Drogenhandel auf Profi-Niveau

Ein 31-jähriger Stuttgarter soll in großem Stil die Einfuhr von Kokain und Marihuana nach Deutschland organisiert haben.

Von Sebastian Steegmüller

Stuttgart - „Ein Kilogramm Kokain gleich vier Jahre Haft, das sei der übliche Tarif“, sagte Staatsanwalt Johannes Kienle am Dienstagvormittag in seinem Plädoyer. Hätte man diesen Maßstab auch bei einem 31-Jährigen angesetzt, der sich vor dem Landgericht Stuttgart wegen Drogenhandels verantworten musste, wäre er wohl bis zu seinem Lebensende hinter Gittern gesessen. Letztlich wurde er jedoch bereits am dritten Prozesstag zu einer Haftstrafe von sieben Jahren und zehn Monaten verurteilt.

Ein Grund: Die 22 Einzelstraftaten, die sich laut Gericht in einem engen zeitlichen Rahmen ereigneten, wurden zusammengefasst. Zudem hat der Angeklagte ein umfassendes Geständnis abgelegt und so den Prozess erheblich verkürzt. Zwischen Mai 2020 und Februar 2021 soll er im Raum Stuttgart mit 18,5 Kilogramm Kokain und rund 275 Kilogramm Marihuana gehandelt haben. „Das ist schon Champions League-Niveau“, sagte Richter Rainer Gless in der Urteilsbegründung. Mit einem 47-jährigen Komplizen soll er sogar mehr als das Doppelte an Kokain umgeschlagen haben. Der Einkaufspreis belief sich pro Kilo je nach Qualität auf 29 000 bis 35 500 Euro, verkauft wurde es wohl für bis zu 10 000 Euro mehr. Bei Marihuana war die Gewinnspanne wohl nicht ganz so hoch.

Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der Angeklagte, der in Bad Cannstatt aufgewachsen ist und offenbar Kontakte bis nach Kolumbien hatte, die Drogen im europäischen Ausland, meist Belgien oder Holland, eingekauft und mithilfe von Kurierfahrern nach Deutschland gebracht hat. In Stuttgart soll sich dann ein 47-jähriger Komplize um die Qualitätskontrolle und die Weiterverteilung gekümmert haben. Sein „Geschäftspartner“, der am Dienstagvormittag als Zeuge in Saal 9 geladen war, ist bereits im vergangenen Frühjahr in einem gesonderten Verfahren zu acht Jahren und sechs Monaten Haft verurteilt worden. Die Taten hatte er damals eingeräumt, zu Hintermännern und Abnehmern der Drogen äußerte er sich aber nicht. Auch der 31-jährige Angeklagte, der keine abgeschlossene Berufsausbildung hat und sich bis zu Beginn der Coronakrise offenbar mit Gelegenheitsjobs durchschlug, schwieg in diesem Punkt.

Auf die Spur der beiden Männer sind offenbar französische Ermittler gekommen. Ihnen soll es gelungen sein, im Rahmen der Operation „Vanilla“ den als abhörsicher geltenden Server Sky ECC zu hacken und die darüber versendeten Nachrichten – teils in Echtzeit – mitzulesen. Obwohl sowohl der Angeklagte als auch sein „Geschäftspartner“ anonyme Benutzernamen wie Saturn oder Hannibal nutzten, konnten die beiden über die geschriebenen Inhalte offenbar eindeutig identifiziert werden. Dementsprechend sind die Geständnisse keine Überraschung.

Im Rahmen einer Verständigung hatte die Staatsanwaltschaft acht Jahre Haft gefordert, Verteidiger Hans Bense siebeneinhalb. In seinem Schlusswort kritisierte er den Vorschlag der Anklage, die Einziehung eines Wertersatzes in Höhe von mehr als 1,7 Millionen Euro anzuordnen. Offenbar geht er davon aus, dass sein Mandant durch den Drogenhandel nicht annähernd solch einen Ertrag erwirtschaftet und auch keine Rücklagen gebildet hat. Das Gericht folgte der Forderung aber. „Wie soll das ein Mensch mit legaler Arbeit abbezahlen? Wenn er straffrei leben will, wird er es nie schaffen“, sagt der Anwalt. Ebendas strebt der 31-Jährige aber an, wie er in seinem Schlusswort betonte. Zugleich bat er den Richter um eine Verlegung in die Justizvollzugsanstalt Freiburg. „Meines Wissens nach kann ich in Baden-Württemberg nur dort das Abitur machen.“

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Erstellt:
19. September 2024, 22:06 Uhr
Aktualisiert:
20. September 2024, 21:57 Uhr

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