Ein klarer Favorit fehlt in Reutlingen

An diesem Sonntag wird ein neues Stadtoberhaupt gewählt

OB-Wahl - Am Sonntag entscheiden die Bürger über die Rathausspitze. Ein weiterer Wahlgang ist wahrscheinlich.

Reutlingen Der Countdown in Reutlingen läuft. Diesen Sonntag steht die Wahl für die Rathausspitze an: Fünf Kandidaten wollen Oberbürgermeisterin Barbara Bosch beerben. Die 60-Jährige hat auf eine dritte Amtszeit verzichtet, weil sie mehr Zeit mit ihrem schwer kranken Ehemann verbringen will. Einen Favoriten für den Posten gibt es in der Großstadt mit ihren 116 000 Einwohnern nicht. Viel Gleichklang im Endspurt, wenige Dissonanzen prägen die vergangenen Wochen. Vermutlich wird niemand die absolute Mehrheit auf Anhieb holen.

Als erster Bewerber hatte der CDU-Mann Christian Schneider seinen Wahlkampf begonnen – seine Chancen, viele Stimmen auf sich zu vereinen, sind hoch. Die Förderung der Wirtschaftskraft ist eines der Hauptthemen des Geschäftsführers der CDU-Landtagsfraktion. Der Jurist sagt Sätze wie „Überall dort, wo Stuttgart an seine Grenzen stößt, muss Reutlingen als Großstadt ein alternativer Standort sein“, oder man müsse „eine Willkommenskultur für Investoren“ schaffen. Den Kontakt zur Wirtschaft will Schneider zur Chefsache machen.

Ein weiterer zentraler Punkt der Agenda des 54-Jährigen im Wahlkampf ist die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum. Ein Anliegen, das sich quer durch die Programme der Kandidaten zieht. Überhaupt ist das Bewerberfeld relativ homogen, was die Schlagworte im Wahlkampf oder den Schlagabtausch auf den zahlreichen gut besuchten Podien angeht. Alle wollen die Wirtschaft fördern, das Betreuungsangebot in den Kindergärten ausbauen und die Bürger davon überzeugen, dass sie verstärkt andere Fortbewegungsmittel als das Auto nutzen.

Die einzige Frau in der Runde ist die Grünen-Kandidatin Cindy Holmberg. Die Wirtschaftskorrespondentin, die Mitarbeiterin im Wahlkreisbüro der Grünen-Bundestagsabgeordneten Beate Müller-Gemmeke ist, will die Mobilitätswende voranbringen. „Mit mir steht man nicht mehr im Stau“, sagt sie und wirbt auf Plakaten mit dem Slogan „Reutlingen kann’s besser“. Die 43-Jährige setzt auf eine autofreie Altstadt, die künftige Regionalstadtbahn und den Ausbau der Infrastruktur für Radfahrer.

In Sachen Kommunalpolitik kennt sie sich aus, sie war von 2004 bis 2008 im Gemeinderat und ist Kreisrätin. Holmberg, die im Landesvorstand der Grünen aktiv ist, hofft, vom Aufschwung ihrer Partei zu profitieren. In Baden-Württemberg gibt es im Augenblick sieben Kommunen, in denen Grüne die Rathausspitze stellen, darunter sind Stuttgart, Tübingen und Böblingen.

Eine gute Figur im Wahlkampf macht der bürgernahe SPD-Kandidat Thomas Keck, der erst nach einigem parteiinternen Hickhack an den Start gehen durfte. Der Bezirksbürgermeister des ältesten und größten Reutlinger Stadtteils, Betzingen, und Geschäftsführer des Mieterbundes Reutlingen-Tübingen ist tief verwurzelt und gut vernetzt in der Region. Das dürfte sich im Wahlergebnis niederschlagen. Keck, dessen Markenzeichen die Fliege ist und der keine einzige Krawatte besitzt, wurde bereits 1994 in den Reutlinger Gemeinderat gewählt, fünf Jahre später in den Kreisrat. „Wir müssen dringend Bauland gewinnen“, fordert der 55-Jährige und ärgert sich darüber, dass Reutlingen in Zeiten des Sparens etliche städtische Grundstücke veräußert hat.

Sein Alleinstellungsmerkmal hebt der von der FDP unterstützte Carl-Gustav Kalbfell auf Plakaten hervor. „Reutlingen wählt jung“, steht da. Der 41-Jährige ist der jüngste unter den Kandidaten und setzt auf den Freiburg-Effekt, wo ein Newcomer punktete. Der Sozialbürgermeister von Leinfelden-Echterdingen und ehemalige Reutlinger Stadtrat sieht den größten Handlungsbedarf in Reutlingen bei sozialem Wohnraum, funktionierendem Verkehr, Bildung und Betreuung sowie Generationengerechtigkeit. Der fünfte Kandidat ist ein Möchtegernkomiker mit ernsten Seiten. Andreas Zimmermann von der Spaßpartei Die Partei hat auf Plakate und Vor-Ort-Termine verzichtet. „Ich habe weder Zeit noch Geld für Wahlkampf“, sagt der 49-jährige Ingenieur aus Karlsruhe. Er setzt auf Facebook.https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.hickhack-bei-der-kandidatensuche-wer-wird-ob-in-reutlingen.8ca501f9-4132-49a0-acec-6ae4dd7b820e.html

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Erstellt:
2. Februar 2019, 03:12 Uhr

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