Ein offenes Ohr für allerlei Anliegen
Oberbürgermeister Frank Nopper verschafft sich bei seinem Gemarkungslauf einen Eindruck von diversen Orten und Betrieben
Zu Fuß, per Pedelec und mit dem Bus hat sich Backnangs OB Frank Nopper gestern wieder auf seinen alljährlichen Gemarkungslauf begeben. Die geplante Bootsfahrt musste abgesagt werden. Seine Route führte ihn von Schöntal bis Steinbach. An 17 Stationen informierte er sich über brisante Themen in der Stadt und war auch unterwegs für die Bürger greifbar.
Von Lorena Greppo
BACKNANG. Vieles tut sich in Backnang, in verschiedenen Bereichen, an verschiedenen Orten. Zu den sichtbaren Veränderungen gehören die Baustellen, weitgehend unbemerkt bleiben hingegen Gesetzesänderungen, die nur einzelne Branchen treffen. Die Auswirkungen können dennoch enorm sein. Die 17 Stationen seines Gemarkungslauf hat OB Frank Nopper daher mit Bedacht ausgewählt. „Ich spüre übers Jahr hinweg schon, welche Themen den Leuten wichtig sind und werde ja auch so oft angesprochen.“ Die Route hat er öffentlich mitgeteilt, sodass ihn Bürger mit eigenen Anliegen unterwegs treffen können. Gleich morgens kurz nach 7 Uhr habe ein Mann diese Chance wahrgenommen, erzählt der OB. Eine Notiz mit seinen Anliegen hatte er mit dabei. „So soll es ja sein“, sagt Nopper gelassen. Er hört sich Argumente an, nimmt sie ernst, notiert die Kritik und die Verbesserungsvorschläge.
Immer wieder treffen er und sein Begleiter, Bauhofleiter Roland Stampfl, auf Bürger, die kleine und große Probleme zur Sprache bringen – oder auch einfach mal ihrem OB Hallo sagen wollen. Das alles ist Teil des Gemarkungslaufs. Parksituationen, Verkehrsfragen sowie wuchernde Sträucher seien oft Thema gewesen, so Nopper. Manche Mängel fallen den beiden Fußgängern auch gleich ins Auge. „Wir haben einige verblichene Schilder notiert, oder Straßenzüge, wo viel Müll liegt.“ Anregungen nehmen sie von allen Seiten entgegen.
Auf dem Biolandhof Adrion und bei Familie Körner informiert sich Nopper dann über die moderne Land- und Viehwirtschaft, bei der Fritz Müller GmbH zum Geschehen in der Baubranche und bei Forstdirektor Martin Röhrs über die Schwierigkeiten, die der Klimawandel den Wäldern bereitet. Und weil Nopper und Stampfl eifrig Fragen stellen, ist es wenig verwunderlich, dass sie bald in Verzug geraten, was den Zeitplan angeht.
Klärschlammtrocknung ist „keine Erfolgsgeschichte“
Um 9.30 Uhr – etwa ein halbe Stunde später als erwartet, erreichen Nopper und Stampfl die Biovergärungsanlage im Neuschöntal. AWRM-Chef Gerald Balthasar nimmt es gelassen. „Dann fasse ich mich einfach kurz.“ Doch auch die Erweiterung der Anlage inklusive der neuen Blockheizkraftwerke weckt das Interesse der Besucher. Sie lassen es sich nicht nehmen, den neuen Flüssigdüngerspeicher in Augenschein zu nehmen.
42 Meter Durchmesser hat das Bauwerk, ist derzeit zehn Meter hoch. „Darüber kommt noch ein separates Gaslager“, erklärt Balthasar. Jenes wird zusätzliche 13 Meter hoch. Die etwa sieben Millionen Euro teure Erweiterung sei notwendig geworden, so der AWRM-Chef, weil durch eine neue Verordnung weniger Flüssigdünger pro Hektar aufgebracht werden darf. „So müssen wir mehr Lagervolumen schaffen.“ Das Methangas, das bei der Vergärung des Biomülls entsteht, wird abgefangen, im Speicher gelagert und im Blockheizkraftwerk in Wärme und Strom umgewandelt. Etwa 3000 Haushalte könnten so versorgt werden. „Und die Abwärme wird der Klärschlammtrocknung zur Verfügung gestellt“, führt Balthasar aus. Nopper verzieht das Gesicht: „Das ist leider keine Erfolgsgeschichte.“
Die Klärschlammtrocknungsanlage ist der nächste Stopp. „Ein OB geht auch dahin, wo’s stinkt“, sagt Nopper schmunzelnd, nur um dann festzustellen, dass sich die Gerüche nur schwach wahrnehmen lassen. Die Trocknungsanlage soll bald verkauft werden, denn der Betrieb funktioniert nicht wie gewünscht. Marco Baumann, der Leiter der Abwasserbeseitigung, erklärt: „Momentan haben Kläranlagenbetreiber ein Riesenproblem damit, den Klärschlamm loszuwerden. Ich bin froh um jeden Lkw, der kommt und Material abholt.“ Als Dünger darf der Klärschlamm nämlich nur noch bedingt eingesetzt werden. Der Großteil komme in die Kompostierung und Rekultivierung, erklärt Baumann. Eigentlich sollten Verbrennungsanlagen stärker bei der Entsorgung eingebunden werden, doch „die gibt es nicht in ausreichender Zahl“.
