o2 Surftown Muc

Eindrücke aus Deutschlands erstem Surfpark

Man muss nicht mehr ans Meer fahren, um Wellen zu reiten: In München hat Deutschlands erster und Europas größter Surfpark eröffnet. Ein Besuch vor Ort.

Leon Glatzer in München: Er vertrat Deutschland bei den Olympischen Spielen 2021 in Tokio.

© Surftown

Leon Glatzer in München: Er vertrat Deutschland bei den Olympischen Spielen 2021 in Tokio.

Von Jan Söfjer

Der Beckenrand fällt sanft ab wie ein Strand am Meer. Die Sonne scheint. Es sind 30 Grad. Das Wasser schimmert hellblau und auf einmal baut sich eine Welle auf. Aber das ist nicht das Meer. Das ist München, genauer Hallbergmoos, wo sich Deutschlands erster Wellenreitpool befindet. Im hüfttiefen Wasser geht es aufs Brett. Elf Männer und eine Frau sind in der Gruppe. Wer an der Reihe ist, paddelt ein paar Meter zu der Stelle, an der sich die Welle aufbaut. Ein Surflehrer sitzt wenige Meter auf seinem Brett entfernt und gibt Tipps. „Jetzt!“, ruft er. Die Welle kommt. Mit ein paar Paddelzügen kommt man hinein. Das Brett beginnt zu gleiten. Man springt auf die Füße und dreht das Brett in die Wasserwand. Nachdem man ein paar Kurven gefahren ist, läuft die Welle ins flachere Wasser. Der Surfer springt ab. In zwei, drei Sekunden ist die Wasserwalze über einen hinweg gezogen. Man steht auf, spaziert am Beckenrand zurück, um die nächste von gut einem Dutzend Wellen zu surfen.

Alle grinsen. Auch Nadine Sahr (34) aus Bad Staffelstein bei Bamberg. Das Surferlebnis ist ihr Geburtstagsgeschenk. „Es ist cool, dass es so etwas hier gibt und man nicht wegfliegen muss, um zu surfen“, sagt sie. Ferdinand Ort (38) aus München erklärt: „Das hier ist wie Wellenreiten auf dem offenen Meer, nur ohne Salzwasser. Hier bekommst du in einer Stunde so viele Wellen wie in deinem ganzen Surfurlaub.“

Chris Boehm-Tettelbach steht am Fenster im Bürogebäude auf der anderen Straßenseite und schaut zwischen zwei Terminen kurz den Wellen zu. Der 60-Jährige ist der Initiator und Gründer der o2 Surftown Muc. Gerade war die offizielle Eröffnung. 15 000 Menschen kamen. Sogar Medien aus Australien berichteten.

Der bayerische Justizminister Georg Eisenreich sagte: „Mit Surftown entsteht hier in Bayern ein Zentrum für den Surfsport, das weit über unsere Landesgrenzen hinaus Maßstäbe setzt.“ Josef Niedermair, Erster Bürgermeister von Hallbergmoos, meinte: „Es ist beeindruckend zu sehen, wie dieses Projekt Menschen aus aller Welt anzieht.“ Camila Kemp, Deutschlands erste weibliche Olympia-Surferin, sagte: „Ich freue mich unglaublich darauf, hier zu trainieren und meine Fähigkeiten weiterzuentwickeln. Es ist ein Traum, jetzt vor den Toren Münchens surfen zu können.“ Im kommenden Oktober sollen hier die Deutschen Meisterschaften im Wellenreiten ausgetragen werden.

Der Initiator schafft es, 45 Millionen Euro aufzutreiben

Chris Boehm-Tettelbach hatte schon vor zehn Jahren die Idee, einen Surfpool in Deutschland zu bauen. „Ich habe mich hingesetzt und einen Businessplan geschrieben, wie man so einen Surfpool wirtschaftlich bauen und betreiben kann“, sagt er. Er machte Standort- und Kaufkraftanalysen. „Dann habe ich Bauern in der Region besucht und gefragt, ob sie Land verkaufen.“ Die Bauern sagten: „Du spinnst doch! Schleich Dich!“ Boehm-Tettelbach merkte: Um so ein Projekt zu verwirklichen, braucht es eine Gemeinde an Bord, politischen Rückhalt und eine Menge Geld. Das Konzept wanderte in die Schublade.

Fünf Jahre später übernahm er mit seiner Eventmarketing-Agentur ein Projekt in Hallbergmoos, nahe des Münchener Flughafens. Es ging darum, ein Bürogebäude attraktiver zu machen, nichts Bewegendes, aber die Gemeinde hatte ein Grundstück im Industriegebiet zu verkaufen und suchte einen, der es belebt. Boehm-Tettelbach holte seinen Plan für einen Surfpool aus der Schublade. Die Gemeinde war interessiert. Doch bis mit dem Bau begonnen werden konnte, musste Boehm-Tettelbach 45 Millionen Euro Kapital auftreiben. Er fand Investoren – und mit seinem Surfkumpel Michi Mohr einen Co-Gründer und Chief Surfing Officer.

Zwei Jahre dauert die Suche nach der besten Technologie

Boehm-Tettelbachs Sohn Jonas ist auch im Gründerteam und schaut, dass der Tagesbetrieb läuft. 150 Mitarbeiter arbeiten für Surftown, 60 davon Surflehrer und Lebensretter. Im Juli 2022 war der erste Spatenstich. Nie zuvor wurde so ein Projekt in Deutschland umgesetzt. 180 Meter ist der Pool lang. Die Wellen können bis zu zwei Meter groß sein. Bislang gab es hierzulande nur Surfpools mit stehenden Wellen. Ingenieure und Professoren berieten bei der Planung und dem Bau. Zwei Jahre dauerte die Suche nach der besten Technologie.

Ein 120 Meter langer Wellengenerator erzeugt nun mit Druckluft aus 34 Öffnungen unter Wasser die Wellen. Die Anlage soll bald fast vollständig mit der Sonnenenergie eines nahe gelegenen Solarparks betrieben werden. Der Anfängerkurs kostet 69 Euro, Ausrüstung inklusive. Die Fortgeschrittenen-Wellen gibt es ab 89 Euro. Die Zeit im Wasser beträgt eine Stunde. KI-gestützte Kameras nehmen alle Ritte auf.

Auf der Terrasse vor dem Pool sitzen Menschen. Manche trinken Weißbier. Unter einem Sonnenschirm sitzt eine Rentnerin. Sie hat früher in Hallbergmoos gewohnt und wollte mal schauen, was hier passiert. „Hallbergmoos ist auf einmal eine Weltstadt“, sagt sie. Das mag übertrieben sein, aber die Autokennzeichen auf dem Parkplatz kommen auch aus Frankreich und Italien. In der Umkleide unterhalten sich zwei Brasilianer. Hoch am Himmel sieht man Passagier-Maschinen vom nahen Münchener Flughafen. Fliegen die Leute jetzt fort oder kommen sie her? Und das Oktoberfest steht ja auch noch vor der Tür.

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Erstellt:
27. August 2024, 11:50 Uhr
Aktualisiert:
27. August 2024, 22:13 Uhr

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