E-Autos bedrohen Jobs im Südwesten
Studie: Bei Herstellern von Antriebstechnik ist bis 2030 jeder zweite Arbeitsplatz gefährdet
Stuttgart Der zunehmende Absatz von Elektroautos könnte nach einer neuen Studie im Auftrag der Landesagentur E-Mobil BW bis zum Ende des nächsten Jahrzehnts fast die Hälfte aller Arbeitsplätze bei den baden-württembergischen Herstellern von Antriebstechnik gefährden. Nach dieser Untersuchung, die an diesem Montag veröffentlicht wird und unserer Zeitung vorab vorliegt, könnten unter dem Strich bis zu 31 200 von 69 600 Stellen bei Herstellern von Motoren oder Komponenten rund um den Verbrenner, wie etwa Getriebe oder Abgasanlagen, von dem technischen Umbruch betroffen sein. Dabei wird schon gegengerechnet, dass in diesen Unternehmen 7900 Arbeitsplätze durch die Produktion von neuen Komponenten für Elektromotoren entstehen könnten.
Elektroantriebe bringen viel weniger Beschäftigung, weil sie deutlich einfacher aufgebaut sind. Beim Elektroauto sind es nach einer früheren Untersuchung rund 200 Teile, beim Kraftfahrzeug mit Verbrennungsmotor bestehen Motor und Getriebe dagegen auf rund 1400 Teilen. Wichtigste Komponenten des Elektroantriebs sind der Motor, die Batterie und die Leistungselektronik.
Die Wissenschaftler haben in ihrer Studie zwei Szenarien durchgerechnet, die sich etwa darin unterscheiden, wie stark die Hersteller ihre Fabriken für die Produktion von E-Mobilen ausbauen und wie schnell das Netz der Ladesäulen ausgebaut wird. Ob das Elektroauto zum Renner wird, hängt auch davon ab, wie schnell die Batteriekosten sinken. Neben dem progressiven Szenario, bei dem fast Hälfte der Stellen betroffen ist, haben sie eine moderate Entwicklung dieser Rahmenbedingungen untersucht. In diesem Fall wären 13 700 Stellen oder etwa jeder fünfte Arbeitsplatz in der Antriebstechnik bis 2030 von dem schrittweisen Abschied vom Verbrennungsmotor betroffen.
Deutlich weniger brisant als bei Unternehmen, die ihr Geld mit der Antriebstechnik verdienen, wird die Entwicklung eingeschätzt, wenn man die gesamte Autobranche in den Blick nimmt. In dieser Studie wird dabei nicht nur der aus Fahrzeugherstellern und deren Zulieferer bestehende Kern dieser baden-württembergischen Schlüsselindustrie betrachtet, sondern beispielsweise auch das Kraftfahrzeuggewerbe miteinbezogen sowie Unternehmen, die Maschinen und Anlagen für Autofabriken liefern.
Bei einer progressiven Entwicklung könnten bis zum Ende des nächsten Jahrzehnts unter dem Strich 30 800 der insgesamt 468 500 Arbeitsplätze gefährdet sein. Im moderaten Szenario kommen sogar 8900 Stellen hinzu. Alle Basiszahlen beziehen sich auf das Jahr 2016. Im progressiven Szenario könnten im Jahr 2030 bereits rund 51 Prozent aller Neuwagen in Europa reine Elektroautos sein. In der moderaten Variante der Modellrechnung sind bis dahin dagegen nur 15 Prozent aller verkauften Neuwagen E-Mobile. Während ein konventionelles Fahrzeug mit Verbrenner nach dieser Modellrechnung 2015 noch einen Kostenvorteil von 10 000 Euro gegenüber einem E-Mobil aufweist, ist es 2030 im progressiven Szenario 1000 Euro teurer als ein batterieelektrisches Fahrzeug. Das liegt daran, dass die Abgasreinigung aufgrund schärferer Grenzwerte immer aufwendiger wird.
Mit Blick auf die Entwicklung der Gesamtbranche werde eine gelungene Wende hin zur Elektromobilität die weltweit besondere Bedeutung der Autoindustrie in Baden-Württemberg nicht gefährden, sagen die Gutachter. Wenn der Wandel politisch richtig begleitet werde, könne die wirtschaftliche Stärke Baden-Württembergs erhalten oder sogar ausgebaut werden.
Die Autoren der Studie fordern, dass Baden-Württemberg zum Leitmarkt und zum Leitanbieter für eine nachhaltige Mobilität werden muss. Dafür müssten alle an einem Strang ziehen: die Unternehmen, die Politik, die Wissenschaft und auch die Mitarbeiter. Die Wissenschaftler schlagen Maßnahmen vor wie etwa den Ausbau der Lade-Infrastruktur, Finanzierungshilfen für Schnellumsteiger zur Elektromobilität, die Förderung neuer Batterietechnologien sowie die Qualifizierung der Mitarbeiter.https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.bosch-standort-feuerbach-dieselkrise-treibt-boschler-auf-die-strasse.4a0703af-f1fc-4e84-9c24-c39815a0ddf3.htmlhttps://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.ig-metall-studie-jeder-zweite-job-von-e-mobilitaet-betroffen.5957c2ad-dd93-4de5-b5b3-9e48f9d60437.html