Bilanz Pistorius
Ein schwieriges Jahr für die Bundeswehr – und viele Fragezeichen für 2025
Der Bundestag hat am Mittwoch Dutzende neue Beschaffungsprojekte genehmigt – dennoch steht die Truppe vor Herausforderungen. Besonders die nächste Bundesregierung muss bei der Finanzierung schwierige Fragen lösen.
Von Tobias Heimbach
Zum Jahresende kann Boris Pistorius (SPD) noch einmal einen Erfolg vorweisen: Der Haushaltsausschuss des Bundestages hat in seiner letzten Sitzung 2024 noch einmal 38 Beschaffungsprojekte für die Bundeswehr freigegeben. Die Verträge umfassen unter anderem Nachtsichtbrillen, LKWs, Flugabwehrraketen, neue Fregatten und U-Boote für insgesamt 21,3 Milliarden Euro. Ein Rekord.
„Das ist das Ergebnis der Zusammenarbeit der demokratischen Parteien im Bundestag“, sagte der Verteidigungsminister sichtlich zufrieden am Rande der Sitzung. Dass das Parlament all diese Projekte freigibt, war nach dem Bruch der Ampel-Koalition keine Selbstverständlichkeit. Schließlich verfügt die Restregierung aus SPD und Grünen über keine eigene Mehrheit mehr. Doch Union und FDP stimmten im Ausschuss mit.
Pistorius ist doch nicht alles gelungen im dritten Jahr der Zeitenwende
Pistorius bedankte sich dafür beim Parlament. „Wir brauchen eine Bundeswehr, die ihre Kernaufgabe erfüllen kann. All das können wir nur erreichen, wenn wir als Demokraten über Parteigrenzen hinweg einig sind“, sagte er. Die Opposition bekräftigte das. „Das Parlament steht, dem Wahlkampf zum Trotz, zur Bundeswehr“, sagte der verteidigungspolitische Sprecher der Union, Florian Hahn (CSU).
Auch wenn die Beschaffungsprojekte rekordverdächtig sind, ist Pistorius doch längst nicht alles gelungen im dritten Jahr der Zeitenwende. Eines seiner vielleicht wichtigsten Projekte blieb weit hinter dem zurück, was er sich ursprünglich vorgestellt hatte: Der „neue Wehrdienst“ ist kaum anders als der bestehende, eine Pflicht zum Dienst ist es schon gar nicht.
Pistorius warnt immer wieder vor Russlands Aufrüstung
Pistorius bestreitet nicht, dass 2024 ein herausforderndes Jahr war. „Das waren 12 Monate, die es in sich hatten“, resümierte Pistorius und zog dennoch ein positives Fazit: „Ich bin froh, dass wir da stehen, wo wir stehen.“
Doch über allem schwebt die Frage: Reicht das? Zweifel daran äußert Pistorius selbst. „Russland hat vollständig auf Kriegswirtschaft umgestellt und stellt der Armee jedes Jahr 1000 bis 1500 Panzer auf den Hof. Das sind etwa doppelt so viele, wie die größten fünf europäischen Länder zusammen überhaupt im Bestand haben“, sagte er Anfang des Monats im Bundestag. Er warnt immer wieder davor, dass Russland in „fünf bis acht Jahren“ seine Streitkräfte wieder soweit aufgerüstet haben werde, dass es in der Lage wäre, einen Nato-Staat anzugreifen. Auch im Plenum des Bundestags warnte Pistorius an diesem Tag noch einmal eindringlich. „Die Weltlage ist geprägt von Umbrüchen“, sagte er und mahnte: „Diese Zeiten erfordern Einigkeit und Geschlossenheit.“
Schätzungen gehen von 220 000 Bundeswehrsoldaten im Jahr 2031 aus
Auch bei der Bundeswehr gibt es weitere große – und damit teure – Baustellen: Bei den Kasernen und anderen Gebäuden gibt es einen Investitionsstau in Milliardenhöhe. Experten gehen zudem davon aus, dass die Nato in den kommenden Jahren noch größere Anforderungen an Deutschland stellen wird. Statt der geplanten 203 000 Soldaten, die 2031 in der Bundeswehr sein sollen, gehen die Schätzungen von rund 220 000 Soldaten aus. Derzeit hat die Bundeswehr rund 181 000 Soldaten und hat Mühe, diese Zahl zu halten.
Die Grundlage dafür, dass man all diese Herausforderungen angehen kann, ist eine ausreichende Finanzierung. Doch die ist nicht gesichert. Wenn das Sondervermögen für die Bundeswehr von 100 Milliarden Euro im Jahr 2027 ausgegeben sein wird, muss das Geld für die Bundeswehr aus dem regulären Haushalt bezahlt werden. Dieser müsste bis dahin von derzeit 53 Milliarden Euro auf rund 80 Milliarden Euro anwachsen.
Zum Zwei-Prozent-Ziel haben sich alle bekannt
Deutschland hat 2024 erstmals das Zwei-Prozent-Ziel der Nato erreicht. Alle Parteien, die nach der Bundestagswahl am 23. Februar realistischerweise an einer Regierung beteiligt sein könnten (Union, SPD, Grüne, FDP) haben sich dazu bekannt, dieses Ziel weiter zu erfüllen. Doch wie das erreicht werden soll, darüber gibt es unterschiedliche Vorstellungen. Grüne und SPD wollen das über mehr Schulden erreichen, Union und FDP durch Einsparungen. Nach derzeitigen Umfragen wird es aber wohl zu einer Koalition kommen, die mindestens einen Partner der jeweiligen Denkschule umfasst. Ein Konflikt, der das Gelingen der Zeitenwende gefährden könnte.