Ein Zettel mit „Ätschegäbele“
Junge Frauen müssen sich wegen gemeinsamer Geldfälschung und gemeinsamen Diebstahls vor dem Amtsgericht verantworten
Von Sarah Schwellinger
WAIBLINGEN. Jung, dumm und naiv seien sie zu der Zeit gewesen, beteuern die beiden Angeklagten immer wieder. Die eine wollte ihrem Bruder einen Gefallen tun, die andere einen Freundschaftsdienst erweisen.
Dabei haben die beiden jungen Frauen, gerade einmal Anfang 20 sind sie nun, aber vergessen, dass es sich bei ihrer Handlung um ein Verbrechen handelt. Deshalb mussten sich die zwei kürzlich vor dem Amtsgericht in Waiblingen verantworten: Gemeinsame Geldfälschung und gemeinsamer Diebstahl lautete die Anklage.
Im April vergangenen Jahres kam der Bruder zu ihr – zwei falsche 50er in der Hand. Die letzten zwei von insgesamt 56 Scheinen, wie sich später herausstellte. Die Angeklagte arbeitete zu der Zeit an einer Backnanger Tankstelle. Also warum nicht dort die falschen Geldscheine mit echten aus der Kasse tauschen? Ein Leichtes für die Schwester. Da die aber gerade nicht arbeitete, fuhren Bruder und Schwester zur Tankstelle, wo gerade die beste Freundin Schicht hatte. Die ließ sich überreden: „Ich wollte meine Freundin nicht enttäuschen.“
Das Geld tauschten die Angeklagten einfach an der Tankstellenkasse aus: zwei 50er rein, 20er und 10er wieder raus. Der Bruder teilte anschließend brüderlich: 50 Euro für sich selbst, 50 für seine Schwester, für die Freundin gab es nichts.
Über die Folgen hatten sie nicht nachgedacht. Es dauerte nicht lange, da fiel der Schwindel auf. Nachdem der Stationsleiter der Tankstelle das Geld bei der Bank eingezahlt hatte, meldete sich die: Es wurde Falschgeld gefunden. Der Stationsleiter brauchte nur die Videos der Überwachungskameras anzuschauen. Dort war die Straftat deutlich zu erkennen. „Wir prüfen Scheine ab 20 Euro direkt an der Kasse, ob es sich um Falschgeld handelt.“ Die beiden 50er wurden nicht geprüft.
Smartphones über E-Bay
gekauft und wieder verkauft
Woher ihr Bruder das Falschgeld hatte und wie viel er tatsächlich einmal davon besessen hatte, das hat die Angeklagte nicht gewusst – bis eines Tages die Kriminalpolizei zur Hausdurchsuchung durch die Tür marschierte und der Bruder in Untersuchungshaft musste, da wurde ihr das Ausmaß bewusst. Der Bruder wurde bereits verurteilt: Ein Jahr und zehn Monate auf Bewährung lautete das Urteil. An 2800 Euro Falschgeld gelangte er über einen Komplizen. Sie kauften mit dem Falschgeld Smartphones über E-Bay-Kleinanzeigen und verkauften sie anschließend dort wieder. Bis auf die letzten zwei 50-Euro-Scheine.
Der Stationsleiter der Tankstelle sprach seine Mitarbeiterin auf die Sache an, die ihrer Freundin einen Freundschaftsdienst erwiesen hatte. Die gab die Tat zu, zeigte sich selbst an. „Ich hatte den Eindruck, dass sie nicht hauptverantwortlich war und glaubte ihr, dass das ein dummer Fehler war, der ihr so schnell nicht mehr passieren wird“, sagte der Stationsleiter vor Gericht. Sie bekam eine zweite Chance – unter strenger Beobachtung.
Für die andere Angeklagte fand das Ganze kein so glimpfliches Ende. Als sie aus dem Urlaub zu ihrer Schicht an der Tankstelle kam, wartete bereits ihr Chef zusammen mit der Kriminalpolizei auf sie. Ihr wurde fristlos gekündigt, die 100 Euro wurden ihr vom Lohn abgezogen, die Anklage folgte.
„Bei beiden glauben wir, dass das ein einmaliger Ausrutscher war“, so der Richter in seinem Urteil. „Sie hätten auch einen Zettel reinlegen können, auf dem ‚Ätschegäbele‘ steht – das wäre auf dasselbe rausgekommen.“ Die Ausrede, die beiden hätten nicht gewusst, welche Konsequenzen das Ganze hat und wie schwerwiegend der Fehler ist, gelte nur in Zeiten des Euros: „Auf den DM-Noten stand das noch drauf, da hätten sie damit nicht kommen können.“
Das Gericht lässt Milde walten und kommt zu dem Entschluss, dass eine Freiheitsstrafe nicht angebracht ist. Die beiden hätten keine schädlichen Neigungen gezeigt, viel mehr eben nicht nachgedacht. Die Angeklagte, die das Falschgeld ins Spiel gebracht hatte, war zur Tatzeit gerade einmal 19 Jahre alt. Hier entscheidet der Richter, nach Rat der Jugendgerichtshilfe, das Jugendstrafrecht gelten zu lassen. Somit ist ein Monatsgehalt fällig: 1400 Euro. Die Angeklagte muss monatlich 250 Euro an Ärzte ohne Grenzen zahlen.
„Das wird mir
nie wieder passieren“
Die Angestellte der Tankstelle war zum Tatzeitpunkt bereits 21, weshalb ihre Strafe etwas höher ausfällt: 30 Euro à 70 Tagessätze.
Die beiden jungen Frauen kamen mit einer milden Strafe und einem großen Schrecken davon. Ob sich die Freundschaft, die seit dem Zwischenfall kaputt ist, wieder davon erholt, bleibt offen. Entschuldigt hat sich die eine bei der anderen schon. Ob so etwas noch einmal passieren könnte, fragte der Richter. „Niemals“, sind sich die beiden einig.