Die Zukunft hat einen Namen: Bauhaus

Das Modell Bauhaus ist 100 Jahre nach der Gründung noch ein Mutmacher – auch in Stuttgart

Gerade fünf Jahre existiert das 1919 in ­Weimar eröffnete Bauhaus als Staatliche Hochschule, in Dessau folgen acht Jahre als Bauhaus GmbH, und in Berlin erlebt das nun gänzlich private Bauhaus nur wenige Monate bis zur Schließung durch die Nationalsozialisten. Und doch durchziehen die Bauhaus-Formen- und -Gedankenspuren das 20. Jahrhundert.

Mehr noch: Nun, da 100 Jahre Bauhaus gefeiert werden, scheint „Das Bauhaus“ aktuell wie nie. Kein streitbares, formschönes und widersprüchliches Gestern wird beschworen, sondern ein zukunfts­weisendes Heute. Was geschieht da?

Die Bauhaus-Idee, Experten aus unterschiedlichsten Fachbereichen zusammenzubringen, trifft den Nerv unserer Tage. Der weltweit agierende Stuttgarter Ingenieur und Architekt Werner Sobek sagt zu Recht, dass rapides Bevölkerungswachstum, Migrationsbewegungen und dramatische Klimaveränderungen den Blick nach vorne bestimmen. Sobek sieht „einen eskalierenden Kampf um Ressourcen einerseits , aber auch den Verlust an Privatsphäre durch permanente Datenausspähung“ – und „die sehr wahrscheinliche Chancenlosigkeit des Menschen gegen eine durch Künstliche Intelligenz gesteuerte Lebensumgebung“. Große Kaliber, vor allem aber ein Plädoyer, offene Fragen streitbar anzugehen.

Wie aber stellt man sich dem berühmten „Weiter so“ entgegen? Der Populismus-Verdacht droht ebenso wie der Verweis in die Ecke der Weltverbesserer oder auch die Keule der sozialen Gerechtigkeit. Und diese wird ja zu Recht geschwungen, wenn von Weiterdenken die Rede ist, aber haltlose Klientelpolitik das Ziel bleibt.

„Warum“, fragt Werner Sobek, „ist dieses Nach-vorne-Denken gerade in Deutschland immer noch so verpönt? Weil ein Nach-vorne-Denken auch eine Kritik am Bestehenden und damit eine ungemütliche Selbstkritik beinhalten könnte?“ Vielleicht. Vielleicht aber auch nur, weil man gerade für den Schritt nach vorne gerne weiß, woran man ist.

Diese Sicherheit bietet das Bauhaus. Und dies gleich mehrfach. Als Sinnbild des demokratischen Deutschland, als weltweit exportierter Schrittmacher der Verwendung neuer Materialien, als Pionier disziplinübergreifenden und an der Praxis orientierten Lernens.

Die Gegenwart bietet gute Gründe, die Bauhaus-Ideen als Beschleuniger für erhoffte Zukunftsideen zu nutzen. Der Wohnungs- und Siedlungsbau treibt weiter in die Verkehrung aller Architekturkonzepte, die Warenlogistik grüßt ungebremst aus so absurd überdimensionierten wie gestaltlosen Hallen, und bei Themen wie Mobilität und Digitalisierung rudert jeder in andere Richtungen.

Die Verbeugung vor dem Bauhaus ermöglicht den eigenen Antritt. 100 Jahre nach der Gründung ist das Bauhaus ein Mutmacher für die Zukunft, ist mehr denn je ein Modell. Nicht wegen der Möbelstücke, Lampen und Alltagsgeräte, die das Leben schöner machen. Zum Jubiläum will man zurück an den Bauhaus-Start. Im ganz Großen, aber auch schlicht vor der eigenen Haustür. Auch und gerade in Stuttgart.

„Weissenhof-City“ heißt eine Ausstellung der Staatsgalerie Stuttgart, die von Juni an, wie Kuratorin Alice Koegel sagt, „im Stadtgebiet erkunden will, wie sich Ambitionen von Bauhaus und Moderne weiterdenken und berechtigte Kritik daran für unsere Gegenwart produktiv machen lassen“.

Das Bauhaus-Jubiläum macht ­Utopien wieder denkbar. Gut so.

nikolai.forstbauer@stuttgarter-nachrichten.de

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Erstellt:
12. Januar 2019, 03:14 Uhr

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