Ein Schwabe gibt Ostwestfalen den Takt vor
Erfolgreich in der Fremde (4): Nach dem Aufstieg kämpft Sebastian Vasiliadis mit Paderborn nun darum, erstklassig zu bleiben
„Am Anfang habe ich noch ein bisschen arg schwäbisch geredet, da haben mich viele nicht richtig verstanden.“ Eineinhalb Jahre später ist Sebastian Vasiliadis beim SC Paderborn 07 bestens angekommen. Sprachlich und vor allem sportlich. Als Mittelfeldmotor gibt der gebürtige Backnanger bei den Erstliga-Fußballern aus Ostwestfalen den Takt vor.
Von Uwe Flegel
Der Kabarettist und gebürtige Paderborner Rüdiger Hoffmann hat großen Anteil daran, dass die Menschen aus der katholischen Universitätsstadt als betont bedächtig gelten. Vor einem halben Jahr herrschte in Ostwestfalen trotzdem Karnevalsstimmung und daran hatte ein junger Schwabe großen Anteil. Schließlich hatte Sebastian Vasiliadis beim 4:1-Heimsieg im Topduell gegen den HSV im Alleingang fürs 2:0 gesorgt und dem SCP den Weg in die Bundesliga geebnet. Für den damals 21-Jährigen ist der Aufstieg in die Eliteklasse der vorläufige Höhepunkt einer Karriere, die einst bei den Bambinis des FC Viktoria Backnang begonnen hat.
Wo er herkommt, hat der 1,75 Meter große Kicker nicht vergessen. „Ich verfolge schon sehr genau, was sich in der Backnanger Ecke fußballerisch tut“, erzählt Sebastian Vasiliadis und macht da keinen Unterschied zwischen Kreisliga B, Bezirksliga oder Verbandsliga: „Mich interessiert alles.“ Die Sicherheitsliga zum Beispiel, weil sein Vater Stelianos Vasiliadis dort seit eineinhalb Jahren den TSV Sechselberg trainiert. Was Vereine wie der SV Allmersbach in der Bezirksliga erreichen, will der Bundesliga-Spieler wissen, „weil da ein paar Kumpels von mir dabei sind“. Solche, mit denen er einst als Jugendlicher bei der TSG Backnang in einer Mannschaft stand. Das wiederum ist auch mit ein Grund, warum er ein Auge auf den Etzwiesenklub wirft, zumal beim Verbandsliga-Spitzenreiter mit Marcel Knauss ein alter Bekannter zwischen den Pfosten steht, über den der in Auenwald aufgewachsene Sportler sagt: „Mit Knaussi habe ich in Aalen in der Jugend gespielt.“
Der griechische Verband hat seine Fühler nach dem 22-Jährigen ausgestreckt
Es hört sich an, als wäre Sebastian Vasiliadis gerne öfter in der alten Heimat, als er es derzeit sein kann. Aber zwischen Ostwestfalen und dem Murrtal liegen mehr als 440 Kilometer. Deshalb „habe ich in Sechselberg bei der Mannschaft meines Vaters noch nie zugeschaut, obwohl ich das gerne mal machen würde“. Sein Leben bestimmt allerdings der Terminplan des SCP – und künftig vielleicht auch der griechischen Nationalmannschaft. Bei der ist der aus Schorndorf stammende Kostas Konstantindis der Technische Direktor. Dem 47-jährigen Ex-Profi (unter anderem Hertha BSC) sind die Leistungen des Paderborner Mittelfeldmanns nicht entgangen. Prompt ist Vasiliadis in den Fokus der Griechen geraten.
