Ein Stück Heimat im Plattenwald

Familie Sali lebt seit 17 Jahren in Deutschland, seit März freut sie sich über ihr Grundstück in der Kleingartenanlage im Plattenwald. Die Familienmitglieder finden es toll, selbst Blumen und Gemüse anbauen zu können und genießen die Zeit in ihrem grünen Paradies.

Oksana und Nicole Salis (von links) ganzer Stolz ist aktuell die Paprikapflanze im Hochbeet. Der Vereinsvorsitzende der Gartenfreunde Backnang, Hans-Peter Winkler (Mitte), freut sich mit Eugen Sali und Oksanas Mutter Ludmila über eine reiche Ernte. Fotos: Alexander Becher

© Alexander Becher

Oksana und Nicole Salis (von links) ganzer Stolz ist aktuell die Paprikapflanze im Hochbeet. Der Vereinsvorsitzende der Gartenfreunde Backnang, Hans-Peter Winkler (Mitte), freut sich mit Eugen Sali und Oksanas Mutter Ludmila über eine reiche Ernte. Fotos: Alexander Becher

Von Carolin Aichholz

Backnang. Obwohl es langsam kälter wird, verbringen die Salis immer noch gerne viel Zeit in ihrer Kleingartenanlage im Plattenwald. Oksana Sali ist sehr froh, dass sie und ihre Familie nach fast dreijähriger Wartezeit ein Grundstück ergattern konnten. „Wir haben dafür gekämpft“, sagt sie und lacht. „Oder zumindest sehr lange darauf gewartet.“ Zur Gartenparzelle brauchen die Salis von ihrer Wohnung nur fünf Minuten.

Seit 2006 lebt das Ehepaar in Deutschland, 2007 wurde ihre Tochter Nicole geboren. Im April 2022 kamen auch Oksanas Eltern aus der Ukraine, nachdem der Krieg ausbrach. „Die beiden waren schon immer Selbstversorger. Ich habe das viele Jahre vermisst, als wir hier kein Grundstück hatten. Und für meine Eltern ist es jetzt natürlich schön, dass sie auch viel im Garten arbeiten und wieder ihr Obst und Gemüse anbauen können“, sagt Oksana Sali.

Die Gartensaison hat die ganze Familie genutzt, um viel aufzuräumen und das Gewächshaus und die Beete zu bepflanzen. „Es musste viel neu gemacht werden, der letzte Pächter konnte sich nicht mehr so gut um den Garten kümmern“, sagt die 37-Jährige.

Ihr Herz hängt vor allem an den neu gepflanzten Apfelbäumen. Oksanas Vater hat Zweige aus seinem Garten in der Ukraine mitgebracht. „Das sind ganz alte Apfelsorten, noch von meiner Großmutter.“ Ihr Vater hat diese Äste veredelt und im Garten eingepflanzt. „Hier diese Bäume wachsen zu sehen und irgendwann auch die Äpfel ernten zu können, bedeutet für mich ein großes Stück Heimat in unserem Garten.“

Apfelbäume mit alten Sorten der Großmutter wurden gepflanzt

Die Pflege des Grundstücks und der Pflanzen bringt viel Arbeit und ganz neue Herausforderungen mit sich, doch die Familie geht diese mit vereinten Kräften an. Eugen Sali hat viel Zeit damit verbracht, das Gartenhäuschen auf dem Grundstück zu renovieren und das Dach zu reparieren. „So etwas habe ich davor auch noch nie gemacht, aber das lernt man dann eben“, sagt er. Das nötige handwerkliche Geschick bringt der Industriemechaniker bereits mit.

Im Sommer wurden viele Beeren geerntet, Gurken, Tomaten, Salat, Radieschen, Karotten, Weißkohl, Sellerie und noch vieles mehr. Außerdem auch einige Blumen. „Die sind schön fürs Auge und fürs Herz“, sagt Oksana Sali. Was die Familie nicht selbst verspeisen konnte, wurde für den Winter haltbar gemacht. „Das erinnert uns dann auch wieder an den Sommer“, sagt Oksana Sali, die in Backnang als Verkäuferin arbeitet. Für die Familie ist dieses kleine Stück Natur sehr wertvoll. „Das ist einfach was anderes als immer nur in der Wohnung zu leben“, sagt Eugen Sali. Seiner Frau gefällt am besten die Bodenständigkeit, die man sich dadurch zurückholt. „Dazu gehört das Anbauen der Nahrungsmittel, aber ich laufe hier auch einfach gerne mal barfuß, um mich wieder zu erden.“

Auch die Jugendlichen verbringen gerne Zeit im Gartenstück

Die 16-jährige Nicole kann im Garten ihrem ganz eigenen Hobby nachgehen. Sie zeichnet bereits seit ihrer Kindheit. „Oft bringe ich einfach meine Leinwand und meine Farben mit und male hier im Freien.“ Auch mit Freunden kann man in so einem Garten bei schönem Wetter immer Zeit verbringen. Und für den Winter bleibt immer noch das renovierte Gartenhaus. „Es hat sogar einen Ofen zum Heizen und um Tee zu kochen.“ Das Gartengrundstück ist also gewappnet für die kalte Jahreszeit.

