„Elden Ring“-Erweiterung „Shadow of the Erdtree“
Ein Spiel, uns zu knechten, eine Erweiterung, uns zu brechen
Die Erweiterung zum gefeierten Open-World-Spiel „Elden Ring“ steht in der Kritik. „Shadow of the Erdtree“ soll es mit dem Schwierigkeitsgrad nach dem ohnehin schon bockschweren Hauptspiel komplett übertreiben. Was ist dran?
Von Sascha Maier
Wo hört der Spaß am Masochismus auf? Diese Frage stellen sich gerade nicht wenige von fünf Millionen Videospielbegeisterten, die sich das im Juni veröffentlichte „Shadow of the Erdtree“, die heißerwartete Erweiterung des Spielehits „Elden Ring“ von 2022 gekauft haben. „Elden Ring“ galt wie alle Titel der japanischen Spieleschmiede FromSoftware als extrem herausfordernd. Nun stellen Fans im Netz die Frage: Ist der Entwickler mit dem Schwierigkeitsgrad bei „Shadow of the Erdtree“ jetzt völlig über die Grenzen des Zumutbaren hinausgeschossen?
Kurz, worum es beim Basisspiel geht: Bei „Elden Ring“ handelt es sich um ein Open-World-Action-RPG, in dem Spielende die meiste Zeit damit beschäftigt sind, sich als vergleichsweise absolut schwächliche Spielfigur gegen übermächtige Gegner zu behaupten und Stück für Stück eine Fantasy-Spielwelt zu erschließen, an der zumindest grob skizzierend auch der „Game of Thrones“-Autor George R. R. Martin mitgewirkt hat.
Für normalsterbliche Zocker flimmert bis zu Abspann hunderte, tausende Male der Schriftzug „Du bist tot“ über den Bildschirm. Besonders die Kämpfe gegen lächerlich starke Bosse haben es in sich. Wer den Titel selbst gespielt hat, weiß, was es heißt, stunden-, tagelang an einer Stelle festzuhängen – kennt aber auch das erhebende Gefühl, beim 87. Anlauf siegreich aus der Konfrontation hervorzugehen; bei manchen löst das einen regelrechten Rauschzustand aus.
Die Musik summt noch heute im Kopf herum
Man muss sich das grundsätzlich so vorstellen, wie als Spieler der Stuttgarter Kickers in einer Zeitschleife gefangen wieder und wieder und wieder gegen Real Madrid spielen zu müssen und irgendwann, irgendwann werden auch die Kickers ein Spiel gewinnen. Dann geht es weiter, bis man beim nächsten ungleichen Duell hängenbleibt und alles wieder von vorne beginnt.
So ist die Spielerfahrung vor der Erweiterung „Shadow of the Erdtree“. Diese entlässt Spielende in ein neues, düsteres Fantasy-Gebiet und setzt grundsätzlich auf denselben Gameplay-Loop: Erkunden, an Bossgegnern scheitern, besser werden, weiter geht’s. Einzig: Was FromSoftware in der Erweiterung als Hürden präsentiert, lässt die Kontrahenten des Hauptspiels, die auf Namen wie Godrick, der Verpflanzte, hören und unseren Avatar mit ihrem Drachenkopf-Arm und einer Lebenspunkte-Leiste bis über den Atlantik hinaus wieder und wieder rösten, wie Aufbaugegner aussehen. Zumindest teilweise.
Selbst jemand, der im Hauptspiel den Bogen irgendwann raus hatte und dem selbst die als am schwierigsten geltende Gegnerin dort, Malenia, Miquellas Klinge, keine großen Probleme mehr bereiten konnte, hing viereinhalb Stunden an einer blitzschnellen Ritterin, die natürlich auch noch mächtigste Zauber beherrscht und irgendwann alles geheißen wurde, fest. Die chorale Musik, die das Leiden begleitete, summt noch heute im Kopf herum: Dumm-dumm-dumm-dumm, dumm-dumm-dumm.
Streamer zeigen ihr Scheitern
So haben die Kämpfe in „Shadow of the Erdtree“ auch schnell auf Youtube Kultvideos produziert, bei denen Streamer sich beim stundenlangen Scheitern filmen. Spielende merken so immerhin: Ich bin nicht allein. Auch der Youtuber Eddy Uncut hat Bekanntschaft mit besagter Ritterin gemacht, auf seinem Kanal kann man ihm dabei zuschauen, wie er etwa sechs Stunden auf zwei Etappen immer wieder ins Gras beißt.
Dass der noch mal gehörig angezogene Schwierigkeitsgrad wohl kein ganz subjektiver Eindruck ist, zeigt ein Blick in die Community-Foren anderer Spieler. Auf Steam etwa, einer der wichtigsten Spieleplattformen, wurde der Titel sogar mit schlechten Bewertungen abgestraft, da er schlicht zu hart sei. Vor allem die Bosskämpfe seien unfair.
Entwickler kennt kaum Gnade
Wie Gnade seitens FromSoftware aussieht, zeigte ein Patch des Entwicklers kurz nach der Veröffentlichung, in dem auf das Bitten der Fans eingegangen wurde, das Spiel leichter zu machen: Statt doppeltem Schaden macht ein voll hoch gelevelter Charakter in „Shadow of the Erdtree“ jetzt 2.05-fachen Schaden, derselbe Faktor gilt für die Verteidigungswerte der Spielfigur. Wer die Nintendo-Spielereihe „The Legend of Zelda“ kennt: Dort entspräche das bei einer vollen Lebensleiste von 20 Herzen einem halben Herz extra.
Grundsätzliches ändern sollte sich durch den Patch am Spielerlebnis also nicht. Und es ist verständlich, dass manche Spielende den Spaß an einem Titel irgendwann verlieren, wenn sie wie bei der vermaledeiten Ritterin – die übrigens bei weitem nicht der schwerste Boss im DLC sein soll – irgendwann nur noch wie Vieh zur Schlachtbank laufen, den Glauben daran verloren, gewinnen zu können.
Aber wenn es dann, viel zu spät in der Nacht, plötzlich klick macht, man den Angriffen ausweicht, als wäre man in der Matrix und selbst in den nur Sekundenbruchteilen dauernden Zeitfenstern Treffer landet, bis die Ritterin geschlagen ist – wohlwissend, dieses Kunststück auch so schnell nicht wiederholen zu können: Da ist er dann wieder, dieser Rauschzustand. Und dann kommt sie zurück: Die Freude auf die nächste unmöglich erscheinende Herausforderung.