Christoph Jäger verabschiedet sich

Eine Ära ist zu Ende: Ab nun heißt es „Alt-Bürgermeister Christoph Jäger“. Die Gemeinde Großerlach verabschiedet ihren langjährigen Rathauschef mit einem festlichen Bürgerempfang in den Ruhestand.

Christoph Jäger zeigt sich sichtlich gerührt angesichts der vielen netten Worte und der emotionalen musikalischen Gestaltung des Abends.

© Alexander Becher

Christoph Jäger zeigt sich sichtlich gerührt angesichts der vielen netten Worte und der emotionalen musikalischen Gestaltung des Abends.

Von Christoph Zender

Großerlach. Wie definiert man den Begriff „Ära“? Der Duden bezeichnet damit eine Zeitepoche, die durch eine Person oder Sache geprägt wurde. Insofern wurde am vergangenen Freitagabend in der voll besetzten Gemeindehalle von Großerlach im wahrsten Sinne des Wortes das Ende einer Ära gefeiert: 24 Jahre Bürgermeister Christoph Jäger. Dem Anlass entsprechend hatte die Gemeindeverwaltung alle Bürgerinnen und Bürger sowie zahlreiche Gäste aus Bundes- und Landespolitik, der Kommunalverwaltung und der Wirtschaft zu einem festlichen Bürgerempfang eingeladen.

Eine Frage wird nicht nur die Rednerinnen und Redner der zahlreichen Grußbotschaften bewegt haben, sondern auch die Großerlacher selbst: Wie kann man eine solch lange, erfolgreiche Amtsperiode angemessen würdigen? Sind es die vielen Bauprojekte, die Gewerbeansiedlungen, die Infrastrukturmaßnahmen oder die Bildungsinvestitionen, die unter der Ägide von Christoph Jäger realisiert wurden und dauerhaft Bestand haben werden? Oder ist es etwas anderes, was die „Ära Jäger“ charakterisiert? Offensichtlich Letzteres.

Verglichen wird seine Versiertheit mit einem Schweizer Taschenmesser

Wie ein roter Faden zieht sich dieses Andere, das sich an dem Menschen Christoph Jäger festmachen lässt, durch die zahlreichen Grußworte. „Er hat das Bild des Schultes mit seiner offenen Art revolutioniert“, blickt Landrat Richard Sigel auf die Anfangsjahre von Christoph Jäger zurück. Neben dem damals 31-jährigen Newcomer residierte zu der Zeit in vielen Gemeinden noch ein deutlich anders geprägter Typus von Bürgermeister, so Sigel. Gleichwohl war er für ihn auch ein unschätzbarer, höchst versierter Verwaltungsfachmann. Oder wie Sigel es bildhaft ausdrückt: „ein Schweizer Taschenmesser der Verwaltung“. Für seinen langjährigen Amtskollegen aus Althütte, Reinhold Sczuka, hat er sich als wahres „Multitalent“ und Ideengeber entpuppt. Mit Jäger ist für ihn das „Magische Dreieck“, der Schnittpunkt der Landkreise Rems-Murr, Hohenlohe und Heilbronn auf der Gemarkung Großerlach, ebenso untrennbar verbunden wie die Schwäbische Waldfee. Wobei an dieser Stelle Steffen Jäger, Präsident des baden-württembergischen Gemeindetags und vormals Bürgermeister von Oppenweiler, schmunzelnd Einspruch erhebt: „Ehre, wem Ehre gebührt. Aber die Idee zur Waldfee hatten die beiden Jäger-Bürgermeister seinerzeit gemeinsam gehabt.“ Uneingeschränkten Respekt zollt er seinem Namensvetter allerdings für dessen unermüdlichen Kampf um die Interessen der Gemeinde und der Demokratie als solcher. „Du warst stets Gesicht und Stimme der Demokratie und deinem Gegenüber stets zugewandt“, bringt es Steffen Jäger auf den Punkt.

Auch die Kehrseiten des Amts werden nicht verschwiegen

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Hieran knüpfen auch die Rednerinnen und Redner des Gemeinderats, der Vereine, der Feuerwehr, der evangelischen Kirche und der Bildungseinrichtungen an. Unisono heben sie das fortdauernde Interesse für ihre Anliegen und das große persönliche Engagement von Christoph Jäger hervor. Neben Worten lassen die Großerlacher an diesem besonderen Abend aber auch Taten sprechen: Um die besondere Liebe ihres ehemaligen Schultes zur Musik wissend, sind es der Chor der Grundschule, der Gesangverein Eintracht und der Musikverein Frischauf Grab, die der Veranstaltung einen stimmungsvollen musikalischen Rahmen geben. Eine besondere Zugabe haben sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Gemeinde für ihren Ex-Chef einfallen lassen. Außerhalb des offiziellen Programms engagiert und vom Publikum begeistert begleitet, performen Markus Stricker und Micha Schad von der schwäbischen Kultband Wendrsonn die bekannte Heimathymne „Da ben i dahoim“.

Spätestens jetzt ist es um Christoph Jägers Fassung geschehen. Wie er offen bekennt, hatte er „eine wahnsinnige Angst vor diesem Abend“. Trotz der überwältigenden Wertschätzung, die ihm entgegengebracht wird, ist er aber mit sich und der Entscheidung, seine Bürgermeisterkarriere zu beenden, im Reinen, mussten seine Familie und insbesondere seine Frau Elke doch sehr oft auf ihn verzichten, wenn dringende Amtsgeschäfte riefen.

Stehende Ovationen und eine Darbietung der Trääs-Fahnenschwinger geleiten Christoph Jäger und seine Frau Elke aus der Gemeindehalle von Großerlach. Fotos: Alexander Becher

© Alexander Becher

Stehende Ovationen und eine Darbietung der Trääs-Fahnenschwinger geleiten Christoph Jäger und seine Frau Elke aus der Gemeindehalle von Großerlach. Fotos: Alexander Becher

Neben all den schönen Erinnerungen an seine Rathauszeit möchte er in seinen letzten offiziellen Worten an das Publikum in der Großerlacher Gemeindehalle jedoch nicht die Kehrseiten seines Amts verschweigen. Zuvorderst kritisiert er die überbordende Bürokratie und die langen Entscheidungsprozesse, die ihm in der Rückschau das Leben als Bürgermeister zunehmend schwerer gemacht haben. „Wir müssen wieder weniger regulieren, prüfen, hinterfragen – und dafür mehr machen“, lautet sein Appell an die Politik. „Mut zu weniger Bürokratie und Mut zu mehr Vertrauen, mehr Eigenverantwortung“, so Jägers Zauberformel. Angesichts der an diesem Abend versammelten Schar von Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern sowie der anwesenden Abgeordneten dürfte damit auch das Thema für die Gespräche beim abschließenden Ständerling, den die Landfrauen aus Großerlach und Grab zu Ehren ihres nun Alt-Bürgermeisters organisiert hatten, gesetzt gewesen sein.

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Erstellt:
22. April 2024, 06:00 Uhr

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