocketse und zu den Führungen muss man sich anmelden unter www.ssb-ag.de/140-jahre-zacke oder über die Telefonnummer 0711/7885-2104.