Für den 22-Jährigen eine Bestätigung seiner rasanten und trotzdem irgendwie stetigen Entwicklung. Eine, die dafür sorgte, dass vergangenen Sommer sogar Borussia Mönchengladbach seine Fühler nach dem gebürtigen Backnanger ausgestreckt haben soll. Neuling Paderborn erklärte den zentralen Mittelfeldspieler aber kurzerhand für unverkäuflich. Vasiliadis selbst will zu den Gerüchten nichts sagen, außer: „Ich bin der Meinung, dass mein Weg in Paderborn noch nicht zu Ende ist.“ Sein Vertrag beim Bundesliga-Schlusslicht läuft auf jeden Fall noch bis zum 30. Juni 2021. Und der Abstiegskampf mit dem SCP schreckt den willensstarken Schwaben nicht: „Das habe ich schon als B-Jugendlicher bei der TSG kennengelernt.“ Damals, als er mit Backnang aus der Oberliga runter musste und dabei mit dem nun für Union Berlin in der Bundesliga kickenden Keven Schlotterbeck in einer Mannschaft stand, „der im Verlauf der Saison aus der U 16 hochgezogen wurde“, sagt Sebastian Vasiliadis und muss selbst etwas schmunzeln, dass zwei Spieler eines Absteigers aus der B-Jugend-Oberliga sechs Jahre später in Deutschlands Eliteliga um Punkte kämpfen. Ein Werdegang, der nicht gerade alltäglich ist.
So wie die Spielweise seines SC Paderborn in der ersten Liga. Mit 90 Minuten Vollgasfußball versuchen Trainer Steffen Baumgart und seine Elf nach zwei Aufstiegen nacheinander in der ersten Liga zu bestehen. Sebastian Vasiliadis steht hinter der Marschroute, schließlich mache Toreschießen immer mehr Spaß, als nur den Gegner am Fußballspielen zu hindern. Dass die Art und Weise auch schiefgehen kann, weiß er und sieht es auch als Weiterentwicklung an, denn: „Alles prägt einen Menschen. Jedes positive und jedes negative Erlebnis.“ Deshalb will er eigentlich keine Erfahrung groß missen, die er in seinem noch jungen Leben gemacht hat. Auch nicht das halbe Jahr als Steppke beim VfB Stuttgart, in dem er gelernt hat: „Der Spaß am Fußball ist relativ wichtig.“
Bei seinen anderen Stationen hat er offenbar mehr Freude gehabt und dafür in Kauf genommen, nicht an einem Nachwuchsleistungszentrum ausgebildet worden zu sein. „Dieser Weg war der bessere“, ist Vasiliadis sicher, dass ihm und auch seinem einstigen Mitspieler Keven Schlotterbeck die Ochsentour nicht nur nicht geschadet, sondern gutgetan hat. Er hat es auf jeden Fall dorthin geschafft, wovon so viele kleine Kicker träumen – in die Bundesliga. Selbst die Verständigung mit den Ostwestfalen klappt mittlerweile. Nur ein Problem ist da noch. In Paderborn gibt es keine Maultaschen und auch „Spätzle vermisse ich“. Das mit der Sprache mag ja lösbar sein, geht es aber um Leib und Wohl, kann ein Schwabe in der Fremde schon verzweifeln.
Mit der Serie stellen wir Sportler vor, die bei Vereinen aus der Region als Kinder und Jugendliche am Ball waren und mittlerweile bei hochklassigen Teams erfolgreich sind.
Sebastian Vasiliadis kam am 4. Oktober 1997 in Backnang zur Welt und wuchs in Auenwald auf. In der Jugend war er für den FC Viktoria Backnang, die TSG Backnang, den VfB Stuttgart, den FSV Waiblingen und den VfR Aalen am Ball. In Aalen spielte er bereits als 17-Jähriger in der Oberliga-Elf. Mit 18 debütierte er im November 2015 als Noch-A-Jugendlicher unter Trainer Peter Vollmann beim 0:0 gegen Halle in der Dritten Liga.
Im Sommer 2018 wechselte Vasiliadis zu Zweitliga-Neuling Paderborn. Dort zählte er am 21. Oktober beim 0:0 gegen den späteren Mitaufsteiger Union Berlin das erste Mal zur Startelf. Am Saisonende hatte der Mittelfeldspieler mit sechs Toren und zehn Vorlagen großen Anteil am SCP-Durchmarsch.
In der Bundesliga stand Sebastian Vasiliadis bislang bei allen zehn Begegnungen des SC Paderborn 07 von der ersten bis zur letzten Minute auf dem Platz. Auch heute wird er zur Anfangsformation zählen, wenn die Ostwestfalen um 15.30 Uhr den FC Augsburg empfangen. Dabei könnte es in der Benteler-Arena ein Duell zweier ehemaliger Jugendspieler der TSG Backnang geben, sofern der vom SV Unterweissach stammende Julian Schieber bei den Schwaben im Duell Letzter gegen Drittletzter eingesetzt wird.