Ein Weckruf

Die schlechteren Steuerprognosen sollten die Groko wachrütteln

Zu Alarmstimmung oder Hysterie besteht kein Anlass. Nach vielen außergewöhnlichen Jahren, an deren Ende die Steuerprognosen regelmäßig übertroffen wurden und mehr Geld als erwartet zur Verfügung stand, kehrt in Deutschland finanzpolitische Normalität ein. Politisch bedeutsam ist das Wecksignal des Schätzerkreises trotzdem. Das bisherige Geschäftsmodell der gar nicht mehr so großen Koalition steht mit der aktuellen Steuerschätzung genauso infrage.

Das Bündnis von CDU, CSU und SPD hat bisher für die verschiedensten parteipolitischen Lieblingsprojekte ohne größere Probleme Geld aufgetrieben. Es war für alle etwas dabei – ob für gute Kitas, das Baukindergeld oder die Verteidigungsausgaben. Die nun im Raum stehende Prioritätensetzung ist Sache dieser Groko nicht. Anstehende Regierungsprojekte wie die Grundrente und eine weitere Aufstockung des Wehretats werden zum koalitionspolitischen Sprengstoff, wenn nicht mehr alle neuen Vorhaben umgesetzt werden können.

Das gilt umso mehr, da den Regierungsparteien ohnehin eine kritische Zeit bevorsteht. Ihnen drohen Ende Mai bei der Europawahl und der Bürgerschaftswahl in Bremen Verluste. Der relative Koalitionsfriede der vergangenen Monate könnte schnell zerstört sein. In den Parteien stiege der Druck, das Bündnis zu verlassen. Doch in den Prognosen steckt auch eine Chance. Die Öffentlichkeit wäre leicht positiv zu überraschen, wenn es gelänge, aus den neuen Notwendigkeiten ein überarbeitetes Regierungsprogramm zu erstellen. Eines, das etwa mit Steuersenkungen einen konjunkturellen Impuls setzt, diese Entlastung aber mit einem möglichst sozial ausgewogenen Klimafaktor verbindet.

christopher.ziedler@stzn.de

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Erstellt:
10. Mai 2019, 02:04 Uhr

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