Ein Fußball-Weltmeister flitzt über Backnanger Aschenbahnen
Bewegende Sportmomente: Bis zu 300 Teilnehmer in den 50ern und 60ern bei Firmen-Sportfesten im Adolff-Stadion
Ein Fußball-Nationalspieler, der auf der Backnanger Aschenbahn die 100 Meter in 11,8 Sekunden sprintet, der im Hochsprung mit 1,60 sowie im Kugelstoßen mit 11,20 Metern ebenfalls siegt und im Weitsprung mit 5,82 Metern Zweiter wird. Heutzutage ist das unvorstellbar und auch 1953 sorgte es schon für Aufsehen. So wie fast alle der Sportfeste, die die Firma J.F. Adolff in den 50ern und 60ern in ihrem Stadion veranstaltete.
Von Uwe Flegel
Dort, wo heute der Große Alexander auf einem ältlichen Kunstrasenplatz in der Kreis- und in der Bezirksliga um Punkte kickt, da gab es einst das Stadion der Backnanger Firma Adolff. Eine Sportstätte, in der amerikanische Soldaten direkt nach dem Zweiten Weltkrieg vor weit mehr als 1000 Zuschauern Baseball spielten, wie sich Siegfried Glück heute noch erinnert. Eine Anlage, die anschließend viele Jahre dem damals hoch im Kurs stehenden Betriebssport diente. Ein Stadion, auf dessen Bahnen der aus Backnang stammende deutsche Hürdenmeister Rudi Felger gegen nationale und internationale Konkurrenz sprintete. Denn eine andere Leichtathletikanlage mit Rundbahn gab es in der Murr-Metropole bis Ende der 70er nicht.
Dafür gab es in den 50er- und 60er-Jahren die sogenannten Adolff-Sportfeste. Ereignisse, zu denen sich zum Teil zwischen 200 und 300 Betriebssportler sämtlicher Zweige, Tochterfirmen und Geschäftspartner des Unternehmens trafen und sich in Leichtathletik- und Kegelwettkämpfen miteinander maßen, sich Hand-, Fuß-, Faust- und Korbballduelle lieferten. Kontrahenten waren Vereine wie der TB Tailfingen von der Schwäbischen Alb, die Kollegen von der Buntweberei Riedinger aus Augsburg, von der Kammgarnspinnerei Kaiserslautern und von Quelle Fürth. Per Punktesystem für jede Disziplin sowie Sportart wurde am Ende der Gesamtsieger in den Zweier- oder gar Dreier-Vergleichen ermittelt und am Abend im festlichen Rahmen und im Beisein der Firmenchefs gekürt.
Der Andrang an Athleten zu diesen Sportfesten, die mit feierlichem Einmarsch der Mannschaften eröffnet wurden, war so groß, dass die Wettkämpfe nicht nur im Adolff-Stadion, sondern auch in der Tausturnhalle, auf den Tennisplätzen beim Max-Born-Gymnasium sowie auf der Kegelbahn im Haus am Berg ausgetragen wurden.
Die Sportfeste der Firma Adolff
In den Sieger- und Ergebnislisten jener Zeit wieder finden sich nicht nur Werner Kohlmeyer, der 1954 bekanntlich zu den Helden von Bern um seinen Kaiserslauterner Teamkollegen Fritz Walter zählte, sondern auch Ex-VfB-Präsident Wolfgang Dietrich, der spätere Waiblinger Bürgermeister Hans Wössner oder Fabrikantensohn Peter Adolff, der 1972 nur haarscharf die Teilnahme an den olympischen Segelwettbewerben in Kiel verpasste. Und: Es taucht Renate Glück auf, die eine gute Tischtennisspielerin sowie eine starke Leichtathletin war und einige Gold- und Silbermedaillen errang. Denn auch das Edelmetall durfte beim Mini-Olympia in Backnang oder in Kaiserslautern nicht fehlen. „Bei der Firma Adolff stand der Sport hoch im Kurs“, erinnern sich die ehemaligen Beschäftigten und gleichzeitig erfolgreichen Sportler Siegfried und Renate Glück, Werner Müller, Werner Stradinger sowie Erich Noller. „Vor allem Martin Adolff stand hinter der Sache“, erzählt Renate Glück.
Sport wurde in Adolff-Firmen viele Jahre lang groß geschrieben
Ein weiteres Beispiel für die Sportbegeisterung ist Hans Adolff, älterer Bruder von Martin Adolff. Mitte der 30er übernahm Hans, einer der Männer der ersten Stunde im Backnanger Skisport, die Verantwortung für die Kammgarnspinnerei Kaiserslautern. Sein Unternehmen war in den 50ern ein wichtiger Sponsor des damals glorreichen FCK und Adolff war von 1957 bis 1960 und von 1965 bis 1970 zweimal Präsident des Vereins. Wie schon erwähnt, der Sport und die Firma Adolff hatten eine enge Verbindung. Nicht nur weil in der Bekleidung deutscher Olympiamannschaften damals reichlich Garn des Unternehmens steckte. Vor allem die erfolgreichen Tischtennisteams standen hoch im Kurs. Und: die Sportfeste mit Kollegen aus anderen Städten, Werken sowie Vereinen und mit 200 bis 300 Sportlern, unter die sich gar waschechte Fußball-Weltmeister mischten.
In dieser Serie geht es um Sportereignisse, die im Murrtal und über die Region hinaus bedeutend waren. Wettkämpfe, zu denen die Zuschauer strömten oder die längere Zeit ein fester Teil der Sportszene waren.
Eine Ausnahmestellung im Betriebssport nahmen die Tischtennisspieler ein. Die präsentierten sich nicht nur bei den Sportfesten, sondern spielten auch im regulären Ligenspielbetrieb des Tischtennisverbands. Bis Mitte der 70er, dann wurde die Betriebssportgruppe aufgelöst und die Adolff-Tischtennisabteilung wechselte zum Sportverein nach Allmersbach. Dessen Teams spielten damals in der Kreisklasse und waren danach plötzlich auf Landesebene vertreten.
Bis zu drei Männerteams und eine Frauenmannschaft stellte JFA, wie die Adolff-Teams abgekürzt wurden. Sogar Jugendmannschaften gab es. Und: Die Adolff-Tischtennissparte betrieb nicht nur Breitensport. Ende der 50er ging es das erste Mal in der Landesliga um Punkte. Danach stieg Adolff Backnang binnen vier Jahren bis in die zweithöchste deutsche Spielklasse auf, wurde dort unter anderem in der Saison 1968/1969 Zweiter und stand insgesamt zweimal vor dem Sprung in die erste Liga.
Ein Name, der damals für den Backnanger Erfolg stand, war Rudi Piffl. Der Stuttgarter war deutscher Meister sowie 14-mal in Folge württembergischer Meister, war Weltmeisterschaftsteilnehmer (1952 in Bombay) und ein absoluter Könner. Dabei besaß der 1924 in Prag geborene Könner seit einer Verletzung im Zweiten Weltkrieg nur einen Arm. Piffl war zunächst nur Trainer in Backnang, wechselte aber 1962 vom Stuttgarter Polizeisportverein als Spielertrainer ins Murrtal. 1988 gewann Piffl im Alter von 64 Jahren mit der deutschen Mannschaft bei den Paralympics in Seoul gar noch die Goldmedaille. Weitere große Namen des Backnanger Tischtennissports in jenen Jahren waren zum Beispiel Siegfried Glück, Heinz Mikisek, Werner Müller, Bernd Heinle, Karl Hönig, Jakob Rein oder auch Helmut Balluff.