Ein starkes Plädoyer für Europa

Traditionelle Dreikönigsbegegnung der Backnanger CDU im Bürgerhaus – EU-Kommissar Günther Oettinger fordert Plan für die Europäische Union bis 2050

Gut besucht war die traditionelle Veranstaltung des CDU Stadtverbandes Backnang. Kein Wunder: Wann bekommt man in der Murrmetropole schon mal einen Kommissar der Europäischen Kommission zu Gesicht. Und dass er von Europa überzeugt ist und überzeugen kann, daran lässt Günther Oettinger bei seiner Rede keinen Zweifel.

„...als würde in Deutschland die AfD mit der Piratenpartei die Regierung bilden!“: Günther Oettinger verglich die Regierungskoalition in Italien mit der Situation in Deutschland. Foto: T. Sellmaier

„...als würde in Deutschland die AfD mit der Piratenpartei die Regierung bilden!“: Günther Oettinger verglich die Regierungskoalition in Italien mit der Situation in Deutschland. Foto: T. Sellmaier

Von Andreas Ziegele

BACKNANG. Während in Stuttgart das bundesweit bekannte Dreikönigstreffen der FDP stattfindet, treffen sich zeitgleich die Backnanger CDU-Mitglieder zur Dreikönigsbegegnung. Und während in Stuttgart ein Christian Lindner spricht, ist es in Backnang der EU-Kommissar für Haushalt und Personal, Günther Oettinger. Rund 200 Gäste hatten den Weg ins Foyer des Bürgerhauses gefunden und mit ihnen freuten sich Ute Ulfert als Vorsitzende der CDU Gemeinderatsfraktion und der Vorsitzende der CDU Backnang, Manuel Häußer über den gelungenen Coup, einen so prominenten Festredner für die Veranstaltung gewonnen zu haben.

Die musikalische Einstimmung auf die nachfolgenden Reden und Worte kam von der Band Croots um Udo Hermann, die den ersten Applaus des Tages für sich in Anspruch nahmen. Ute Ulfert war es dann, die die Begrüßung der zahlreichen Gäste übernahm. „Backnang ist lebens- und liebenswert“, sagte Ulfert und verwies dabei auf die vielen Aufgaben, die sich der Stadtrat für die kommenden Jahre vorgenommen hat, um diesen Zustand auch für die Zukunft zu sichern.

Sie entschuldigte in diesem Zusammenhang das Fernbleiben von Oberbürgermeister Frank Nopper. Als Schirmherr und Gastgeber einer privaten Benefizveranstaltung war das Stadtoberhaupt in Stuttgart unterwegs. Als „besonders erfreuliche Nachricht“ bezeichnete Ulfert die Umwandlung der Landesstraße 1115 in eine Bundesstraße (wir berichteten). Allerdings bedauerte sie an dieser Stelle, dass es diesem Plan noch an präzisen Inhalten hinsichtlich der Kosten und Termine fehle.

In seinem Grußwort erinnerte der Bundestagsabgeordnete Norbert Barthle zunächst an den schwierigen und holprigen Beginn der Großen Koalition sowie den Streit zwischen den beiden Unionsparteien CDU und CSU. Eine klare Position bezog er in Sachen Integration und Migration: „Ich halte den Vorschlag unseres Landesinnenministers Thomas Strobl für sinnvoll. Es müssen Regelungen gefunden werden, diejenigen Asylbewerber, die straffällig werden auch tatsächlich abschieben zu können.“

Als ein ganz großes Thema für die Zukunft, „dass viele andere überlagern wird“, bezeichnete der Staatssekretär beim Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, die Digitalisierung. In diesem Zusammenhang ging er auf den jüngsten Datenklau und die Veröffentlichung von persönlichsten Informationen ein. „Ein Vorgang, der weit über das hinausgeht, was akzeptabel ist“, so Barthle. Die wichtigste Frage für ihn ist, welches Interesse hinter einer solchen Aktion steckt.

Wenn er es nicht schon davor war, dann zeigte Günther Oettinger, dass er nach sieben Jahren bei der Europäischen Kommission ein großer und überzeugter Europäer geworden ist. Der 65-Jährige scheidende EU-Kommissar ließ von Anfang bis Ende seiner Festrede keinen Zweifel daran, dass es keine Alternative zur Europäischen Union gibt. Mit dem Appell: „Wir brauchen einen Plan!“ Oettinger forderte dabei eine Perspektive für Europa die bis ins Jahr 2050 reicht. Seine Themen, die er als die wichtigsten nennt, sind die innere und äußere Sicherheit, der Klimaschutz und – was zuvor schon Norbert Barthle thematisiert hatte – die Digitalisierung.

Keine Zurückhaltung zeigte Oettinger im Zusammenhang mit einigen Mitgliedsländern der EU sowie den „Autokraten in Russland und der Türkei“ und einem US-Präsidenten, der nicht berechenbar ist. Insbesondere mit seinem „Lieblingsland“ Italien ging Oettinger hart ins Gericht und schloss dabei noch Rechtspopulisten in anderen Staaten mit ein: „Das sind Menschen, die Europa zerstören wollen.“ In Bezug auf die Regierung in Italien wagte der EU-Kommissar einen drastischen Vergleich: „Die Regierungskoalition aus Lega und Fünf-Sterne-Bewegung müssen Sie sich so vorstellen, als würde in Deutschland die AfD mit der Piratenpartei die Regierung bilden!“ Damit wolle er verdeutlichen, dass der Weg zurück zum Nationalstaat jeden einzelnen Mitgliedsstaat zurück in die Bedeutungslosigkeit führe. In der Welt von übermorgen hat laut Oettinger kein Nationalstaat für die anstehenden Aufgaben die ausreichende Größe.

„Nehmen Sie die Europawahl Ende Mai so wichtig wie die Bundestagswahl“, appellierte Oettinger an die Zuhörer. Denn seiner Ansicht nach ist die Wahlbeteiligung der entscheidende Faktor, um die Gegner Europas demokratisch zu besiegen. „Gehen Sie zur Wahl. Wählen Sie Grüne, Liberale, Sozialdemokraten oder Christdemokraten, aber auf jeden Fall Pro-Europäer. Denn nur mit diesen Parteien wird es gelingen, unsere Werte und unsere Freiheit und den Frieden zu wahren“, schloss Oettinger unter großem Applaus seine mit großem Interesse verfolgte Rede.

Den stimmungsvollen Abschluss des offiziellen Teils bildete der Auftritt der Backnanger Sternsinger unter der Leitung von Daniela Mangold. Danach war aber noch lange nicht Schluss: Viele der Gäste nutzten die Gelegenheit zum gegenseitigen Austausch. Dabei geht es dann meistens nicht um Politik, sondern um die persönlichen Erinnerungen an das vergangene Jahr.

Zur Person
Günther Oettinger

Der Jurist Günther Oettinger ist seit 2010 Mitglied der EU-Kommission.

Das Haushaltsressort übernahm er Anfang 2017, nachdem er zuvor lange für Energie (2010-2014) und Digitales (2014-2016) zuständig gewesen war.

Als Ministerpräsident in Baden-Württemberg wirkte er von April 2005 bis Februar 2010.

Nach seiner Amtszeit die in diesem Jahr endet, strebt der gebürtige Stuttgarter eine Tätigkeit in der Privatwirtschaft an.

Liiert ist Oettinger seit 2008 mit Friederike Beyer, die Geschäftsführerin einer Agentur für PR und Eventmanagement ist. Aus einer früheren Beziehung hat er einen Sohn.

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Erstellt:
7. Januar 2019, 06:00 Uhr

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