Ein kleiner Ersatz fürs Straßenfest
Um den Schmerz über die abgesagte Großveranstaltung etwas erträglicher zu machen, laden Stadtjugendring und Juze am Wochenende zum „Koi-Zeit-Festival“ in die Etzwiesen ein. Erstmals können auch Besucher ohne Auto mit dabei sein.
1 Von Kornelius Fritz
BACKNANG. Ein Sommer ohne Straßenfest? Für Backnanger eigentlich unvorstellbar. Seit 1971 wird das Fest jedes Jahr gefeiert, immer am letzten Juniwochenende. Von Freitagabend bis Montagnacht heißt es dann bei vielen in der Stadt: „Koi Zeit – Stroßafescht.“ Das Coronavirus hat nun aber auch diese Tradition über den Haufen geworfen: Das Straßenfest muss erstmals ausfallen, die Plätze in der Innenstadt bleiben am Wochenende leer. Gut einen Kilometer Luftlinie entfernt soll trotzdem ein wenig Feierstimmung aufkommen, denn der Stadtjugendring stellt in den Etzwiesen das „Koi-Zeit-Festival“ auf die Beine.
„Natürlich können wir das Straßenfest nicht ersetzen“, weiß der Vorsitzende des Stadtjugendrings (SJR), Markus Schildknecht. Aber es könne auch nicht sein, dass an diesem Wochenende in Backnang überhaupt nichts los ist. Bereits seit Anfang Mai betreibt der SJR zusammen mit dem Universumkino und unterstützt vom Internetportal meinbacknang.de und der Backnanger Kreiszeitung unter dem Murrtalviadukt ein Autokino. Neben Filmvorführungen gab es dort auch verschiedene Liveauftritte, unter anderem von der A-cappella-Formation Füenf und der Partyband Hofbräuregiment.
Für Schildknecht war klar, dass dort auch am traditionellen Straßenfestwochenende etwas geboten sein muss. Also haben er und seine Mitstreiter überlegt, was den Reiz des Backnanger Straßenfestes ausmacht und was davon sich auch auf einer Autokinobühne umsetzen lässt. Herausgekommen ist ein Programm, das zwar nicht über vier, sondern nur über drei Tage geht, das aber wie beim Straßenfest ganz unterschiedliche Zielgruppen anspricht (siehe Infobox).
99 Besucher dürfen an Biertischen sitzen.
Dafür hat der Stadtjugendring auch das selbstverwaltete Jugendzentrum (Juze) mit ins Boot genommen. Die Jugendmeile des Juze, die sonst fester Bestandteil des Straßenfestes ist, findet nun am Freitagabend in den Etzwiesen statt. „Das ist für uns eine tolle Möglichkeit, nachdem wir im Mai bereits unser Beats-for-Freaks-Festival absagen mussten“, freut sich Steffen Stäudle vom Juze-Vorstand. Der Freitag steht damit ganz im Zeichen von Independent-Musik jenseits des Mainstreams.
Das Kontrastprogramm dann am Samstag, wenn sich zum zweiten Mal innerhalb von vier Wochen das Hofbräuregiment in den Etzwiesen die Ehre gibt. „Die Stimmung beim ersten Mal war phänomenal und die Band hat darauf gebrannt, noch einmal bei uns aufzutreten“, berichtet Schildknecht. Und zu einem Straßenfest-Gedächtnis-Festival passt die bekannte Party-Coverband natürlich wie die Faust aufs Auge.
Auch traditionelle Blasmusik hat beim Backnanger Straßenfest ihren festen Platz. Aber ist Blasmusik zurzeit überhaupt erlaubt? Beim Stadtjugendring hat man sich kundig gemacht und herausgefunden: Ja, es geht, sofern die Musiker die entsprechenden Abstände einhalten. So werden nun die Musikvereine aus Großaspach und Sachsenweiler am Sonntagmorgen in reduzierter Besetzung zum Frühschoppen aufspielen. „Die sind ganz begeistert, dass sie endlich wieder auftreten können“, erzählt SJR-Geschäftsführer Armin Holp. Am Sonntag kommt für die Kinder dann auch noch das Kasperle, sodass wirklich für alle Altersgruppen etwas dabei ist. Der Vorverkauf hat bereits begonnen und ist laut Holp sehr gut angelaufen.