Während Nopper und Stampfl sich die Funktionsweise des Klärbeckens anschauen, erklärt der Fahrradbeauftragte der Stadt, Volker Knödler, was als Nächstes auf der Tagesordnung steht. Waren sie bisher zu Fuß unterwegs, schwingen sich die Herren nun auf die Pedelecs. Im Blick haben sie die angedachte neue Trassenführung für den Stromberg-Murrtal-Radweg. Derzeit müssen Radfahrer, die von Backnang nach Burgstetten wollen, entweder über Unterschöntal oder über Erbstetten fahren – Letzteres ist mit ordentlicher Steigung verbunden. Das könnte vermieden werden, wenn der Wirtschaftsweg parallel der Bahngleise entsprechend ausgebaut würde, erklärt Knödler. Dann führe der Weg entlang der Murr und an zwei Stellen auch über den Fluss. „Momentan ist der Bereich dort noch sehr naturnah, deswegen gibt es manche Bedenken“, erklärt Knödler. Zudem liege er auf Burgstettener Gemarkung, sodass die Stadt Backnang an dieser Stelle nur bedingt mitreden könne.
Der Unterversorgung an Kinderärzten entgegenwirken
Mit den Rädern sind Nopper und Stampfl dann auch zügig unterwegs, sodass die Verspätung bis zum Mittag schon wieder reingeholt ist. Für einen kurzen Besuch geht es auf die Baustelle an der Mühlstraße, dem größten Projekt der Städtischen Wohnbau. 42 Mietwohnungen entstehen hier – „bezahlbarer Wohnraum“, betont Nopper. Denn die Knappheit dessen ist dem OB auch bewusst. Umso erfreuter ist er, zu vernehmen, dass das Bauprojekt zeit- und kostentechnisch weitgehend im Plan liegt.
Wenn alle laufenden Wohnprojekte abgeschlossen sind, könnte sich die Bevölkerung in Backnang um etwa zehn Prozent erhöhen, sagt Nopper. Das verschärft manches Problem, wie den Ärztemangel. Kinderärztin Barbara Schütz weiß um die Folgen der Unterversorgung. Sie müsse ab und zu einen Aufnahmestopp ausrufen. „Die Eltern müssen in Kauf nehmen, weiter zu fahren.“ Bislang gibt es im Umkreis 5,5 Ärztesitze. Darum habe man schon kämpfen müssen. „Es ist Zeit, einen neuen Anlauf zu nehmen, um einen weiteren Kinderarztsitz zu bekommen, oder?“, folgert Nopper. Die Stadt werde hier versuchen, eine Vermittlerrolle einzunehmen. Schütz würde das begrüßen. Gleichzeitig appelliert sie an Eltern, kooperativ und flexibel zu sein. „Es kann nicht immer der Wunscharzt sein.“
Zehn Stunden nach Start der Tour finden sich Nopper und Stampfl an der Alten Spinnerei ein, wo sie eigentlich auf der Murr eine kleine Verschnaufpause einlegen sollten. Doch „bei Rudi Carrell hätte es geheißen: Das wäre ihr Boot gewesen“, scherzt Nopper. Denn ein Loch im Schlauch verhindert die Bootsfahrt. „Nächstes Jahr dann“, sagt der OB. Stattdessen geht es wieder zu Fuß weiter. 32 Kilometer beträgt die zurückgelegte Strecke bis dahin etwa, gut die Hälfte habe man per pedes zurückgelegt. Und noch ist nicht Schluss. An der Bleichwiese angekommen, geht es an die letzten Aufgaben: die Begehung der Innenstadt, zuerst mit dem Vollzugsdienst, später mit der Polizei.