Für den ersten Vorsitzenden des Vereins der Gartenfreunde in Backnang ist die Familie Sali ein typisches Beispiel des Generationenwandels, der sich bei den Kleingärtnern vollzieht. „Gartenarbeit ist anstrengend, viele ältere Menschen können sich darum nicht mehr um ihr Grundstück kümmern“, sagt Hans-Peter Winkler. Den Jüngeren bleibe zwar wenig Zeit für eine ständige Verpflichtung, aber vor allem junge Familien lernen dann wieder, einen Platz im Grünen wertzuschätzen.

In den vergangenen Jahren kamen viele Paare bei denen zumindest ein Ehepartner Wurzeln im Ausland hat, die aber zum Teil bereits in der zweiten oder dritten Generation in Deutschland leben, auf den Verein zu. „Sie haben oft eine andere Einstellung zum Gärtnern und zum Anbau von Lebensmitteln. Bei uns war das seit den70ern nicht mehr in und kommt erst wieder zurück.“

Winkler begrüßt den Trend sehr, dass die Kleingärtner jünger und vielfältiger werden, Kinder mitbringen und ihre Wurzeln in ganz unterschiedlichen Ländern und Kulturen haben. „Das ist auch wertvoll für die Gesellschaft und schafft ein Miteinander und einen Austausch“, sagt Winkler. „Hier lernt man sich auch privat kennen, kommt ins Gespräch und hilft sich.“

Das Gartenhäuschen wurde von Eugen Sali eigenhändig renoviert und ist nun winterfest.

© Alexander Becher

Das Gartenhäuschen wurde von Eugen Sali eigenhändig renoviert und ist nun winterfest.

Viele der bereits seit Generationen hier lebenden Deutschen hätten außerdem bereits das fürs Ländliche typische Einfamilienhaus mit Garten, in dem sie sich verwirklichen können. Zugezogene müssen sich außerhalb ihrer Wohnung nach einem Platz umsehen, an dem sie sich ihre eigene grüne Oase schaffen können.

Hans-Peter Winkler freut sich über jeden Zuwachs. „Unter Gärtnern trifft man meistens nette Leute, die ein gemeinsames Hobby teilen und schon deshalb gut miteinander auskommen. Gärtnern verbindet darum auch verschiedene Kulturen.“

Langsam werden auch selbst angebaute Nahrungsmittel wieder wichtiger, so wie es Winkler aus seiner eigenen Kindheit kennt. „Bio und Nachhaltigkeit, sich selbst versorgen zu können und davon auch wirtschaftlich zu profitieren, ist ein Trend, der für den Kleingarten spricht“, sagt der Kleingärtner.

Spätestens seit der Pandemie sind die Kleingartenanlagen wieder außerordentlich beliebt. Der Verein Gartenfreunde verwaltet in Backnang sechs Areale mit insgesamt 213 Gartenparzellen, die jeweils eine Fläche zwischen einem und 6,5 Ar haben. Mittlerweile hat Winkler 70 Namen auf der Warteliste für eine der Parzellen. Die Wartezeit kann wie bei Familie Sali einige Jahre dauern.

Die Nachfrage nach Gartenparzellen steigt, doch die Flächen werden weniger

Ein Areal mit 17 Parzellen beim Berufsschulzentrum muss in den nächsten Jahren dem Ausbau der B14 weichen und wird darum wegfallen. „Die Tendenz geht in den Städten eben dazu, viel zu bauen. Wohnfläche fehlt ja auch“, sagt Hans-Peter Winkler und bedauert, dass nicht allen Interessierten eine Gartenfläche angeboten werden kann. „Wir sind stets mit der Stadt im Gespräch, um nach Lösungen für weitere Flächen zu suchen“, sagt Winkler.

Trotz über 200 Vollmitgliedern fiel es auch dem Verein der Gartenfreunde schwer, alle Vorstandsämter vollständig zu besetzen. „Es ist uns gelungen und das ist heute nicht selbstverständlich“, sagt er. Winkler hat auch Unterstützung in der eigenen Familie gefunden. Sein Sohn Kevin ist seit 2020 ebenfalls im Vorstand des Vereins.

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Erstellt:
7. Oktober 2023, 11:00 Uhr

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