Sehr gelegen kam den Veranstaltern dabei, dass die Landesregierung die Coronaregeln inzwischen etwas gelockert hat. Seit 1. Juni sind Veranstaltungen mit festen Sitzplätzen und bis zu 99 Teilnehmern wieder erlaubt. „Die Personen, die im Auto sitzen, zählen aber nicht dazu“, weiß Schildknecht. So ist es nun erstmals möglich, vor der Bühne knapp 100 Gäste an Biertischen zu platzieren, zusätzlich ist Platz für etwa 70 Autos. Je nach Besetzung der Fahrzeuge könnten also bis zu 400 Personen mit dabei sein. Trotzdem müssen die Anwohner laut Schildknecht keine Lärmbelästigung fürchten, da nur die allererste Reihe beschallt wird, die Zuhörer in den Autos empfangen den Ton über ihre Autoradios.
Auf die Einhaltung der geltenden Coronaregeln werde man natürlich genau achten, betont Markus Schildknecht: „Das wird ein verantwortungsvolles Feiern.“ Im Vergleich zu den bisherigen Veranstaltungen im Autokino habe man deshalb auch noch einmal die Zahl der Ordner und Sicherheitsleute erhöht.
Ob in diesem Rahmen tatsächlich so etwas wie Straßenfestatmosphäre aufkommen wird, muss sich zeigen, Armin Holp ist aber optimistisch: „Das ist vielleicht nicht jedermanns Sache, aber wir haben sowieso nicht für alle Platz.“ Die bisherigen Veranstaltungen hätten aber gezeigt, dass diejenigen, die sich darauf einlassen, auch im Autokino ihren Spaß haben. Und besser, als zu Hause zu sitzen und dem ausgefallenen Straßenfest nachzutrauern, ist es allemal.
Am Freitagabend verlegt das Juze seine traditionelle Jugendmeile vom Straßenfest in die Etzwiesen. Los geht’s um 19.30 Uhr mit der Indierockband „L’apaka“ aus Stuttgart. Im Anschluss wird dann die Death-Metal-Band Therapoda ordentlich Gas geben. Die Veranstalter versprechen „eine starke Bühnenpräsenz sowie perfekte Bandchemie“. Die dritte Liveband des Abends sind die Blues-Rocker von Pale Heart. „Inspiriert von den Größen der Sixties und Seventies, fesselt ihr Songwriting gepaart mit einem funky Groove“, teilt das Juze mit. Danach müssen die Besucher aber noch nicht nach Hause gehen, denn DJ Michael Scholl (Freak Meccah) heizt für die Nacht ein, und der „Juze-Männercore“, auch bekannt als die gut aussehende Boyband, wird für ein weiteres Highlight sorgen. Die Tickets kosten 8 Euro.
Ob auf dem Cannstatter Wasen, beim Après-Ski oder auf dem Straßenfest – wo das Hofbräuregiment auftritt, ist Stimmung garantiert. Dass das auch im Autokino funktioniert, hat die siebenköpfige Band Ende Mai bereits bewiesen. Jetzt geht die Party in die zweite Runde. Beginn ist um 19.30 Uhr. Nach dem Auftritt lädt DJ Thommy zur Aftershow-Party. Zwei Personen im Auto zahlen jeweils 12,50 Euro, jede weitere 7,50 Euro.
Am Sonntagmorgen wird’s zünftig beim Blasmusik-Frühschoppen mit den Musikvereinen Sachsenweiler und Großaspach. Ab 11 Uhr spielen die beiden Kapellen auf der Bühne in den Etzwiesen traditionelle Blasmusik, volkstümliche Schlager, aber auch Popsongs und konzertante Musik. Die Karten kosten 5 Euro.
Auch an die Kinder haben die Veranstalter des Festivals gedacht. Für sie ist am Sonntag ab 16 Uhr Professor Pröpstls Puppentheater mit dem Stück „Kasperl und der Zwackilutschku“ auf der Autokinobühne zu Gast. Tickets kosten 5 Euro, die dritte und jede weitere Person bezahlen nur 3 Euro.
Zum Abschluss des Wochenendes wird am Sonntag um 18 Uhr im Autokino die Verfilmung von Hape Kerkelings Buch „Der Junge muss an die frische Luft“ gezeigt.
Karten für alle Veranstaltungen können online gebucht werden unter www.backnangerkinos.de. Außerdem gibt es sie im Vorverkauf in der BKZ-Geschäftsstelle in der Postgasse 7. Falls noch Karten übrig sind, gibt es auch eine Abendkasse.