Hilfe für Unternehmen

Doping für Europas Wirtschaft

Die EU will Bürokratie abbauen, Unternehmen entlasten und die Wettbewerbsfähigkeit stärken. Die Kommission stellt in Brüssel einen entsprechenden Bericht vor.

Die Autoproduktion zählt zu den wichtigsten Industriezweigen in Europa. Damit das so bleibt, soll die EU etwa durch den Abbau von Bürokratie für die Unternehmen wettbewerbsfähiger werden.

© dpa/Daniel Josling

Die Autoproduktion zählt zu den wichtigsten Industriezweigen in Europa. Damit das so bleibt, soll die EU etwa durch den Abbau von Bürokratie für die Unternehmen wettbewerbsfähiger werden.

Von Knut Krohn

Die erste Analyse klingt alarmierend. Die Zukunft Europas als „wirtschaftliches Kraftzentrum, Investitionsstandort und Produktionszentrum“ stehe auf dem Spiel, ist in einem noch unveröffentlichten 22 Seiten dünnen Papier der EU-Kommission zu lesen. Nötig sei „eine beispiellose Anstrengung“ und ein „dringendes Umdenken“ in der Union. Wie die Wende gelingen soll, will EU-Kommissionschef Ursula von der Leyen am Mittwoch in einem „Kompass für Wettbewerbsfähigkeit“ offiziell vorstellen.

Versprochen wird eine neue Ära der Deregulierung und ein drastischer Bürokratieabbau. Vor allem bei den Umweltvorschriften für die Unternehmen soll kräftig aufgeräumt werden. „Die EU muss sich jetzt darauf konzentrieren, was für ihren künftigen Wohlstand und ihre Wettbewerbsfähigkeit entscheidend sein wird“, heißt es in dem Entwurf. Geplant sind aber auch massive öffentliche Investitionen in zukunftsträchtige KI-Projekte. Das solle dafür sorgen, dass die EU bei technischen Neuheiten nicht noch weiter den Anschluss an die führenden Nationen verliere. So will Brüssel etwa sogenannte Megafabriken für Künstliche Intelligenz aufbauen, die von Forschern und der Industrie zum Training ihrer Anwendungen genutzt werden können. Zum Vergleich: in den USA haben Unternehmen angekündigt, in den nächsten Jahren 500 Milliarden Euro in die Entwicklung von Künstlicher Intelligenz zu pumpen.

Europas Firmen bei Ausschreibungen bevorzugen

Geplant ist auch, angesichts des bisweilen sehr aggressiven Vorgehens der Konkurrenz aus China und den USA, europäische Unternehmen bei öffentlichen Ausschreibungen in Zukunft zu bevorzugen. „In einem Kontext, in dem andere wichtige Akteure den Zugang zu ihren Märkten beschränken und versuchen, die Produktion von kritischen Technologien zu erhöhen, muss Europa seine eigenen Kapazitäten schützen“, heißt es in dem Entwurf.

Betont wird von der EU-Kommission, dass das Papier nicht das Ende des Green Deals bedeute, den ehrgeizigen Umbau Europas zu einem klimaneutralen Kontinent. Deutlich wird allerdings, dass zum Wohle des Industriestandorts einige klimapolitischen Ambitionen deutlich zurückgeschraubt werden. So sollen etwa die jüngst eingeführten Berichtspflichten für Unternehmen deutlich entschärft werden. Das zielt vor allem auf die kleinen und mittleren Firmen, die seit Jahren unter der überbordenden Bürokratie stöhnen. Dazu will die Kommission für sie eine neue Definition einführen, nach der sie nicht mehr zu den großen Unternehmen zählen und folglich in vielen Bereichen von der Berichtspflicht verschont bleiben.

Unternehmen blicken skeptisch auf die Pläne

Die Wirtschaft reagiert allerdings eher zurückhaltend auf das Papier aus Brüssel. „Pläne und vollmundige Ankündigungen zum Bürokratieabbau hat es schon viele gegeben“, kritisiert Rainer Kirchdörfer, Vorstand der Stiftung Familienunternehmen und Politik. Die erklärte Absicht der EU-Kommission, die Berichtspflichten um 25 Prozent reduzieren zu wollen, sei fast zwei Jahre alt. „Passiert ist in dieser Zeit das genaue Gegenteil – die Bürokratie hat in der Unternehmenspraxis weiter massiv zugenommen“, sagt Rainer Kirchdörfer.

Die EU-Kommission will solche Bedenken allerdings zerstreuen und hat für Ende Februar die Präsentation des bereits mehrfach angekündigten „Omnibus-Gesetzes“ angekündigt. Darin sollen die Berichte in den Bereichen EU-Lieferkettengesetz, Nachhaltigkeitsberichterstattung und EU-Taxonomie gebündelt werden. Während die Wirtschaft den Vorschlag vehement begrüßt, warnen die Sozialdemokraten im Europaparlament vor dem Missbrauch dieses Instruments. Das „Omnibus-Gesetz“ könne beim Abbau der Bürokratie sinnvoll eingesetzt werden, betont der SPD-Europaabgeordnete René Repasi, die Vorschläge dürften aber nicht auf Kosten der Arbeitnehmer oder der Umwelt gehen.

Kommission will europäische Industriepolitik

Viele der Ideen aus dem „Kompass für Wettbewerbsfähigkeit“ sind allerdings nicht neu. Sie wurden bereits in den hochgelobten Berichten von Mario Draghi und Enrico Letta zur Wirtschaft Europas herausgearbeitet. Konkret umgesetzt wurde von deren zentralen Forderungen in den vergangenen Monaten bisher allerdings nichts. So wird von Ursula von der Leyen etwa der Draghi-Vorschlag aufgegriffen, die Industriepolitik auf europäischer Ebene viel stärker zu koordinieren. Viele Länder – allen voran Deutschland - stemmen sich allerdings vehement gegen zu tiefe Eingriffe in ihre nationale Wirtschaftspolitik. Wohl aus diesem Grund wird im Wirtschaftskompass der EU-Kommission vorgeschlagen, die verstärkte Zusammenarbeit vorerst auf einige Pilot-Bereiche zu beschränken. Genannt werden Stromnetze- und Speicher, die digitale Infrastruktur oder die Produktion kritischer Medikamente.

Auch bei der Forderung nach höheren Investitionen zum Ausbau der europäischen Wettbewerbsfähigkeit liegt Ursula von der Leyen auf einer Linie mit dem Bericht von Mario Draghi. Der Italiener sieht einen Bedarf bei rund 800 Milliarden Euro, um vor allem mit den USA mitzuhalten. Die Kommission will noch in diesem Jahr den Vorschlag zu einem „Wettbewerbsfähigkeitsfonds“ machen. Konkrete Ideen, woher das Geld kommen soll, präsentieren aber weder Mario Draghi noch Ursula von der Leyen.

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Erstellt:
28. Januar 2025, 16:24 Uhr

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