Ein fotografisches Tagebuch aus der Coronazeit

Bei der Vorstellung zum Bildband „Meinbaco“ erinnern sich Interessierte und Autoren gemeinsam an die Zeit der Ausgangssperren und Co.

Der Schriftsteller José F. A. Oliver trägt verschiedene Beiträge aus dem Buch „Meinbaco“ im Helferhaus vor. Foto: Alexander Becher

© Alexander Becher

Der Schriftsteller José F. A. Oliver trägt verschiedene Beiträge aus dem Buch „Meinbaco“ im Helferhaus vor. Foto: Alexander Becher

Von Kristin Doberer

Backnang. Während sich am dritten Adventswochenende zahlreiche Menschen dicht gedrängt auf Weihnachtsmärkten aneinander vorbeischieben, könnte man fast vergessen, dass es noch gar nicht so lange her ist, dass Abstandsgebote, Maskenregeln und Lockdowns das öffentliche Leben bestimmt haben. Einen Blick zurück in diese Zeit, die maßgeblich von aktuellen Inzidenzen und den neusten Coronaverordnungen geregelt war, gab es am Samstagabend im Helferhaus des Heimat- und Kunstvereins Backnang. Denn vorgestellt wurde der Foto- und Textband „Meinbaco“, der sich Backnang in der Coronazeit von 2020 bis 2022 widmet (wir berichteten).

Bilder von Backnang als Geisterstadt, von Schildern über Schildern mit Verordnungen und Regeln sowie Bilder von Absperrbändern vor Spielplätzen und den unterschiedlichsten Masken am Straßenrand hat der Hobbyfotograf Ralf Blum während der Coronapandemie aufgenommen. Als Architekt haben Blum die leeren Stadträume fasziniert. „Im Fernsehen gab es ständig Bilder von menschenleeren Plätzen in Großstädten. Genau das Gleiche konnte man in Backnang auch sehen“, berichtet Blum den Besucherinnen und Besuchern im Helferhaus.

Backnang steht repräsentativ für viele Städte während der Coronazeit

Die Idee zu einem Buch kam dann erst später, als Blum auf Jörg Esefeld traf, der nebenberuflich einen kleinen Verlag betreibt. Bei dem Verlag erschienen schon einige sogenannte Stadtlesebücher, in denen Fotos mit Texten von Einwohnerinnen und Einwohner kombiniert wurden – bisher allerdings von Großstädten wie Tokio, New York oder Kairo. Nun reiht sich auch Backnang mit ein. Es sei bei „Meinbaco“ aber nicht nur um die Stadt gegangen, sondern auch um die Zeit. „Es geht darum, die ganze Zeit mit Homeoffice und Co. in seiner Problematik zu erfassen – und vielleicht auch etwas zu lernen“, sagt Esefeld bei der Buchvorstellung. Dafür wurden 65 Beiträge von 55 Autorinnen und Autoren gesammelt, viele von ihnen sind bekannte Persönlichkeiten aus der Region, wie zum Beispiel Robert Antretter, Heinz Franke, Oberbürgermeister Maximilian Friedrich oder Schulleiterin Karin Moll. Und auch haben sich einige Schriftsteller aus dem Raum Backnang beteiligt, wie Klaus Wanninger, Kai Bosch und Kai Wieland.

Zur Vorstellung des Buchs ist außerdem der Schriftsteller und Lyriker José F. A. Oliver aus dem Schwarzwald angereist. Er hat die eingereichten Texte ausgewählt, redigiert und auch selbst zwei Beiträge sowie ein Vorwort für das Buch verfasst. „Heute sind wir zum ersten Mal alle zusammen“, meint Ralf Blum, nach über 3000 E-Mails, über die man für das Projekt kommuniziert habe, freue ihn das sehr.

Und obwohl José F. A. Oliver selbst kein Backnanger ist, stehe Backnang mit dem Foto- und Textband repräsentativ für viele andere Städte, in denen die Menschen während der Pandemie ähnliche Lebenserfahrungen gemacht haben. Die Auswahl der Texte zu treffen und dies zu redigieren sei zum Teil eine „Herausforderung“ gewesen, manche Texte seien thematisch ähnlich gewesen, andere habe man deutlich kürzen müssen.

Einen Ausschnitt der Beiträge trug Oliver bei der Buchvorstellung im Helferhaus vor. Von kurzen Gedichten und Kommentaren bis zu ganz persönlichen Erinnerungen der Autoren oder nüchternen Beschreibungen der leeren Stadt. Zwischen den Texten liest Oliver immer wieder von einer alphabetischen Liste mit Worten, die in der Coronazeit neu entstanden sind oder die zum ersten Mal in den allgemeinen Sprachgebrauch gerutscht sind. Von Abstandsgebot und Aluhut bis zu Wuhan, Winterlockdown und Zweitimpfung. Dabei kommt er bei der Masse an neuen Worten mit Pandemiebezug ganz schön außer Atem, über 2000 Worte seien es, wirft Jörg Esefeld noch ein. Aufwendig gestaltet haben es diese Begriffe natürlich auch ins Buch geschafft, auf transparenten Seiten lockern sie den Bildband auf. José F. A. Oliver ist beeindruck von dem 284 Seiten dicken Wälzer. „Es ist so ein schönes Buch für so ein wüstes Thema“, so Oliver.

Meinbaco Der Bildband ist als Hardcover-Buch im Verlag Edition Esefeld & Traub erschienen und sowohl über den Verlag als auch in den Backnanger Buchhandlungen erhältlich (ISBN: 978-3-9818128-7-9), das Buch kostet 49 Euro. Bis zum 18. Dezember ist außerdem eine Multimediaausstellung mit Bildern und Texten aus dem Buch im Helferhaus zu sehen. Ausstellungszeiten: Dienstag bis Freitag von 17 bis 19 Uhr, Samstag und Sonntag von 14 bis 19 Uhr.

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Erstellt:
12. Dezember 2022, 16:00 Uhr

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